LINKE hat den Laizismus im Wahlprogramm

Parteitag der LINKEN in Dresden

Parteitag der LINKEN in Dresden (Quelle)

Nach emo­ti­ons­ge­la­de­ner Debatte haben die Delegierten des Bundesparteitages der Linkspartei am 15. Juni einen kla­ren Punkt zum Laizismus in das Wahlprogramm für die bevor­ste­hende Bundestagswahl auf­ge­nom­men. Initiator war die Bundesarbeitsgemeinschaft Laizismus, deren Antrag vom Landesverband Nordrhein-Westfalen mit­ge­tra­gen wurde. In die end­gül­tige Formulierung sind auch Forderungen des Ortsverbandes Braunschweig und der Bundesarbeitsgemeinschaft Betrieb und Gewerkschaft ein­ge­flos­sen.

In der Demokratie ist es manch­mal so, dass ein Teil der Gesellschaft bei Wahlen oder in Abstimmungen unter­liegt. Manchmal tat­säch­lich, aber oft auch nur gefühlt. Es kommt auch dies vor: Manch einer stei­gert sich in Nebensächlichkeiten hin­ein und ver­liert so den Focus auf das Wesentliche.

So auch bei der Diskussion über den Laizismusteil im Wahlprogramm der LINKEN. Da wird an einer Stelle gefor­dert, die Notwendigkeit des Blasphemiegesetzes (§ 166 StGB) auf den Prüfstand zu stel­len.

Die Bundestagsabgeordnete Christine Buchholz emo­tio­na­li­sierte die Debatte mit einem wohl­kal­ku­lier­ten Killerargument. Das MdB, das in die­sem Themenkomplex viel unter­wegs ist, behaup­tete doch allen Ernstes, dass die straf­recht­li­che Verfolgung der Schändung jüdi­scher Friedhöfe dann künf­tig nicht mehr mög­lich sei. Da lag sie aber voll dane­ben und die Delegierten nah­men ihr das auch nicht ab.

Die Anschläge meist rechts­ra­di­ka­ler Grabschänder auf jüdi­sche Friedhöfe wur­den noch nie nach dem § 166 StGB ver­folgt. Die Justiz hat da schär­fere Gesetze wie Volksverhetzung und Sachbeschädigung. Und deren Abschaffung steht ja nun wirk­lich nicht auf der Agenda.

Genau so wie behaup­tet wird, dass der lai­zis­ti­sche Programmteil ein Angriff auf reli­giöse Gefühle sei, war der Einwand von Christine Buchholz der Versuch unter Hinweis auf ver­min­tes Gelände (jüdi­sche Grabsteine) Emotionen zu schü­ren. Trotz fort­ge­schrit­te­ner Nachtstunde, haben die Delegierten die­ses Manöver durch­schaut.

Wir bli­cken der­zeit auf Auseinandersetzungen in repres­si­ven Staaten, in denen die Blasphemiegesetze dazu füh­ren, dass jemand, der einen Koran ver­brennt, für 11 Jahre ins Gefängnis gewor­fen wird. Ein fal­scher Liedtext, eine fal­sche Zeile über Twitter und es droht der Tod.

Da kann es doch nicht wahr sein, dass linke Abgeordnete sich für die Beibehaltung des Blasphemieparagraphen stark machen, zumal sie doch wis­sen, dass auch der rechte Rand in Deutschland die Verschärfung die­ses Gesetzes will.

Wir dür­fen nicht ver­ken­nen, die Aufklärung schrei­tet voran und die Religionen erle­ben einen tief­grei­fen­den Bedeutungsverlust. Deshalb machen sie jetzt mobil und scheuen auch vor Diffamierungen und Falschbehauptungen nicht zurück.

Erst am 14. Juni war früh am Morgen im WDR-Kirchenfunk ein Vertreter der evan­ge­li­schen Kirche zu hören, der etwa sechs Minuten lang über ver.di und Frank Bsirske hetzte. Das kirch­li­che Arbeitsrecht war sein Thema – das galt es zu ver­tei­di­gen. Das achte Gebot war dem Kirchenvertreter dann wohl auch noch unbe­kannt; behaup­tete er doch, dass Beschäftigte der Kirchen durch­weg höhere Löhne bezie­hen als die­je­ni­gen, die nach einem von ver.di aus­ge­han­del­ten Tarifvertrag arbei­ten. Das sollte er mal mit den unter Lohndumping lei­den­den Mitarbeitern des Profitzentrums Bethel bespre­chen.

Während es aus Kreisen ein­zel­ner höhe­rer Parteifunktionäre deut­li­che Ablehnung des Laizismus-Prinzips gibt, posi­tio­nie­ren sich z.B. Theologen ganz anders. So der Pfarrer i.R. Peter Franz, Weimar gegen­über den Autoren die­ses Beitrages:
“Ramelow schreibt von einem Antrag zur Religionspolitik, ohne den Inhalt die­ses Antrags zu benen­nen. Wird jetzt ein Bekenntnis zum Atheismus gefor­dert? Doch wohl nicht… Also ist es der Grundsatz des Laizismus, zu dem auch ich mich als Theologe und Geistlicher gut ver­ste­hen kann. Warum also seine Gegenstimme?”

Und was die Forderungen zur Abschaffung der Militärseelsorge angeht, so möge man sich nur ein Interview des evan­ge­li­schen Pfarrers Rainer Schmid mit der Tageszeitung Junge Welt (12. Juni 2013) anschauen. Kritische Theologen betrei­ben zu die­sem Thema übri­gens eine eigene Website.

