Lausitzer Bodenschätze und der Kueka-Stein

Lausitzer Bodenschätze und der Kueka-Stein Mitte des Jahres 2012 berichteten einige Zeitungen, 1998 sei aus dem Nationalpark Canaima in Venezuela ein 30 Tonnen schwerer Fels, der sogenannte Kueka-Stein, entwendet und nach Berlin verbracht worden. Seit damals, so liest man, protestieren dagegen ca. 30.000 Angehörige des dort beheimateten Volkes der Pemón. Der Diebstahl war ihnen keineswegs gleichgültig; sie besaßen damals nur nicht die Mittel, sich wirkungsvoll zu widersetzen und fanden bei der damaligen Regierung kaum Unterstützung.

Tatsächlich sehen die Pemón die Entwendung des Steins als Misshandlung und Zerstörung von etwas, was ihnen heilig ist. Für sie ist es zudem eine Wiederkehr kolonialistischen Verhaltens, wenn sich die Mächtigen, in diesem Fall Deutsche, die Reichtümer anderer Völker aneignen, ohne sich um deren Traditionen und Rechte zu kümmern. Konkrete rechtliche Regelungen besagen, im Nationalpark Canaima darf nichts von seinem Standort entfernt werden. Ein entsprechendes Schreiben der zuständigen Senatskommission ging vor dem Abtransport an die deutsche Botschaft.

Nach der Auffassung des venezolanischen Instituts für kulturelles Erbe (IPC), das sich um die Rückführung des Steins bemüht, ist die Entwendung eine respektlose Missachtung der Rechte und der Kultur der Pemón. Mit den Stimmen aller Parteien hat die Nationalversammlung Venezuelas darum 2012 die Forderung nach einer Rückgabe des Kueka-Steins unterstützt. In Kundgebungen vor der deutschen Botschaft wird diese Forderung immer wieder bekräftigt.
Die neue Verfassung Venezuelas anerkennt und schützt autochthone Ethnien, ihre Kultur, ihre Territorien und ihre Sprache. Das hat deren Selbstbewusstsein und Stolz auf die eigene Identität gestärkt. Deshalb fühlen sie sich auch heute ermutigt, für ihre Rechte, ihre Kultur, ihre Traditionen und Mythen einzutreten.

Einstweilen liegt der Kueka-Stein geschliffen und leider auch beschmiert als Kulturdenkmal im Berliner Tiergarten. Der deutsche Professor Dr. Bruno Illius vom Lateinamerika-Institut der Freien Universität Berlin stellte bei einer Gesprächsrunde in der Botschaft Venezuelas am 3.7.2012 mit deutsch-kolonialer Überheblichkeit fest, ein Stein könne nichts Heiliges sein, das Ganze sei nichts weiter als ein Propaganda-Akt der Regierung Venezuelas.

Der Präsident des IPC, Raúl Grioni, erklärte dagegen auf einer Pressekonferenz Mitte Juni 2012 in Berlin: „Es geht bei der ganzen Geschichte um die Rechte aller Bürger der Bolivarischen Republik Venezuela und vor allem um die Rechte der Minderheiten.“ Das Volk der Pemón kämpft weiter um seinen Stein, unterstützt von anderen autochthonen Ethnien. Entfernte Verwandte in Nordamerika haben inzwischen ihr Eigentumsrecht an den Bodenschätzen ihrer Heimat erstritten.
Was hat das mit den Lausitzer Bodenschätzen zu tun? Wenig und Viel!

In unseren Zeitungen findet man keine Meldung, es sei etwas aus der Lausitz weggeschafft worden, was den Sorben/Wenden gehöre. Die Lausitz, eine Region, deren Charakter vor allem das einzigartige Biotop des Spreewalds sowie weite Heide-, Seen- und Berglandschaften und mehrere Naturparks prägen, ist seit mehr als einem Jahrtausend Heimat der heute noch etwa 60.000 Sorben. Gerade deshalb ist die Zerstörung der Lausitzer Landschaft durch den Braunkohleabbau vielen Sorben (und erfreulicherweise auch manchen Deutschen) durchaus nicht gleichgültig. Der sporadisch laut werdende Protest ist allerdings derzeit noch nicht wirkungsvoll genug, wird von den Verantwortlichen oft bagatellisiert und von der Bundesregierung kaum beachtet.

Das derzeitige Stopp-Zeichen für die Vernichtung der Dörfer Atterwasch (Wótšowaš), Grabko (Grabk), Kerkwitz (Kerkojce) und die Information des brandenburgischen Braunkohlenausschusses, im Jahre 2013 die Planungen erneut für zwei Monate öffentlich auszulegen, könnte ein hoffnungsvoller Hinweis darauf sein, dass die Deutschen Abstand von der kolonialistischen Beseitigung von Lebensräumen der Sorben/Wenden nehmen und der Geringschätzung ihrer Traditionen und Rechte ein Ende setzen.

