© Disney / Johnny Depp als Tonto und Armie Hammer als John Reid, der zum Lone Ranger wird
Ein einsamer Hüter, ein Mann mit Maske, ein wahrer Cowboy, ein Ranger der für Recht und Ordnung sorgt. Das ist der Lone Ranger immer schon gewesen. Im alten amerikanischen Westen jagt dieser rechtschaffende Mann gemeinsam mit seinem treuen indianischen Weggefährten Tonto die Diebe, Räuber und Ganoven, die den Wilden Westen so unliebsam machten. Erfunden von George W. Trendle und Fran Striker, ist der Lone Ranger einer dieser Helden, die zuerst nur in Radioabenteuern in die Haushalte der Zuhörerschaft gelangten. Er ist ein artverwandter Held zu The Shadow (verfilmt mit Alec Baldwin in der Titelrolle) und zu dem ebenfalls von Trendle und Striker erschaffenen Green Hornet (verfilmt mit Seth Rogen), der wiederum im Radiouniversum dieser Abenteuergeschichten der Sohn vom Neffen des Lone Rangers ist. Wie schon „Shadow und der Fluch des Khan“ (1994) und „The Green Hornet“ (2011) hat nun auch der „Lone Ranger“ von Gore Verbinski („Fluch der Karibik“) die Umwandlung für die Kinoleinwand erhalten. Nur steht bei ihm nicht mehr der Lone Ranger im Mittelpunkt, sondern dessen treuer Begleiter Tonto, gespielt von Verbinskis Liebling Johnny Depp (Captain Jack Sparrow und die Stimme von Rango in Verbinskis gleichnamigen Animationsfilm).
Ein Fehler, wie er schon in anderen Filmen begangen wurde. Bei Disney musste Mia Wasikowska hart dafür arbeiten, als Alice in der Wunderland-Verfilmung neben Johnny Depp als verrückten Hutmacher zu bestehen, ein wenig vermisste man auch die Figurencharakterisierung des Ensembles zu „Dark Shadows“, ein Film bei dem sich Regisseur Tim Burton ganz auf seinen Johnny und dessen Darstellung des Vampirs Barnabas Collins konzentrierte. Johnny als Publikumsmagnet mag weiterhin funktionieren, in mancherlei Film sollte man aber zugeben, dass eine Nebenfigur nicht zum Hauptträger der Handlung werden sollte. So auch im „Lone Ranger“, in dem Armie Hammer („The Social Network“, „Spieglein, Spieglein“) nicht etwa gegen finstere Schurken ankämpft, sondern gegen die Belanglosigkeit seines Daseins. Der Lone Ranger verkommt zu einer Geschichte, die von Tonto erzählt wird. Er leitet die Handlung 1933 auf einem Jahrmarkt ein, wo er einem kleinen Jungen von seinen Erlebnissen mit diesem Lone Ranger im Wilden Westen des Jahres 1869 erzählt.
William Fichtner als Butch Cavendish
Hier wird der skrupellose Verbrecher Butch Cavendish, ein wie immer wunderbar fieser William Fichtner (derzeit auch in Neill Blomkamps „Elysium“ zu sehen), von einer Gruppe von Texas Rangern gejagt. Diese geraten bei ihrer Verfolgung jedoch in einen Hinterhalt und werden brutal ermordet. Nur John Reid überlebt überraschend. Er wird von Tonto gefunden, bekommt eine Maske übergestreift und fortan ziehen die beiden Seite an Seite für Gerechtigkeit in die Schlacht. Doch um Gerechtigkeit zu verüben, muss man manchmal auf die Seite der Ungerechtigkeit wechseln, wie die beiden schnell herausfinden. Ihr Ziel bleibt dabei aber immer, sich an Butch Cavendish und seiner Gang zu rächen. Ganz nebenbei kommen sie dabei einem Komplett auf die Spur, dass den Wilden Westen gänzlich umkrempeln könnte.
Das gestaltet sich auf der Leinwand in den ersten zwei Stunden (!) als äußerst langweiliges Unterfangen, bei dem Gore Verbinski niemals die Dynamik erreicht, die er in seinen bisherigen Filmen vollführen konnte. Von anfänglichen Werken wie „Mäusejagd“ bis hin zu seiner „Fluch der Karibik“-Trilogie, brillierte der Regisseur bisher im Bereich des Popcorn-Kinos durch wilde, rasante Sequenzen, in denen all seine Figuren miteinander agierten, gleich an mehrerlei Schauplätzen für die nötige Action und einen zeitgleich stattfindenden Witz gesorgt war. In „Lone Ranger“ allerdings beweist Verbinski, dass er auch langatmig und einfallslos erzählen kann, erst der Showdown auf zwei fahrenden Zügen entwickelt wieder die bekannte und typische Vorgehensweise. Hier entfesselt er dann in den letzten zehn Minuten eine wunderbar choreographierte Eisenbahn-Verfolgungsjagd, die eben jene Dynamik aufweist, die seine Filme bisher so unterhaltsam werden ließ.
Helena Bonham Carter mit Elfenbein-Gewehrbein
Aber dieses gelungene Ende retten nicht die vorangestellte Handlung, bei der Armie Hammer die leidvolle Aufgabe trägt, an der Seite von Johnny zu spielen, der sich offenbar schwer damit tut, sich in ein Ensemble einzufügen. Seine Rollenwahl scheint auf Filme spezialisiert zu sein, in denen er sich in extravagante Verkleidungen flüchten kann um damit das immer selbe, inzwischen variationslose Spiel zu übertünchen, welches er vor allem mit der Rolle des Captain Jack Sparrow zwar perfektioniert, aber bisher nicht wieder abgelegt hat. Ähnlich wie die hier ebenfalls auftauchende Helena Bonham Carter, die ebenso ein Faible für skurrile Figuren mit sonderbaren Eigenschaften und Macken hat – in diesem Fall eine Bordellbesitzerin mit einem Gewehrbein aus Elfenbein. Sie hält ihre Auftritte in solcherlei Fällen aber klein genug, um keine Ermüdungserscheinungen bei den Zuschauern herauf zu beschwören.
In den USA ist der „Lone Ranger“ gefloppt, nach Filmen wie „Milo und Mars“ und „John Carter“ ein weiterer Misserfolg der Disney Studios, der ihnen so langsam zu denken geben sollte. Mit einem Budget von über 220 Mio. US Dollar und einem Einspielergebnis von unter 200 Mio. US Dollar konnte der maskierte Rächer trotz des Einsatzes von Johny Depp nicht seine Kosten decken. Das dürfte als Beweis ausreichen, dass ein großer Name und ein großes Studio allein nicht mehr ausreichen, um das Kinovolk von einem Film zu überzeugen. Auch Popcorn-Kino braucht seinen gewissen Anspruch. In diesem Fall hätte man mehr Action, mehr Unterhaltung, mehr Witz erwartet, wird aber dahingehend 120 von 150 Minuten enttäuscht.
“Lone Ranger“
Originaltitel: Lone Ranger
Altersfreigabe: ab 12 Jahren
Produktionsland, Jahr: USA, 2012
Länge: ca. 150 Minuten
Regie: Gore Verbinski
Darsteller: Armie Hammer, Johnny Depp, William Fichtner, Tom Wilkinson, Ruth Wilson, Helena Bonham Carter, James Badge Dale
Deutschlandstart: 8. August 2013
Im Netz: Disney.de/lone-ranger