Lesung – Thomas Martini: Der Clown ohne Ort

Cover_Martini_Clown ohne Ort Der Clown sei eine Metapher für unsere heutige Generation, erklärt Thomas Martini, denn er habe viele Gesichter: lustig, traurig oder unheimlich. In der Reihe Club der jungen Dichter des Literarischen Zentrum Gießen (LZG) las Thomas Martini gestern in der Kupferschmiede aus seinem Debütroman Der Clown ohne Ort – und hat dabei nicht nur stilistisch überzeugt. Er gab sich sympathisch, offen und nahm sich Zeit für Fragen und Erklärungen rund um seinen Roman.

Es ist die Geschichte eines doppelten (Ab-)Sturzes. Naïn hatte „sich in etwas gestürzt, dass man Karriere nannte“: Nach seinem Studium, einer Assistenz im Bundestag und besten Berufsaussichten im Europaparlament springt er ab – und verliert sich in einer Welt, in der er sich fragt, „ob man verrückt ist, wenn man als Einziger sich wundert“. Er verliert sich im Berliner Nachtleben und in Drogenräusche, während er nach einer „Ordnung im Splitterfeld“ sucht.

Dass die Handlung dabei in Splitter zerfällt, liegt nahe. Der Roman ist in drei Abschnitte gegliedert, Martini bezeichnet die Erzählstruktur als „ein Triptychon: drei Bilder mit den gleichen Personen in verschiedenen Stadien ihres Lebens, die Teil eines großen Bildes sind.“ Für ihn sei das der rote Faden, doch für Leser sei es mitunter schwierig, die inhaltlichen Leerstellen zu füllen.

Sprachlich bewegt sich Der Clown ohne Ort zwischen Lyrik und Prosa und kommt einem sprachlichen Feuerwerk gleich. An diesem Stil hat Martini sieben Jahre lang gearbeitet – und es hat sich gelohnt. In den Kritiken wurde der Roman selbst als Droge bezeichnet – wegen seiner bewusstseinserweiternden Sprache.

Alles war null, und ich war eins jetzt.

In mich fuhr ein Lichtstrahl, der gleißend meine Hülle zerfetzte, rotblau glühendes Plasma, Glück, unendliches, und ich zerstob zu glitzerndem Staub, der sich im Zimmer verteilte.

In einer wunderbar fließenden, berauschenden Sprache, die ganz dicht dran ist am Augenblick und Empfindungen liest Martini, so leicht und klar, von Naïns Gedanken, Wahrnehmungen, Drogenabstürzen – und sogar einer Liebesgeschichte, für die der Erzähler sanfte Worte findet.

 Das kam mir unwirklich vor, weil ich mir nicht vorstellen konnte, wie das sein sollte, ohne dich, weil ich doch derjenige war, der ganz weit weg sein sollte, und du hattest so sehnend geguckt, als du das erzähltest, und ich fühlte mich verloren.

Da war alles gut, obwohl gar nichts gut war mit uns allen.

Der Clown ohne Ort zeichnet daneben das Bild einer kapitalistischen Gesellschaft, vollgestopft mit Geld, „die die Welt als Spielfeld begreife und es mit Freuden verbrenne“, erklärt Martini. In seinem kommenden Roman widmet sich Martini ebenfalls einem aktuellen Thema: dem Wissen, das Computer über Menschen haben.



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