Auch wenn es ein Kompromiss ist

Die LINKE hat seit Monaten ver­kün­det, “das beste Wahlprogramm aller Zeiten” bera­ten und beschlie­ßen zu wol­len. Das ist am letz­ten Wochenende in Dresden auch gelun­gen! Gut, jeder ein­zelne der 500 Delegierten kennt Themenbereiche, die sei­nem per­sön­li­chen Anspruch nicht genü­gen und ist sich sicher, dass es noch bes­ser geht.

Auch wir könn­ten uns das bei eini­gen Themenfeldern vor­stel­len. Der lai­zis­ti­sche Bereich könnte fünf­mal so lang und ein Vielfaches an Forderungen ent­hal­ten, doch wäre ein Über­maß an Forderungen evtl. an der Zustimmung der Delegierten geschei­tert. Uns war das lai­zis­tischste Wahlprogramm aller Parteien lie­ber, als gar kei­nes.

In vie­len Verhandlungen haben wir es erreicht, dass nicht mehr viele Antragsteller Ände­run­gen bean­trag­ten (was beim Einbringungszeitpunkt 23:30 Uhr zum Unmut vie­ler Delegierter geführt hätte), son­dern nur noch zwei Spiegelpunkte abge­stimmt wur­den. Den Rest hat­ten wir gegen­sei­tig über­nom­men und einige Passagen wur­den in Kompromissgesprächen auch “ent­schärft”.

Bei der Abstimmung dar­über konnte die Tagungsleitung kein ein­deu­ti­ges Ergebnis der Handabstimmung fest­stel­len. Deshalb wurde aus­ge­zählt. Das Ergebnis 194 Ja- und 170 Nein-Stimmen.

Damit waren die Punkte auch im Wahlprogramm, über das dann sofort danach in Gänze abge­stimmt wurde. Nur fünf von etwa noch 450 anwe­sen­den Delegierten stimm­ten gegen das Gesamtprogramm – dar­un­ter der Landesvorsitzende von Thüringen, Bodo Ramelow. Der sagte dann an nächs­ten Morgen in einer per­sön­li­chen Erklärung vor ver­sam­mel­ter Delegiertenschaft, dass durch die­sen Programmteil seine reli­giö­sen Gefühle ver­letzt wor­den seien.

Ralf Michalowsky und Siegfried R. Krebs

Der Wortlaut der beschlos­se­nen Laizismus-Passage im Bundestagswahlprogramm der Partei DIE LINKE:

Bekenntnisfreiheit ver­wirk­li­chen, Religionsgemeinschaften gleich­be­han­deln, Staat und Kirche insti­tu­tio­nell tren­nen

DIE LINKE ver­tei­digt das Recht aller Menschen auf ein Bekenntnis zu einer Weltanschauung oder Religion. Sie tritt ein für den Schutz welt­an­schau­li­cher und reli­giö­ser Minderheiten und für eine insti­tu­tio­nelle Trennung von Staat und Kirche und die Abschaffung der Militärseelsorge.

  • Grundrechte und Arbeitnehmer/innen-Rechte müs­sen auch in den Kirchen und Religionsgemeinschaften und in deren Einrichtungen Geltung haben, auch das Streikrecht und das Betriebsverfassungsgesetz.
  • Durch kirch­li­che Arbeitgeber aus­ge­übte Diskriminierung von Beschäftigten auf­grund ihrer Lebensumstände oder ihrer Religions- bzw. Konfessionszugehörigkeit in Bereichen, die nicht unmit­tel­bar der Religionsausübung die­nen, muss gesetz­lich ver­hin­dert wer­den.
  • Wir wol­len keine Bevorzugung von kirch­li­chen gegen­über öffent­li­chen Trägern bei der Vergabe von Trägerschaften, z.B. für Kindertagesstätten.
  • Schulen sol­len Wissen über Religionen ver­mit­teln und die wech­sel­sei­tige Toleranz der Glaubensgemeinschaften för­dern. Der Unterricht ist im Rahmen des Bildungsauftrages des Staates durch staat­lich aner­kannte Lehrkräfte zu leis­ten, unab­hän­gig von kirch­li­cher oder reli­gi­ons­po­li­ti­scher Einflussnahme.
  • Schulgebet, Schulgottesdienst und reli­giöse Symbole wie das Kruzifix sind in staat­li­chen Schulen zu ent­fer­nen.
  • Verfassungen dür­fen keine reli­giö­sen Bezüge auf­wei­sen. Religiöse Sonderregelungen wie das Blasphemiegesetz (§ 166 StGB), die Feiertagsgesetze sind dar­auf­hin zu über­prü­fen, inwie­weit sie zur Wahrung der reli­giö­sen Empfindungen der Angehörigen der unter­schied­li­chen Glaubensgemeinschaften erfor­der­lich sind.
  • Wir wol­len den seit 1919 beste­hen­den Verfassungsauftrag zur Ablösung der Staatsleistungen an die Kirchen end­lich umset­zen. Die Kirchensteuer gehört abge­schafft. Für die Erhebung und Eintreibung von Mitgliedsbeiträgen und damit ver­bun­den auch für die Mitgliederverwaltung an sich sol­len aus­schließ­lich die Religionsgemeinschaften selbst zustän­dig sein. Eine Erhebung der Religions- bzw. Konfessionszugehörigkeit durch die Meldeämter wird dadurch über­flüs­sig und kann weg­fal­len.

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