LCD Soundsystem
„American Dream“
(DFA)
Hatte wirklich jemand angenommen, dieser Mann würde die Sache mit der Rückkehr ohne die nötige Ernsthaftigkeit, also mit einem irgendwie halbherzig zurechtgeschusterten Album angehen? Nun, James Murphy läßt sich vielleicht gern mit weit aufgerissenem Mund beim Gähnen ablichten und die Eingangssequenz seiner herrlichen Konzertdoku „Shut Up And Play The Hits!“ zeigt ihn ja auch, wie er sich mit Mühe aus dem Bett seines Appartements wälzt. Aber der Kreativkopf der New Yorker Elektropunk-Kolchose LCD Soundsystem, da sollte man sich nicht täuschen lassen, ist ansonsten ein überaus ausgeschlafenes Kerlchen, der genau weiß, welches Risiko er mit diesem Vorhaben eingegangen ist und daß dieser Schritt in der Branche eigentlich als unverzeihlicher Kardinalfehler gilt und jedem anderen als Geltungssucht, Verbohrtheit, Altersstarrsinn, Geldgier (oder im schlimmsten Falle gleich alles zusammen) ausgelegt worden wäre. Er hat schließlich seiner Zeit nicht nur ein seitenlanges Erklärungsschreiben zur anstehenden Reunion seiner Band verfasst (bevor Medien erst sozial, später asozial wurden, nannte man so etwas einen „Offenen Brief“), sondern mit „Change Yr Mind“, ebenso ungewöhnlich, seine Gedankenwelt dazu auch noch in einen seiner neuen Songs verpackt.
Natürlich ist es eine ganz und gar vorzügliche Platte geworden. Und auch wenn mancher Track auf dem monumentalen Doppeldings vielleicht eine Spur zu lang geraten ist (was im Übrigen auch auf den vorangegangenen Werken der Band üblich und sogar gewünscht war), entspricht das ja eher dem ureigenen Stil des Kollektivs, welches seit jeher funkige und punkige Loops zum Zwecke der Masseneuphorisierung endlos aneinander koppelte – get to trance, Baby! Und damit nicht genug: Denn wir reden hier vom wahrscheinlich besten David-Bowie-Album nach dem viel zu frühen Ableben des Meisters selbst. Nicht erst jetzt, aber besonders nach dem Tod des dünnen weißen Magiers zeigt sich gerade im aktuellen Geschäftsjahr, von welche essentieller Bedeutung Leben und Werk des musikalischen Chamäleons für viele Künstler war, James Murphy ist da nicht allein. Er hat schon früher oft und gern mit Bowie kollaboriert und zeigt auch jetzt auf „American Dream“, wie nahe er ihm in vielerlei Hinsicht steht. Viele der Stücke, stellvertretend könnte man vielleicht „I Used To“ nennen, erweisen sich als ähnlich wandelbar, vielgestaltig und stilübergreifend und machen so den schmerzlichen Verlust vielleicht ein wenig erträglicher.
Wie tief dieser bei Murphy selbst noch sitzt, davon singt er in epischer Breite bei „Black Screen“, dem letzten Song des Albums – ganz der „Space Oditty“ verpflichtet, spürt er seinem Idol sowohl im weiten Raum des Hier und Jetzt als auch im Kosmos überhaupt nach, zwölf Minuten traurige Besinnlichkeit zum Fade Out. Generell aber, zumindest musikalisch, ein unendlicher Spaß: stampfende, schnalzende, pochende Beats überall, die Drums mal blechern, mal synthetisch maximal gepitcht, jeder Track ein signature move für dankbare Fans und auch die Reminiszenzen an die eigentlichen Gründerväter, also Joy Division und New Order, werden keinesfalls vergessen („Call The Police“/„Emotional Haircut“). Zu guter Letzt, das läßt sich nicht verkennen, steckt dem Longplayer natürlich auch der Trump mächtig in den Knochen: Politische Bewußtseinsbildung, also Enttäuschung, Wut, Unsicherheit im Großen wie im Privaten spiegeln sich hier wider, die Umarmung der grauen, gestrigen, aber eben auch vertrauten Zeiten („Call The Police“) kommt auf’s Tablett sowie der Unbill zunehmenden Alterns („American Dream“) oder der Verlust enger Freunde („How Do You Sleep“). Der Punk in Murphy sagt „No Future“, wird melancholisch und bereitet doch sehr viel Freude. Gut gemacht! https://lcdsoundsystem.com/
