Laufstilanalyse – ein Negativbeispiel

LaufstilanalyseDer lokale Laufshop hatte einen Newsletter verschickt. In Kooperation mit dem Laufsportzentrum eines Sanitätshauses in Mannheim boten sie bei sich im Laden eine Laufstilanalyse an. Und das auch noch zu einem reduzierten Preis. “Machen Sie es wie die Profis und lassen Sie Ihren Laufstil analysieren!”. Das hörte sich interessant an, zumal ich das Gefühl hatte, dass bei mir einiges zu verbessern wäre. Eventuell würde sich dabei ja u.a. die Ursache meines Achillessehnenproblems finden. Also machte ich einen Termin aus und war gespannt.

In der Mail zum Angebot stand folgendes.

Weshalb eine Laufanalyse sinnvoll ist:

  • Präventive Verletzungsprophylaxe
  • Verbesserung der Körperstatik und des individuellen Laufstils
  • Vorbeugung von Rückenschmerzen
  • Ökonomischer Laufstil
  • Optimierung der Lauftechnik (mit Hilfe digitaler Aufnahmen mit Kameras und Analyseprogramm)
  • Vermeidung von Fehlbelastungen oder muskulären Dysbalancen

Las sich alles gut und wirkte sinnvoll. Das Ganze “unter der Leitung eines Sportwissenschaftlers M.A. und aktivem Sportler (Fußball, Laufen, Fitness), der für ein Laufsportzentrum in einem Sanitätshaus arbeitet. Außerdem Laufkursleiter für Einsteiger und fortgeschrittene Läufer/-innen und führte bereits sportwissenschaftliche Checks und Haltungsanalysen mit diversen Profi-Mannschaften aus der Metropolregion Rhein-Neckar (wie z.B. Rhein-Neckar Löwen, TG Frankenthal, SV Waldhof Mannheim 07 e.V.) durch.” Er sollte demnach also Ahnung haben. Ich war guter Dinge.

Ich war ca. 10 Minuten zu früh da, sodass ich noch etwas warten musste. Kein Problem, in einem Laufshop lässt sich die Zeit schnell vertreiben. Dann war es soweit. Ich wurde in einen kleinen Raum gebeten, in dem sich ein Laufband, sowie ein Schreibtisch mit PC befand. Bereits jetzt war ich skeptisch, denn wie sollte da eine Fußabdruckanalyse (die ich eigentlich erwartete) machbar sein? Ok, abwarten. Vielleicht wird das auch woanders durchgeführt.

Der Analyst stellte sich kurz vor. Sportstudium, Laufsportzentrum, Laufkursleiter, Rhein-Neckar Löwen, Waldhof Mannheim,… Hm, wie ein ambitionierter Sportler sieht er irgendwie aber nicht aus. Naja, muss nichts heißen. Leider hatte er von Beginn an eine unruhige Art und wirkte etwas hektisch. Dann wollte er wissen, welche Analyse ich denn machen möchte. Es gab zwei Varianten im Angebot. Klein: biomechanische Anlayse des Fußes. Groß: ganzheitlich Betrachtung des Körpers. Er merkte, dass ich zur großen tendierte und meinte, dass diese ja auch nur 50 statt 99 EUR kosten würde (die kleine 25 statt 35 EUR). An diesen Hinweis erinnere ich mich noch genau. Das kam mir nämlich komisch vor, denn in der Mail stand 50 statt 75 EUR. Ich entschied mich für die große Variante und schon kam die nächste Überraschung. Ich musste vorab bezahlen. Da war ich ehrlich gesagt so perplex, dass ich dies kommentarlos tat.

Nun konnte es also losgehen. Er wollte wissen, warum ich eine Laufstilanalyse mache und was ich erwarte. Wollte er das wirklich? Wenn ich ehrlich bin, habe ich eigentlich eher Antworten zu Fragen gegeben, die er gar nicht stellte. Eine Anamnese fand daher nur bedingt statt. Ich hatte das Gefühl, dass er sich nicht so recht ein Bild von mir als Läufer machen wollte, sondern mich einfach endlich auf’s Laufband stellen wollte.

