Ich habe eben mal nachgesehen: Es ist inzwischen wirklich schon ein gutes Vierteljahr, dass ich mein Kindle besitze. Mir kommt es ehrlich gesagt länger vor. Ich habe mich an mein kleines Elektrobuch gewöhnt.
Auslöser dafür, dass ich hier mal einige Gedanken zum Pro und Kontra über das Lesen auf dem Kindle loswerden möchte, ist ein Artikel von gestern bei den Netzpiloten. Zu den dort geäußerten Ansichten will ich noch meine eigenen beitragen. Denn es gibt sowohl einen positiven Effekt, der dort nicht erwähnt wird als auch einen negativen.
Fangen wir mit dem Positiven an: Forscher der Uni Mainz fanden heraus, dass Senioren mit Tablets sogar besser lesen können als mit gedruckten Büchern. Nun bezeichne ich mich selbst ja noch ungern als “Senior”… aber in manchen Fällen ist es tatsächlich so, dass ich inzwischen lieber zum Tablet (in meinem Fall das iPad) oder zum Kindle greife. Nämlich immer dann, wenn das Licht nicht so gut ist. Hier hilft der beleuchtete Hintergrund der Geräte ungemein. Auf Dauer ist das Lesen mit der iPad-App etwas anstrengend für die Augen – hat aber gegenüber dem echten Kindle den Vorteil, dass das Bild größer ist – das heißt: ich muss nicht so oft umblättern.
Und genau das ist der zweite Vorteil der “elektrischen Bücher”: ich kann mir die Schriftgröße so einstellen, dass ich ohne Anstrengung lesen kann. Denn leider werden meine Augen nicht besser (und meine Brille scheint auch nicht mehr ganz zu meinen Augen zu passen) und mir passiert es immer wieder, dass ich – vor allem Paperbacks – nicht oder nur schwer lesen kann aufgrund der kleinen, engen Schrift. Das ist mit dem eBook-Reader überhaupt kein Problem. So groß, wie sich gerade in der App die Buchstaben darstellen lassen, bin ich optimistisch, noch viele Jahre lesen zu können.
Das jedenfalls ist für mich der größte Vorteil der eBook-Reader; in welcher Form auch immer. Das, und dass es gleichgültig ist, ob das Buch 12 oder 1.200 Seiten hat: es ist immer gleich groß und gleich schwer.
Damit jedoch komme ich gleich zu einem Kritikpunkt, den auch der Netzpiloten-Artikel aufgreift: Es fehlt das haptische Erleben. Denn es ist ein sinnlicher Genuß (jedenfalls für mich), einen dicken Wälzer in der Hand zu haben – das Gewicht zu spüren.
Und nicht nur das. Im Artikel wird auf eine Studie verwiesen, in der es (übertragen) heißt:
Das implizite Gefühl dafür, wo man sich in einem physisch vorhandenen Buch befindet, scheint wichtiger zu sein, als wir es bisher wahrhaben wollten. (…) Dieses Problem haben die E-Book-Hersteller bisher vernachlässigt…
Dieses Gefühl kann sich niemand vorstellen – weil es so normal ist – der noch nie mit einem eBook-Reader las. Wie oft liest man in einem Buch etwas und hat das Gefühl, noch mal weiter vorn nachsehen zu müssen – um den Faden zu finden; um eine erste Charakterisierung einer Person nachzuschlagen… Und genau das fehlt bei einem eBook total. Und das – ich hätt es nie gedacht – vermisse ich schmerzlich. Dieses “Einen-Finger-zwischen-die-Seiten-klemmen-und-vor-zu-blättern-Gefühl” fehlt mir.
Im Artikel heißt es weiter:
Gerade bei längeren Texten haben Probanden in der Vergangenheit oft Probleme gehabt, sich in elektronischen Versionen so intuitiv zu orientieren wie auf Papier, was sich auch auf das Textverständnis und die Erinnerungsleistung auswirkt
und ich nicke weise mit dem ergrauten Haupt. Dieses Gefühl, zu wissen, an welcher Stelle man ein Buch aufschlagen muss, um etwas wieder zu finden (ob im aktuell gelesenen Buch oder später beim Nachschlagen), dieses Gefühl fehlt bei eBooks völlig. Das und das Fehlen des Geruchs eines frisch gedruckten Buches; das Gefühl des Papiers in der Hand, und die Möglichkeit, im Buch herumzuschreiben… all das fehlt. Nun ja, aber das sollte natürlich niemand von einem eBook erwarten.
Ich werde nicht auf papierne Bücher verzichten. Ganz sicher nicht. Dazu liebe ich diese analogen Wissenspeicher viel zu sehr. Aber ich kaufe vermehrt auch eBooks.
Bücher, von denen ich von vornherein weiß, dass ich sie nur einmal lesen werde, kaufe ich elektronisch. Für Bücher von Autoren, die mir wichtig sind, werde ich weiterhin noch ein oder zwei Bücherregale kaufen (müssen). Ein Buch von (zum Beispiel) Rafik Schami muss ich als Buch besitzen. Das muss mein Zimmer schmücken
Ich gehe davon aus, dass sich meine Einkäufe die Waage halten werden; das hat sich im letzten Vierteljahr so eingepegelt.
Und noch etwas: Ich liebe es, im Buchladen stöbern – und lass dort meist mehr Geld als ich eigentlich ausgeben wollte. Ich liebe die Atmosphäre in diesen Läden. Das passiert mir beim eBook-Kauf nicht: eine Webseite hat kein Flair.
Nic