Es gibt einen Ort in Le Touquet, an dem ich nicht einfach vorbeigehen kann.
Ich scanne die Auslage mit sehnsüchtigen Blicken, stelle mich so zum Eingang, dass ich den Duft des Geschäftes erschnuppern kann, dränge notfalls ältere Damen und Väter mit kleinen Kindern dezent, aber entschlossen zur Seite, überlege und kann mich nicht entscheiden, was ich diesmal auswählen werde, überschlage dann kurz, ob ich genug Geld dabei habe, um all das zu kaufen, was meine begehrlichen Augen ausgewählt haben, und trete schliesslich ein.
Le Chat Bleu, der Schokolade-Tempel in Le Touquet.
Alteingesessen, winzig klein, das Interieur fast etwas bescheiden.
Nicht mehr ganz junge Verkäuferinnen, die höflich, aber nicht überschwänglich das Gewünschte mit eleganten, flinken Handgriffen verpacken und einem wie gütige Tanten mit mildem Lächeln, die Bouchée, die man sich sofort einverleiben möchte, über die Vitrine reichen.
Die Bouchées, etwas typisch französisches: Überdimensionierte Pralinen, kleine, wunderbare Sünden, die imstande sind, sogar einen miesen Tag wieder fröhlich werden zu lassen. Ich würde sagen, so ein Bissen (die wörtliche Übersetzung für Bouchée) hat etwa das Volumen von vier Pralinen. Man isst sie so im Vorbeigehen: Die klingenden, etwas altmodisch handgeschriebenen Namen sind legendär, da gibt es Taorminas, Tropicanas, Disques, Caracas, Palets d’Or, Dunes du Touquet, Rios, Singapours, Golfbälle (In Le Touquet gibt es gleich zwei Golfplätze, der eine sogar fast am Meer, in die Dünen eingebettet- Nun ja, Noblesse oblige!), Riesen-Stücke Pâtes de Fruits und viele andere in weisser, dunkler und Milchschokolade.
Mein Liebling ist die Touquet-Düne, eine hügelartige Ansammlung von Schokoladenganache, eingebettet in Krokant-Wände und mit dunkler Schokolade überzogen.
Auch die Pâtes de Fruits sind selten gut!
Als ich diesmal vor der Auslage stand, kam ein Vater mit seinem etwa 5- jährigen Sohn vorbei und beide begutachteten die Leckereien: Sodann der treffende Kommentar des Vaters: ‘C’est très, très bon, mais aussi très cher.’
‘All das ist sehr, sehr köstlich, aber auch sehr teuer.’ Ja, wie wahr! Und dennoch, wenn man einmal dort ist, sollte man diese Gelegenheit nicht verstreichen lassen.
Es ist ein ganz spezielles Geschäft,und man kauft dort nicht nur (exzellente!) Pralinen, sondern auch eine Zeitreise und ein Fest für’s Auge. Le Touquet ohne ‘Die blaue Katze’ käme Frankreich ohne Baguette gleich!
Wenn man eine Schachtel Pralinen kauft, liegt ein kleines Zettelchen dabei, das die Geschichte dieses ‘Etablissements’ erzählt:
1912 eröffnen zwei Schwestern ein Zuckerlgeschäft in der Rue de Paris. Diese zwei Schwestern besitzen auch zwei heissgeliebte, blaue Perserkatzen und der Name des Geschäftes ist schnell gefunden.
1920 übersiedelt Le Chat Bleu in die Rue St. Jean (die heutige Adresse), zentral, in bester Lage. Die Besitzerinnen spezialisieren sich auf Schokolade, Pralinen, und Pâtes de Fruits, kreieren mit Hilfe ihrer Chocolatiers ununterbrochen neue Spezialitäten und Gross und Klein gibt sich die Klinke in die Hand.
Vis-à-vis ist das Hotel ‘Normandy’, eines der grossen Luxushotels der Stadt: Die elegante Kundschaft lässt nicht lange auf sich warten. Die vorwiegend englischen Damen verzichten ausnahmsweise auf ihre Scones und Shortbread und lassen sich die Tea-Time mit Schokolade versüssen.
Bemerkenswert ist, dass die Qualität nach wie vor 1A ist, und man wird, selbst, wenn man nur wegen den Pralinen dort hingeht, nicht enttäuscht werden!
Das gute Geld, das man dort ‘ablegt’, ist bestens investiert. Jeder Mensch sollte ab und zu in Schokolade investieren! Glück kann, in Massen genossen, nicht dick machen!
Auf dem Photo liest man, dass ‘Le Chat Bleu’ nun auch in Paris, in Lille und Quimper zu finden ist. Diese Expansion fand aufgrund der grossen Nachfrage in den 80er und 90er Jahren statt.