Lob des Sozialismus

Lob des SozialismusDie ehemalige FDJ-Zeitung "Junge Welt", die ihre Mitarbeiter schlechter bezahlt als imperialistische Fastfood-Ketten aus dem einzigen verbliebenen Reich des Bösen, hat nun auch begriffen, wie Marketing funktioniert. Ist die Sache selbst auch verloren, taugt sie doch dazu, alle Gewinner zu verärgern. Nach dem Vorbild der NPD, die den Wahlkampf in Berlin mit einem assoziationsreich "Gas geben" überschriebenen Plakat startete, was ihr im "Spiegel" kostenlosen Anzeigenplatz im Wert von mehreren zehntausend Euro bescherte, setzt die an Geld und Lesern notorisch klamme linke Kampfschrift zum Mauerbaujubiläum auf Widerworte.

War doch schön damals, viel besser als heute!, lässt sich ein kurzer Text übersetzen, der so falsch ist, dass nicht einmal sein Gegenteil wahr wäre.

"Wir sagen an dieser Stelle einfach mal: Danke", schreibt die Redaktion mit mehr als einer Träne im Auge an alle, die damals die Mauer bauten. "Danke für 28 Jahre Friedenssicherung in Europa", die ohne das Stillhalten der Westmächte nicht möglich gewesen wäre. Danke auch "für 28 Jahre ohne Beteiligung deutscher Soldaten an Kriegseinsätzen", abgesehen natürlich von den Einsätzen einiger hundert NVA-Ausbilder in Afrika, Südamerika und Asien. Danke "auch für 28 Jahre ohne Hartz IV und Erwerbslosigkeit", weil damals im DDR-Paradies alle Geld bekamen, ohne etwas zu tun. Oder, wenn sie das nicht wollten, eben nach Paragraph 249 wegen "Gefährdung der öffentlichen Ordnung durch asoziales Verhalten" im Gefängnis landeten.

Die "Junge Welt", das frühere Zentralorgan von Egon Krenz, dankt desweiteren "für 28 Jahre ohne Obdachlosigkeit, Suppenküchen und Tafeln", dankt also für Wohnen in Abrisshäusern, in zerfallenden Innenstädten, für Wohnungen mit Klo halbe Treppe, für fünf Jahre Warten auf einen Zuweisungsschein, für Umzug nur für die, die Beziehungen haben.

Aber ja doch, danke auch "für 28 Jahre Versorgung mit Krippen- und Kindergartenplätzen", die jede Familie bekam, damit Mutti und Vati fleißig beim Aufbau des Sozialismus helfen konnten. Früh halb sechs den Kleinen wecken, das ist gesund, das macht munter. Abends halb sieben schon wird er wieder abgeholt zum Zähneputzen und ab ins Bettchen. Danke, danke für soviel fürsorgliches Familienleben.

Danke desweiteren "für 28 Jahre ohne Neonaziplakate »GAS geben« in der deutschen Hauptstadt", die, soweit irrt die "Junge Welt" auf gute alte Naziart, natürlich nicht deutsche Hauptstadt war, sondern nur "Hauptstadt der DDR". Und für "28 Jahre Geschichtswissenschaft statt Guidoknoppgeschichtchen", so dass jeder wusste, was für ein lieber Kerl Väterchen Stalin war, wie gut es Breshnew mit der DDR meinte und wie voll freiwillig Ulbricht Honecker ans Ruder ließ.

Es scheint dann aber schon ein wenig dünn zu werden fürs das große Lob des Sozialismus, denn die Junge Welt sagt nun schon "danke für 28 Jahre Club Cola und FKK", obwohl es sowohl Club Cola als auch FKK immer noch gibt. Und danke "für 28 Jahre ohne Hedgefonds und Private-Equity-Heuschrecken", obwohl die DDR ohne Geldspritzen ihres Stasi-Hedgefonds Kommerzielle Koordinierung schon die Mitte der 80er Jahre nicht überlebt hätte.

Danke dann noch für "28 Jahre ohne Praxisgebühr und Zwei-Klassen-Medizin", was auch nicht ganz richtig sein kann, denn alle historischen Quellen sagen, dass sich die führenden Genossen nie in der Poliklinik Süd, sondern stets im "Regierungskrankenhaus" behandeln ließen.

Aber seis drum. Danke "für 28 Jahre Hohenschönhausen ohne Hubertus Knabe" - wir hatten Karl Eduard von Schnitzler, das Original. Danke "für 28 Jahre munteren Sex ohne Feuchtgebiete und Bild-Fachwissen", wir hatten Jutta Rasch-Treuwerths Fachwissen, deren Feuchtgebiet die "Junge Welt" war. Ist das lustig. Danke zum Schluss noch, schreibt das Blatt jetzt, "für 28 Jahre Bildung für alle" - mit der es, die "Junge Welt"-Danksagung allein beweist es schon, soweit nicht hergewesen sein kann.

Immerhin, die "Junge Welt" ist angekommen in der freiheitlichen Demokratie, die sie aufs Messer zu bekämpfen entschlossen ist. Derselbe Text mit entgegengesetztem Impetus vor 28 Jahren in derselben Zeitung veröffentlicht, hätte alle Beteiligten Existenz und Freiheit gekostet. Heute lachen wir drüber.

Danke dafür, Junge Welt!


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