Loriot in der Jesuitenkirche

Die Jesuitenkirche in Wien war am 13. Juni Schauplatz für ein Konzert des Österreichischen Komponistenbundes. Im Zentrum standen zwei wunderbare Musizierende. Einerseits Wolfgang Kogert an der Orgel, der unter anderen an der Wiener Hofburgkapelle zu hören ist und andererseits die musikalische Grenzgängerin Agnes Palmisano, vielen bekannt als moderne Wienerliedinterpretin.

Orgelkonzert Jesuitenkirche Kogert Palmisano

Der Organist Wolfgang Kogert war mit der Sopranisten Agnes Palmisano in der Jesuitenkirche zu hören.


Für Kogert spannte sich der Bogen der Kompositionen von Friedrich Cerha, Klaus Lang, Ernst Wally, Thomas Daniel Schlee, Manuela Kerer und Lukas Haselböck, wobei Kerer und Haselböck auch für Palmisano eine wichtige Rolle bereitgehalten hatten.

Die junge Südtirolerin Manuela Kerer war mit ihrer Komposition „Zweite Futurmodulation bei Sonnenaufgang für Sopran und Orgel (2010)“ von jenem Loriot-Scetch beeinflusst worden, in welchem eine Bundesdeutsche das Jodeln erlernen möchte und dabei zuerst einmal damit beschäftigt ist, das Jodelvokabular auswendig zu lernen. Kerer ließ in ihrer Partitur viel Raum für die Sängerin – und den nahm sich Palmisano im wahrsten Sinne des Wortes. Am Beginn in einer der Kirchenbänke sitzend, verließ sie ihren Platz um im Hauptgang neben ersten Jodelphrasen ein allseits hörbares Resonanzraumtraining zu absolvieren. Von Kogert spannend begleitet, spazierte sie langsam in Richtung Chorempore. Dort angekommen, lieferte sie sich mit ihm schlussendlich einen Kampf um die Vorherrschaft und je länger das Stück andauerte, umso intensiver wurde sowohl das stimmliche als auch das Klangvolumen der Orgel. Das mit so vielen Augenzwinkermomenten ausgestattete Stück endet abrupt und beinahe tragisch mit einem letzten Aufschrei der „Jodlerin“. Gerade dieses Schwanken zwischen Witz und Tragik macht die Spannung im Werk von Kerer aus. Diese Kostprobe machte jedenfalls spontan Lust, mehr von der Komponistin zu hören.

Ein weiteres Mal kam Palmisano zum Einsatz, nämlich in den “ Drei Gesängen nach H.C. Artmann für Mezzosopran und Orgel“ (2012) die Lukas Haselböck komponiert hatte. „Aum eaxtn is s ma r one dia“, „windradal „ und „hosd as ned kead“ boten für die Sängerin abermals genügend Interpretationsspielraum und beeindruckten durch ihren musikalischen Farbenreichtum. Stimmungsmusik pur, aber nicht jene, bei der das Schmalz trieft sondern Pfeile abgeschossen werden, die bohrend in Hirn und Ohr stecken bleiben.

Wolfgang Kogert, der auch eine interessante Einleitung moderierte, ließ mit den Präludien I – III von Friedrich Cerha aufhorchen, die 2011/2012 entstanden waren. Es handelte sich dabei um drei völlig verknappte Stücke, in welchen Cerha, der sich lange einer Komposition für Orgel verweigerte, jeweils in nur wenigen Takten Stimmung und Farbigkeit notierte und damit auch das Kompositionsprinzip verdeutlichte. Diese Miniaturen können wohl auch das als „pars pro toto“ angesehen, denen eigentlich kein einziger Ton mehr hinzuzufügen ist.

„The ugly house“ des Steirers Klaus Lang (2012) verströmte in minimalistischer Manier jede Menge Kontemplation, der jedoch auch eine gewisse Spannung inne wohnte. Demgegenüber standen Werke von Ernst Wally aus „Settings“ (2002) Agitated I – Fading

Thomas Daniel Schlee, Deux Prières Mariales (1985) I. Magnificat, II. Stabat Mater, die beide sämtliche Orgelregister in Bewegung setzten und im Hörerlebnis damit jene zufrieden stellten, die sich ein Orgelkonzert ohne Sausen und Brausen nicht vorstellen können.

Wolfgang Kogert meisterte alle Herausforderungen, von denen es in dieser Vorstellung sehr viele gab verbildlichst und machte klar, dass er in Österreich wohl als einer der herausragendsten Ansprechpartner für die Interpretation von zeitgenössischer Orgelmusik zu gelten hat.

Randnotiz:
Während des letzten Stücke von Schlee kam ein sehr junger „Augustinverkäufer“ in die Jesuitenkirche, um seine Zeitung zu verkaufen. Es war ihm nicht klar, dass er sich nicht in einer Messe oder Andacht befand, sondern in einem Konzert und so wanderte er von Bank zu Bank, setzte sich auch unerschrocken zu dem einen oder der anderen dazu, um von beinahe allen schroff abgewiesen zu werden. Als er schon wieder zum Rückzug angetreten war, begannen die Leute für ihn plötzlich unvermutet zu klatschen und da er sich im Hauptgang befand, an exponierter Stelle, begann sein Gesicht zu strahlen und er verbeugte sich sicherheitshalber mehrfach. Dieser so unbedarfte kindliche Zugang zu sozialen menschlichen Aktionen, deren Übereinkunft ihm in diesem Moment völlig unverständlich waren berührte jene, die menschliche Schicksale nicht kalt lassen, extrem. Die Tatsache, dass der Kunstgenuss für 90 Prozent aller in dem Kirchenraum Anwesenden einen höheren Stellenwert bedeutete als eine kleine pekuniäre Geste einem freundlichen, offenen, jungen Menschen gegenüber, beschämte mich zutiefst.


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