Leichtigkeit trotz ernster Thematik

Mit dem Film "Satte Farben vor Schwarz" liefert Regisseurin Sophie Heldman nicht nur ihre Abschlussarbeit an der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin (dffb) ab, sondern inszeniert zugleich auch ihr Spielfilmdebut für die große Leinwand. In dem Film spielen Senta Berger und Bruno Ganz ein fast seit 50 Jahren glücklich verheiratetes Pärchen. Der Film, der seit dem 13. Januar 2011 in den deutschen Kinos zu sehen ist, erzählt eine Geschichte über eine kompromisslose Liebe, kleine Fluchten und reife Entscheidungen.

Interview mit Regisseurin Sophie Heldman

filmtogo hatte die Möglichkeit sich mit der Regisseurin über ihren ersten Spielfilm zu unterhalten.

filmtogo: "Satte Farben vor Schwarz" ist dein erster Spielfilm. Wie ist da das Gefühl? Du kannst jetzt diesen Langfilm präsentieren, hast etwas geschaffen, bist fertig. Jetzt kannst du dein Werk auf der großen Leinwand sehen.

Heldman: Ich weiß nicht, wie ich das beschreiben soll. Ich stehe am Ende einer zehnjährigen Strecke und es ist eine Mischung aus totaler Freude, Fassungslosigkeit und unglaublicher Dankbarkeit, dass wir alle das gemeinsam so hinbekommen haben. Ich war in Bonn, da war das Kino ausverkauft. Das ist ein ziemlich unbeschreibliches Gefühl und ich versuche es wirklich zu genießen.

filmtogo: Du hast die zehn Jahre erwähnt, die du gebraucht hast um den Film zu realisieren. Du hattest die Idee zum Film bereits 2001. Jetzt ist es 2011. Was ist in zehn Jahren passiert? Warum hat es von der Idee zum Film letztendlich so lange gedauert?

Heldman: Zum Glück habe ich davon nichts gemerkt, weil ich mitten im Prozess war. Die meisten meiner Kolleginnen und Kollegen, die auch an der Filmschule waren, haben fünf bis sieben Jahre gebraucht, um ihren ersten Spielfilm auf die Beine zu stellen. Das liegt sicherlich daran, dass das Schreiben immer sehr viel länger dauert, als man glaubt. Man muss in den Stoff hineinwachsen. Sobald man nicht erprobte Wege geht, begibt man sich auf eine Reise, bei der man nicht weiß, wie lange sie dauern wird. Wenn man das erst einmal geschafft hat, dann ist schon ein riesiger Schritt getan. Die Arbeit mit den Schauspielern und im Team war für mich die schönste Zeit. Sobald ich mit den Drehvorbereitungen begann, habe ich das jahrelange Warten auf die Finanzierung sofort vergessen. Vielleicht auch, weil ich in diesen Wartezeiten die Gelegenheit genutzt und Regieassistenz gemacht habe.

filmtogo: Wo hast du die Regieassistenz dann gemacht?

Heldman: Während des Studiums habe ich auf Spielfilmen Regieassistenz gemacht. Wir hatten immer eine lange Pause im Sommer, das war sehr gut, da konnte ich auf einen Spielfilm gehen und damit das Geld verdienen für das kommende Studienjahr. Und natürlich auch etwas lernen. Und später, also jetzt in den letzten Jahren, bin ich in die Werbung gegangen. Das ist technisch interessant. Auch ist man nicht drei Monate mit Dreharbeiten absorbiert, wie beim Spielfilm. Man kann an seinem Projekt arbeiten und ist trotzdem ab und zu draußen am Set.

filmtogo: ‘Lernen’ finde ich, ist jetzt noch ein ganz gutes Stichwort. Du hast mit Bruno Ganz und Senta Berger zusammen gearbeitet. Das sind zwei gestandene Schauspielgrößen in Deutschland. Konntest du bei den Dreharbeiten etwas von den beiden lernen? Hast du da was mitgenommen?

Heldman: Ja, natürlich!! Ich stehe ja erst am Anfang und Senta Berger und Bruno Ganz sind ein Teil des Europäischen Kinos. Beim Drehen haben wir uns vollkommen auf die Geschichte konzentriert. Es war wie ein Sich-Fallen-Lassen, ohne zu wissen, wo man ankommt. Ich habe gegenseitiges Vertrauen, großen Respekt, Offenheit, Mut, Ausdauer und absolute Hingabe erfahren und diese Eigenschaften von Dreh mitgenommen als Vorbild für zukünftige Filme.

filmtogo: War Überzeugungsarbeit von Nöten, damit die beiden bei deinem Film mitmachen oder haben sie direkt gesagt, dass sie dabei sind?

