Linksliberaler Terror

Dass Hans-Peter Friedrich ein harter Hund mit weichem Kern ist, war bereits bekannt, als er noch relativ unbekannt war - ein Proporzminister, der in seiner Zeit als Hinterbänkler nur durch opportunes Abnicken auf sich aufmerksam machte, kann niemanden überraschen. Weicher Kern bedeutet hierbei: mit weichem Inhalt, mit magarineweicher, ja fast flüssiger, verflüssigter Treue zu Werten einer liberalen und aufgeklärten Gesellschaft, die sich Rechtsstaat schimpft - und es bedeutet, nach dem, was man so liest (nicht über ihn, sondern von ihm), ganz besonders: die weiche Birne eines Hardliners...

Dieser Mensch, der Minister ist, weil es unbedingt ein Minister aus Reihen der Christsozialen sein musste, auch wenn sich dort keiner tummelte, der dazu befähigt gewesen wäre... dieser Mensch nutzt Deutschlands beliebteste Tageszeitung, um seine rechtslastige Auffassung von Sicherheit und inneren Frieden unters Volk zu kotzen. Schlimm genug, dass es in diesem Lande Usus geworden ist, Zeitungen, die auf dem freien Markt (das, was man dafür ausgibt!) agieren, für derartige Ministerialerklärungen zu gebrauchen - das wirft ein Bild auf Regierung, Minister, Zeitungen und dem Verständnis von Demokratie, das man hierzulande zu Tode hegt und pflegt. Wie gesagt, schlimm genug - arger ist aber, was dieser friderizianische Kraftmeier verschiedene Aspekte vermengt und verwebt, um seine Vorstellungen eines präventiven Staatswesens so auszuschmücken, dass sie vernünftig und klug klingen.

Da leitet er seinen kurzen Text damit ein, dass man islamistische Terroristen vor einigen Wochen dingfest machen konnte - er konkretisiert und belegt nichts, daher: so weit, so schlecht. Aber es kommt noch mieser, denn von islamistischen Terroristen landet er bei denen, die den Präventivstaat mit seinen obskuren Bewachungsphantasien und seinem Feindstrafrecht auf alle Fälle verhindern wollen. "Linksliberale Fundamentalisten" nennt er die - und die sind für ihn auf einer Stufe mit Bombenlegern aus dem Orient. Friedrich verquickt, was in seinem Weltbild zusammengehört - die Vermengung von verschiedenen Gruppierungen, die nichts oder gar nichts miteinander zu tun haben, das ist ein gebräuchlicher Kniff in diesem Lande: Juden und Bolschewiki waren damals eins; später Studenten oder Gammler und Kommunisten - jetzt sind es eben Linksliberale oder ganz einfach Personen, die was von Datenschutz und Intimsphäre halten, und religiöse Eiferer.

So beseitigt man Probleme. Man macht aus Kritikern Feinde, man kriminalisiert sie. Friedrich bedient sich dieser uralten Masche. Jeder Kritiker an seinen Plänen, den Kamera- und Überwachungsstaat auszubauen, ist damit kein Kritiker mehr, sondern Helfershelfer islamistischer Terroristen und damit letztlich selber Terrorist. Wer nicht am Fundament des Rechtsstaates mitruckeln will, der ist - wie paradox das doch ist! - ein Fundamentalist. Entweder ein islamistischer oder ein linksliberaler, je nach dem. Der wirkliche Fundamentalist, der das Fundament dieses Staates, die amtierende Verfassung demnach, aushöhlen oder sogar aufheben möchte, ist aber als solcher nicht zu nennen. Ihn ruft man Vernunft oder Verständigkeit. Derjenige, der Datenschutz und Privatsphäre als hohes Gut postuliert, der ist ein Sicherheitsrisiko - gleichwohl diejenigen, die die Rechtssicherheit auflösen wollen, niemals mit einem solchen Wort belegt würden, denn das von ihnen betriebene Sicherheitsrisiko geschieht (erneut ein Paradoxon!) nur zur Sicherheit aller. Friedrich ist mit seiner brachialen Vermischung von Terroristen und Datenschützer so paradox, wie die gesamten Beteuerungen und Ausflüchte der Sicherheitspolitik generell. Nur zweiundzwanzig Zeilen und lediglich vierzehn Sätze benötigt er dazu, sein gesamtes widersprüchliches Weltbild zu malen - und das, obwohl das gesamte Thema angeblich hochsensibel und komplex ist!

Und noch etwas macht stutzig: Friedrich beschwichtigt ja, dass der "unbescholtene Bürger" sich nicht fürchten muß. Das Gesetz schütze ihn, denn dieses ist ja ausschließlich für Terroristen (oder "Terrorverdächtige", wie man das mit einem Wortkonstrukt des Neusprech definiert) gemacht. Er schweigt sich aber darüber aus, dass Anti-Terror-Gesetzgebung bereits in vielen anderen Bereichen Anwendung fand - nicht zuletzt in Jobcentern. Und obwohl es dem Gesetz und angeblich auch ihm nur um Terroristen geht, überschreibt er sein Machwerk mit "Linksliberale Fundamentalisten" - und wer aufmerksam den Wust liest, den er da aus seinem Füllfederhalter goss, dem entgeht nicht: am Ende sind für ihn Datenschützer und Menschen mit Privatheitsanspruch die wirklichen Gefährder, die eigentlichen Feinde. Das ist so paradox und widersprüchlich, wie man es von Sicherheitsfanatikern bereits ausführlich kennt.

Dieser Minister unterstreicht mit seinem kurzen Elaborat jedoch nur die Befürchtungen, die Datenschützer und "linksliberale Fundamentalisten" immer schon hatten. Friedrich zeigt mit seinen vierzehn Sätzen nämlich auf, wie schnell das eigentliche Objekt der Zielsetzung aus den Augen geraten kann. Sechs seiner vierzehn Sätze befassen sich mit dem Terror, die restlichen aber mit Linksliberalen, die zur Gefahr "für Leib und Leben Unschuldiger in Deutschland" werden. Wenn schon nach vierzehn Sätzen ein Minister selbst vom Zielpunkt abkommt, um irgendwo am Wegesrand zu grasen, dann bestätigt sich die Angst der Datenschützer: der Präventivstaat, der nicht mehr mit rechtsverbindlichen Normen hantiert, der wird maßlos. Und: wer rechtsstaatliche Grenzen von Fall zu Fall variiert, der entkräftet sie - Friedrich beweist das mit seinem Generalangriff auf "terroristische Datenschützer".


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