Für mehr Gerechtigkeit sind Rechtvorschriften zum Umgang mit der Lausitzer Natur notwendig, welche die kulturellen und sozialen Interessen der Sorben, der autochthonen Bevölkerung der Lausitz berücksichtigen. Noch zu selten setzen sich die politischen Parteien im Bund entschieden dafür ein. Zwar wurden im Mai 2012 im Ausschuss für Wirtschaft und Technologie des Bundestages diesbezügliche Anträge erörtert, aber jede Oppositionspartei stellte ihre eigenen. Der Antrag der SPD (Drucksache 17/9560) zielte auf mehr Transparenz bei bergrechtlichen Verfahren und stärkere Einbeziehung des Umweltschutzes. Der Antrag der LINKEN (Drucksache 17/9034) bezweckte die angemessene Berücksichtigung der Interessen der Umwelt und der vom Abbau von Bodenschätzen betroffenen Menschen; die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen brachte einen Gesetzentwurf ein (Drucksache 17/9390), in dem eine einheitliche Förderabgabe von 10 % angestrebt wird. In einem gesonderten Antrag (Drucksache 17/813399) forderte sie zudem die öffentliche Interessenabwägung zwischen den potenziell positiven Wirkungen des Bergbaus für die Gesellschaft und seinen negativen Folgen für die betroffenen Menschen.

Das alles ist wichtig und richtig, aber nicht ausreichend für eine tatsächliche Änderung bestehender Zustände. Denn trotz aller Übereinstimmung in Inhalt und Ziel gab und gibt es kein gemeinsames Handeln. Insofern sind es Anträge zum Fenster hinaus. Man tut so, als ob. Aber nichts wird zugunsten des sorbischen Volkes verändert. Eine solche Umgestaltung kann auch nicht den Ländern Sachsen und Brandenburg überlassen werden. Eine gerechte und dauerhafte Lösung im Interesse des sorbischen Volkes kann nur auf der Ebene des Bundesrechts wirksam durchgesetzt werden.

Dazu ist zunächst – wie in dieser Zeitung schon an gleicher Stelle ausgeführt – eine Ergänzung des Grundgesetzes erforderlich, in der nationale Minderheiten, ihre Kultur, ihre Traditionen, ihre Sprache anerkannt, geschützt und gefördert werden. Die derzeitige unzureichende Erfassung dieser Rechte lähmt auch das Selbstbewusstsein der Sorben und den Stolz auf ihre Besonderheit, beschleunigt ihre Assimilation und Germanisierung. In gleichem Maße schwindet ihre Bereitschaft, sich der Nichtachtung ihrer Kultur und der Zerstörung ihrer Heimat zu widersetzen.

Mitunter hört man, wer die Bodenschätze der Lausitz in Zusammenhang mit dem sorbischen Volk und seiner Heimat bringe, der wolle doch nur einen billigen Propaganda-Coup landen. Das jedoch ist falsch. Die gesetzliche Grundlage ermöglicht durchaus andere Regelungen als die derzeit praktizierten. Das seit dem 1.1.1982 gültige Bundesberggesetz beruht auf dem fast 1.000 Jahre alten Grundsatz der Bergfreiheit. Dieses Prinzip besagt, alle im Gesetz aufgeführten bergfreien Bodenschätze (Metalle, Erdöl, Erdgas, Kohle, Salze etc.) sind dem Grundeigentum entzogen. Dem Grundeigentümer stehen nur die grundeigenen Bodenschätze (z. B. Sand, Kies, Ton etc.) zu. Er hat Anspruch auf Entschädigung, wenn er z. B. sein Land für den Bau von Bergwerksanlagen abtreten soll. Die bergfreien Bodenschätze hingegen sind zunächst herrenlos, sozusagen Gemeingut des Volkes. Eigentum daran kann durch ein vom Staat kontrolliertes Verfahren erworben werden, das auch den Kreis derer bestimmt, die am Gewinn aus dem Abbau der Bodenschätze in Form von Steuern und Abgaben beteiligt werden sollen.
Geologische Untersuchungen haben in der Gegend zwischen Grodk (Spremberg), Syjk (Graustein) und Slepo (Schleife) in etwa 1.000 Metern Tiefe größere Mengen von Kupfererz mit einem Anteil von etwa 20 % Gold, Silber, Zink, Blei, Platin und anderen, noch kostbareren Elementen (den sogenannten seltenen Erden) festgestellt. Die Ergiebigkeit allein an Gold soll etwa 15 Tonnen und an Kupfer etwa 1,5 Millionen Tonnen betragen. Ab 2017 soll gefördert werden.

Wird es eine sorbische Persönlichkeit oder autorisierte Vertretung des sorbischen Volks geben, die – ähnlich wie der Präsident des IPC, Raúl Grioni – sagt: „Es geht bei der Nutzung dieser Schätze auch (oder vor allem) um die Rechte unseres Volkes“? Werden selbstbewusste Sorben, unterstützt von vernünftigen Deutschen aller demokratischen politischen Parteien, ihr Recht auf die Schätze ihrer Heimat einfordern, so wie man in Venezuela für den Kueka-Stein auf die Straße geht?

Die Zukunft ist offen. Sie wird beeinflusst durch vernünftig begründete Zuversicht, daraus gewonnenen neuen Erfahrungen und der so gestärkten Hoffnung auf Gerechtigkeit.


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