Heldman: Sie haben das Drehbuch gelesen und verstanden, wohin die Reise gehen soll. Das hat mich damals sehr ermutigt.

filmtogo: Hätte es den Film ohne Bruno Ganz und Senta Berger gegeben?

Heldman: Nein.

filmtogo: Der Film beruht auf wahren Begebenheiten. Woher hast du diese Geschichte genommen?

Heldman: Es handelt sich um ein Paar aus meinem Umfeld, aus der Schweiz. Nachbarn von uns. Ein Paar, was ich sehr gemocht und auch geschätzt habe, weil sie eine sehr gute Beziehung miteinander geführt haben. Sie hatten sich tatsächlich mit achtzehn Jahren kennen gelernt und waren anschließend ein Leben lang zusammen. Vor allem als ich selber achtzehn Jahre alt wurde, hat mich das begonnen zu beschäftigen. Da waren die beiden schon über sechzig Jahre alt. Ich habe mir gedacht, wie kann es sein, dass man nach all diesen Jahren, immer noch zusammen ist und die Liebe füreinander noch so stark spürbar ist. Man redet ja immer von der ersten, großen Liebe. Aber was ist, wenn diese Liebe, ganz plötzlich, auch die letzte große Liebe wird? Das hat mich interessiert.

filmtogo: Und dann natürlich die Thematik mit dem selbst gewählten Freitod. Das ist jetzt nicht unbedingt eine leichte Thematik. Wie geht man an so etwas heran ohne damit jemanden auf die Füße zu treten? Oder will man dann vielleicht auch jemanden auf die Füße treten?

Heldman: In erster Linie wollte ich eigentlich einen Erwachsenen-Film machen. Also erwachsen in dem Sinne, dass er nicht bevormundend ist und jemandem versucht eine Meinung aufzudrücken. Ich finde es spannend im Kino, wenn ein Film sich auf eine Gefühlsebene bewegt, die sich drei Stufen tiefer befindet. Es war für mich eine Herausforderung, einen Film zu machen, der eine ernste Thematik behandelt ohne dabei schwer zu werden. Ich habe versucht dem Film eine Leichtigkeit zu geben. Es war ja oft auch ziemlich lustig beim Schreiben und beim Drehen. Das kommt beim Publikum an. Das ist total schön. Die Leute lachen natürlich öfter, wenn sie das Ende nicht kennen. Aber sie lachen auch wenn sie das Ende kennen.

filmtogo: Auf deiner Tour hast du ja mehrere Reaktionen mitbekommen. Haben den Film auch bereits mehrere Altersklassen gesehen oder waren das meistens Menschen über sechzig Jahren?

Heldman: Also ich glaube, die Generation, um die es in “Satte Farben vor Schwarz” geht, fühlt sich zuerst einmal angesprochen. Aber ich finde, dass der Film auch für die Kinder dieser Generation interessant ist. Für mich in jedem Fall. Ich habe den Film ja in erster Linie gemacht, weil mich diese Geschichte fasziniert hat. Und ich glaube, dass auch andere in meinem Alter und jünger Anita und Fred spannend finden.

filmtogo: Wie kam es zu dem Titel "Satte Farben vor Schwarz"?

Heldman: Ich habe einer Freundin das Drehbuch zum Lesen gegeben als es noch keinen Titel gab. Sie hat dann gesagt, sie sähe satte Farben vor Schwarz. Und ich habe den Titel gesehen. So kam der Titel.

filmtogo: Dann mache ich jetzt noch einen kleinen Rückschritt. Wie bist du überhaupt in das Filmbusiness hineingeraten? Wo hast du den Punkt gesehen, wo du wusstest, dass das jetzt deine Leidenschaft ist?

Heldman: Direkt nach dem Abitur. Ich bin nach New York gegangen, um einen sechswöchigen Sommerkurs im Filmemachen an der NYU Tisch School of the Arts zu machen. Als der Kurs vorbei war, war mir völlig klar, dass ich selber Filme drehen möchte. Da habe ich auch gewusst, dass ich nicht in die Schweiz zurückkehren kann, weil damals für eine 20-Jährige keine ernsthaften Möglichkeiten beim Film vorhanden waren. Deshalb bin ich in New York geblieben und habe dort angefangen auf Low-Budget-Filmproduktionen zu arbeiten. Ich habe damals günstig in einer WG gewohnt. Bei diesen Low-Budget-Filmen in Amerika hat mich niemand gefragt, wie alt ich bin. Es kam darauf an, ob man etwas konnte oder nicht. Das war 1993. 1996 habe ich mich an der Filmschule in Berlin beworben. Ich wollte unbedingt auf die Deutsche Film- und Fernsehakademie, weil die Studenten dort ihre eigene Filmsprache finden durften. Ein Film wie "Satte Farben vor Schwarz" ist überhaupt nur möglich, weil ich auf dieser Akademie war, die mich von Anfang bis Ende unterstützt hat.


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