Leben und Meinungen des Guido Rohm (10)

16. Juni 2011

5.24! Die Familie hat Nachwuchs bekommen. Seraphes Nichte hat eine Tochter. Deshalb werden wir heute Abend im Mafialand aufschlagen. Auf das Wohl des Kindes trinken.

Eine Fliege. Summt um meinen Kopf herum. Eine Fliege, die im Auftrag handeln muss. Sie will keine Ruhe geben. Sie fällt vom Himmel, der hier eine Decke ist. Die Fliege weiß das nicht. Sie blickt zum weißgetünchten Himmel. Sieht das Wolkenmeer. Will durch die Wolken stoßen. Nichts zu machen. Das sind Wolken aus Beton.

Träumte von der jungen Duras in Saigon. Vom neugierigen Kindergesicht. Beobachtete eine Dame mit Kleid. Wunderschön. Wegen dieser Frau brachten sich schon Männer um, erfuhr das erstaunte Kind. Sie beobachtet den bösen Geist. Der wandelt durch das Land. Die Nase gehoben, um den Unrat nicht riechen zu müssen. Die Franzosen, die ein einst so stolzes Volk in den Dreck hinab drücken.

Geburtstag des Schriftstellers Artur Jacob. Schrieb Theaterstücke. Auch zwei Romane.

„Die Mutter stand auf dem Hof. Vogelschwärme bedeckten den Himmel. Weitere Vögel kamen dazu. Mehr und mehr. Es wollte kein Ende nehmen. Sie schwirrten. Verharrten auf der Stelle. Verdunkelten den Tag. Die Vögel bildeten eine drohende dunkle Wolke. Schon kam der Vater dazu. Die zwei Kinder folgten. Sie sahen hinauf. Sie zeigten zu den Vögeln. Dann herrschte plötzlich Ruhe. Eine lang und anhaltende Stille. Die Menschen blickten zu den Vögeln und die Vögel … Dann fielen die ersten toten Vögel zu Boden. Es regnete Vögel.“

Aus „Andernorts“. Roman von Artur Jacob. Preis: 16,90 Euro. Edition Müller.

16.50 Uhr! Kaffee. Zigarette. Die Seraphe wäscht sich die Haare. Wir müssen heute noch ins Mafialand. Fällt mir schwer. Mafialand ist Todesland. Und müde bin ich auch, geh zur Ruh, schließe meine Äugelein zu. Die Aussicht auf den Don zu treffen hält mich wach. Und natürlich müssen wir die Ankunft des Valentino-Kindchens feiern. Keine Frage.

Paris giftet gegen Merkels Alleingänge.

18.23! Regen. Der Wind pfeift. Ein lautes Ausatmen der Wolken. Die Seraphe denkt ans Sternchen, die in Mainz bei einem Fußballspiel ist. Mit der Schule. Hin zum Länderspiel der Damen-Nationalmannschaft. Jetzt flucht die Seraphe vor sich hin. Den Vogel stört weder Regen noch das Fluchen. Er singt sich ein Lied. Ungestört. Vogel müsste man sein.

US-Finanzaufsicht warnt vor Crash in Europa.

22.18 Uhr! Wir sind zurück! Schweiß steht auf meiner Stirn. Angst. Dabei hatte der Abend so verheißungsvoll begonnen.

Wir betraten das Anwesen der Familie Valentino, begrüßten den in einer Pfütze spielenden Enkel, baten ihn inne zu halten. Er grinste uns an. Wartete aber. Sprang erst dann wieder in das Nass, Wasser ringsum verteilend, als wir bereits in sicherer Entfernung standen.
Wir beglückwünschten den jungen Familienvater. Schlossen ihn in die Arme. Eine kurze Begrüßung der ehrenwerten Familie.
Sie waren alle da. Jimmy Onka, den sie den „Beinbrecher“ nennen, Mario Tertiosa, der als „Bestie von Brooklyn“ Familiengeschichte geschrieben hat. Alle. Ich könnte noch so viele Namen aufzählen. Ich sollte es besser lassen.
Wir gingen ins Haus hinüber. Gina Valentino war noch mit den Spaghetti beschäftigt. Eine großartige Frau mit einem großen Herzen.

Leben und Meinungen des Guido Rohm (10)

Clan-Chefin Gina Valentino

Leben und Meinungen des Guido Rohm (10)

Noch ahnen die Fettbrote und ich nicht, was der Abend noch bringen wird

Der Wein lief. Bier. Schnäpse. Und dann stand plötzlich Don Valentino neben mir.
„Du hast über mich geschrieben“, sagte er
„Ja, aber …“
„Du hast mein Bild im Internet veröffentlicht.“
„Don …“
„Das wirst du bereuen.“
Mehr sagte er nicht. Er verschwand in einer Männertraube. Lachend. Ich war verwirrt. Was sollte ich tun? Vielleicht nichts. Der Don würde sich schon wieder beruhigen.
Igel und Fernando von Hof und Mann saßen an unserem Tisch. Wir hielten Small-Talk. Nicht viel später verabschiedeten wir uns bereits wieder.

Leben und Meinungen des Guido Rohm (10)

Erkennen Sie Jimmy Onka? Nein! Das ist auch besser für Ihre Gesundheit.