„American Dream“
(DFA)
Hatte wirklich jemand angenommen, dieser Mann würde die Sache mit der Rückkehr ohne die nötige Ernsthaftigkeit, also mit einem irgendwie halbherzig zurechtgeschusterten Album angehen? Nun, James Murphy läßt sich vielleicht gern mit weit aufgerissenem Mund beim Gähnen ablichten und die Eingangssequenz seiner herrlichen Konzertdoku „Shut Up And Play The Hits!“ zeigt ihn ja auch, wie er sich mit Mühe aus dem Bett seines Appartements wälzt. Aber der Kreativkopf der New Yorker Elektropunk-Kolchose LCD Soundsystem, da sollte man sich nicht täuschen lassen, ist ansonsten ein überaus ausgeschlafenes Kerlchen, der genau weiß, welches Risiko er mit diesem Vorhaben eingegangen ist und daß dieser Schritt in der Branche eigentlich als unverzeihlicher Kardinalfehler gilt und jedem anderen als Geltungssucht, Verbohrtheit, Altersstarrsinn, Geldgier (oder im schlimmsten Falle gleich alles zusammen) ausgelegt worden wäre. Er hat schließlich seiner Zeit nicht nur ein seitenlanges Erklärungsschreiben zur anstehenden Reunion seiner Band verfasst (bevor Medien erst sozial, später asozial wurden, nannte man so etwas einen „Offenen Brief“), sondern mit „Change Yr Mind“, ebenso ungewöhnlich, seine Gedankenwelt dazu auch noch in einen seiner neuen Songs verpackt.
Natürlich ist es eine ganz und gar vorzügliche Platte geworden. Und auch wenn mancher Track auf dem monumentalen Doppeldings vielleicht eine Spur zu lang geraten ist (was im Übrigen auch auf den vorangegangenen Werken der Band üblich und sogar gewünscht war), entspricht das ja eher dem ureigenen Stil des Kollektivs, welches seit jeher funkige und punkige Loops zum Zwecke der Masseneuphorisierung endlos aneinander koppelte – get to trance, Baby! Und damit nicht genug: Denn wir reden hier vom wahrscheinlich besten David-Bowie-Album nach dem viel zu frühen Ableben des Meisters selbst. Nicht erst jetzt, aber besonders nach dem Tod des dünnen weißen Magiers zeigt sich gerade im aktuellen Geschäftsjahr, von welche essentieller Bedeutung Leben und Werk des musikalischen Chamäleons für viele Künstler war, James Murphy ist da nicht allein. Er hat schon früher oft und gern mit Bowie kollaboriert und zeigt auch jetzt auf „American Dream“, wie nahe er ihm in vielerlei Hinsicht steht. Viele der Stücke, stellvertretend könnte man vielleicht „I Used To“ nennen, erweisen sich als ähnlich wandelbar, vielgestaltig und stilübergreifend und machen so den schmerzlichen Verlust vielleicht ein wenig erträglicher.
Wie tief dieser bei Murphy selbst noch sitzt, davon singt er in epischer Breite bei „Black Screen“, dem letzten Song des Albums – ganz der „Space Oditty“ verpflichtet, spürt er seinem Idol sowohl im weiten Raum des Hier und Jetzt als auch im Kosmos überhaupt nach, zwölf Minuten traurige Besinnlichkeit zum Fade Out. Generell aber, zumindest musikalisch, ein unendlicher Spaß: stampfende, schnalzende, pochende Beats überall, die Drums mal blechern, mal synthetisch maximal gepitcht, jeder Track ein signature move für dankbare Fans und auch die Reminiszenzen an die eigentlichen Gründerväter, also Joy Division und New Order, werden keinesfalls vergessen („Call The Police“/„Emotional Haircut“). Zu guter Letzt, das läßt sich nicht verkennen, steckt dem Longplayer natürlich auch der Trump mächtig in den Knochen: Politische Bewußtseinsbildung, also Enttäuschung, Wut, Unsicherheit im Großen wie im Privaten spiegeln sich hier wider, die Umarmung der grauen, gestrigen, aber eben auch vertrauten Zeiten („Call The Police“) kommt auf’s Tablett sowie der Unbill zunehmenden Alterns („American Dream“) oder der Verlust enger Freunde („How Do You Sleep“). Der Punk in Murphy sagt „No Future“, wird melancholisch und bereitet doch sehr viel Freude. Gut gemacht! https://lcdsoundsystem.com/