Leben und sterben lassen

Leben und sterben lassen„Ich schreibe eigentlich nur noch Listen. Für alles andere fehlen mir die Worte.“ (S. 18)

Susann Pásztor – Und dann steht einer auf und öffnet das Fenster

Eine Liste voller Wünsche, die er ihr noch vor ihrem Tod erfüllen kann: Der ehrenamtliche Sterbebegleiter Fred Wiener glaubt zu wissen, wie er die letzten Monate einer an Krebs erkrankten Frau ausfüllen kann. Weit gefehlt. Karla ist starrsinnig und selbstbestimmend – und denkt nicht einmal daran, Fred emotional an sich heranzulassen.

Fred droht zu scheitern. Jeder Schritt, den er macht, geht in die falsche Richtung. So etwa als er versucht, Karla mit ihrer Schwester an Weihnachten zu versöhnen. Sein Plan geht nicht auf. Womöglich, weil er noch egoistische Ziele verfolgt: Der Angestellte und Vater des 13-jährigen Phil will etwas Bedeutendes in seinem Leben tun, er will etwas richtig machen, um stolz darauf sein zu können und vielleicht damit sein Sohn auch auf ihn stolz ist. Karla jedoch lässt ihn mit seinen romantischen Vorstellungen abblitzen. Erst als Fred sich voll und ganz auf sie einlässt, erweist er sich als eine unersetzliche Person, die Karla in ihren letzten Tagen Halt und Kraft gibt.

Es ist kein leichtes Thema, das Pásztor sich in ihrem Roman Und dann steht einer auf und öffnet das Fenster annimmt. Doch sie hat diese Aufgabe mit Bravour gemeistert. Herausgekommen ist ein wunderbarer Roman, der von Anfang an mitreißt. Ohne jeglichen Kitsch und Pathos. Jedoch mit Feingefühl, Humor und Natürlichkeit.

Das liegt vor allem an den authentischen Figuren im Roman. Alle sind ein wenig skurril, könnten jedoch nicht unterschiedlicher sein. Der dickliche Fred, der immer korrekt sein will, aber einfach nur unbeholfen und unsicher ist. Sein ruhiger Sohn Phil, der Wörter in einem „Wörterkrankenhaus“ sammelt und Gedichte in Foren veröffentlicht. Karla, die ein wildes Leben hatte und nun aus Sturheit darüber schweigt. All das erlaubt dynamische Beziehungen voller Höhen und Tiefen.

„Phil wurde von einer Welle der Rührung ergriffen, wie jedes Mal, wenn ihm wieder einmal klar wurde, dass Menschen unentwegt Dinge passierten, die außerhalb ihrer Kontrolle lagen“ (S. 30)

Es ist beeindruckend, welch klare und leichte Sprache Pásztor für diese sonderbaren Figuren und für dieses schwierige Thema findet. Momente, die drohen in eine bedrückende Schwere zu rutschen, fängt sie mit leichter Ironie und Witz auf. Und doch macht Pásztor sich niemals lustig über die Figuren. Jeden einzelnen nimmt sie ernst und erzählt so eine tiefgründige und berührende Geschichte über das Abschiednehmen, Sterben und Weiterleben.

Susann Pásztor: Und dann steht einer auf und öffnet das Fenster. Kiepenheuer & Witsch. 288 Seiten. 20 Euro.

Ich danke dem Verlag für das Rezensionsexemplar.



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