Und nun sitze ich hier. Schreibe abermals über den Don. Ich werde es veröffentlichen. Gott möge mir beistehen.

Noch bin ich nicht tot. Noch schreibe ich.

17. Juni 2011

5.22 Uhr! Kaffee. Zigarette. Ich zitterte, als ich den Becher hob, um den brühend heißen Kaffee zu schlürfen. Der Kaffee schwappte über und tropfte auf meine Hose, weichte den Stoff auf, sickerte, bis er endlich auf Haut stieß. Verbrannte meinen Oberschenkel.
„Scheiße“, flüsterte ich.
Die Drohung des Don sitzt mir noch im Genick. Ein furchtbares Gefühl. Eine Ahnung. Mit dem Valentino-Clan ist nicht zu spaßen. Vielleicht sollte ich ihn anrufen. Ich könnte zunächst das Gespräch mit Nick Percone suchen. Percone ist ein bulliges Ungetüm. Aber er hat ein gutes Gemüt. Er könnte ein gutes Wort beim Don für mich einlegen. Ich könnte aber auch die Sache auf sie beruhen lassen. Abwarten. Tee trinken. Eher Kaffee. Egal, was ich auch tun werde, ich muss eine Entscheidung treffen.

Leben und Meinungen des Guido Rohm (10)

Träumte in der Nacht von einem See, darin unzählige Leichen versenkt waren. Eine Pflanzung tief unten. Eine Wasserfarm, auf der Leichen gezüchtet wurden. Alle paar Meter lag ein Körper. Mal in einen Sack gepackt. Mal neben einem Betonklotz sitzend, daran angekettet, wartend, als müsse jede Sekunde jemand mit dem Schlüssel für die Ketten vorbei kommen.
Die Leichen wuchsen aus dem Seegrund heraus. Waren die Ernte eines Killerlebens. Ich teilte das Wasser. Schwamm von Leiche zu Leiche. Aufgedunsene Wasserleichen. Von der Strömung geschliffene Skelette. Bei der letzen Leiche hielt ich mich länger auf. Sie zog mich in ihren Bann. Der Kopf steckte in einem Leinensack. Ich befreite sie davon. Ich zuckte zurück.
Ich starrte in mein eigenes Gesicht hinein.
„Was?“
Ich musste mit einem Schrei erwacht sein. Die Seraphe beruhigte mich.

Insolvenz angemeldet: Fusion von Eichborn mit Aufbau geplatzt.

Geburtstage: Peter Rosei, Marvin Gibbon, Charles Ternier und Adolpho Krematona.

Meldung des Tages: Der Schweizer Lyriker Friedrich Weiss erhält den mit 50.000 Euro dotierten Ernst-Kotmahner-Preis.

6.06 Uhr! Seltsame Geräusche im Treppenhaus. Da wird schon nichts sein, denke ich. Die Nachbarin. Das war bestimmt die Nachbarin. Der Don liegt mir schwer im Magen und im Kopf.

16.05 Uhr! Das Sternchen ist müde. Sie liegt auf dem Sessel. So ein Sternchenkörper passt in einen Sessel hinein. Sie schließt die Augen. Döst.
„Müde?“
So ein Guido donnert wie ein Zug vorbei. Er will auf den Balkon. So ein Guido stellt dumme Fragen. So eine Frage dröhnt in den Sternchenkörper hinein.
Das Sternchen reißt die Augen auf. Sie lächelt.

Konzernbosse trommeln für den Euro.
Der sprachlose Präsident.

Nachrichten ziehen vorüber, während das Sternchen abgeholt wird, um das Wochenende bei ihrem Papa zu verbringen. In diesem Haus herrscht das Durcheinander einer Patchworkfamilie.

Aha! Rhett Stoner verlinkte mein Tagebuch auf seiner Facebook-Seite. Nehmen Sie sich mal ein Beispiel und schließen sich ihm an. (Sie habe ich natürlich nicht vergessen, liebe Frau Zerbst, als meine treuste Leserin!)

Die unselige Geschichte mit dem Don habe ich allmählich verdaut. Der wird sich schon wieder beruhigen, denke ich. In der Küche brodelt Wasser. Die Dunstabzugshaube dröhnt auf. Die Seraphe werkelt.

Und Brecht? Der kommt mit einer urplötzlichen Allgewalt anmarschiert. In meinen Kopf hinein. Die Zigarre glimmt auf. Ein Brecht ist mir näher als ein Mann. Mit jedem Jahr rückt er näher. Und dann lese ich über „kristalline Texte“, die es gibt, keine Frage, wunderschöne glänzende tote Texte. Ohne mich!

Leben und Meinungen des Guido Rohm (10)

Zum Abschluss noch ein Gedicht von Friedrich Weiss:

Die Müdigkeit

Ich bin müde,
weil ich wach bin.
Würde ich schlafen,
dann wäre nichts,
nicht einmal ein Sehnen
nach Müdigkeit.

Genug der Worte. 16.30 Uhr! Zwei Tage meines Fortlebungsromans gehen nun online.

Noch bin ich nicht tot. Noch schreibe ich.

Leben und Meinungen des Guido Rohm (10)

Ein Kunstwerk, hinterlassen vom Sternchen



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