Ich musste zunächst Schuhe und Socken ausziehen und mich hinstellen. Dann überprüfte er, ob ich einen Beckenschiefstand habe. Sehe nicht danach aus. Aber so 100%ig könne man das mit der Methode nicht sagen. Aha. Dann machte er mit Filzstift an Achillessehne / Wade ein paar Kreuze (die aber später auf den Videos nicht zu erkennen waren). Dann ging es auf’s Laufband. Barfuß gehen für ca. 30 Sekunden. Er fragte mich nach meinem Trainingstempo. Ich antwortete mit 12 km/h. Er stellte das Laufband schneller, allerdings auf vielleicht 10 km/h. Wieso dann die Frage? Nach kurzer Zeit sollte ich runter, um die Schuhe anzuziehen. Ach ja, ich hätte doch besser einen Trainingsschuh, statt einen Wettkampfschuh mitgenommen, meinte er. Hätte man mir das im Vorfeld nicht sagen können? Wie auch immer, ich lief dann für wieder nur kurze Zeit in nicht viel schnellerem Tempo. Fertig. Das war’s.

Er setzte sich an den Schreibtisch und fügte die Videos zusammen. Dann meinte er, ich hätte mich gut eingeschätzt. Mein Armeinsatz wäre rechts stärker, als links. Außerdem würde ich hinten den Arm zu sehr nach innen verdrehen. Die linke Schulter hängt ein wenig. Ich wollte wissen, ob ich den linken Arm denn nun weiter nach hinten oder den rechten weniger stark schwingen soll. Es erfolgte keine konkrete Antwort. Dass ich mich verdrehe, konnte ich schon auf Wettkampffotos sehen und hat mir auch schon meine Frau gesagt. Ich erwartete nun eigentlich ein paar Tipps bzw. gezielte Übungen, mit denen ich dies beheben könnte. Fehlanzeige.

Was die Füße betrifft, so proniere ich barfuß mit dem rechten Fuß etwas zu sehr nach innen. Links ist alles ok. Mit den leicht gestützten Schuhen (Asics Gel-DS Racer 9) wäre rechts alles ok, aber links würde ich zu sehr nach innen knicken. Hä? Das klang paradox. Auf meine Frage, wie das sein kann, bekam ich die Antwort “Ein Laufschuh kann laut Sporthochschule Köln nie so viel Stütze bieten, wie ein Fuß benötigt”. Ja, aber ich dachte, links würde ich barfuß ganz normal pronieren? Dann müsste ich mit Stütze ja eher supinieren, statt zu überpronieren. Daraufhin kam keine Erklärung, sondern wieder nur der Hinweis, was die Sporthochschule herausgefunden hätte. Ich wollte dann wissen, ob ich einen gestützten Schuh brauche oder nicht bzw. was ich tun kann, dass ich sauber abrolle. Er meinte, ich solle die Muskulatur stärken und Einlagen könnten wahre Wunder bewirken. Klar, zufälligerweise bietet sein Laufsportzentrum bzw. Sanitätshaus Einlagen einer bestimmten Marke an. Kosten ja nur fast 200 EUR.

Dann wollte er wissen, ob ich Blackroll und Balanceboard kenne. Ich antwortete mit “ja, habe ich beides”. Dennoch sucht er plötzlich hektisch nach beiden Produkten bei Google und machte mich darauf aufmerksam, dass auch Spieler der Fußballnationalmannschaft damit trainieren. Aha, und was hat das jetzt mit mir zu tun? Als Nächstes machte er die DLV-Seite auf und zeigt mir eine PDF-Datei mit Übungen. Ok, ganz nett. Aber leider zeigte er mir keine konkreten Übungen, die speziell für mich und meine Defizite in Frage kommen. Einen Ausdruck bekam ich zudem auch nicht. Auf meine Frage, wann ich eine CD meiner Analyse bekomme, wirkte er überrascht. Ich meinte dann zu ihm, man hätte mir das bei der Anmeldung zugesichert. Eine CD hätte er jetzt nicht da. Ich solle eine Woche später nochmal kommen und am besten einen USB-Stick mitbringen. Aha, ok.

Eine Woche kam ich wieder. Hatte widerwillig auch einen USB-Stick dabei. Er sah mich und wollte wissen, wie mein Wettkampf am Wochenende lief. Hä? Der war doch vor vier Wochen. So genau hat er dann also meinen Bericht nicht gelesen. Ich meinte, der wäre schon länger her und ich musste nach 8 Kilometern wegen muskulären Problem langsam machen. Ohne die Hintergrunde zu kennen, riet er mir sofort zu Einlagen. Er schwört darauf. Er selbst hätte keine Probleme mehr. Die Einlagen gäbe es jetzt auch zum Spezialpreis. Er wartet gerade zwei weitere Analyseteilnehmer, denen er Einlagen hat anfertigen lassen. In meinen Augen reine Eigenwerbung, seriös ist das nicht.

Er fragte nach meinem USB-Stick und ging an den PC. Also tatsächlich keine CD. Dann kopierte er die Videodateien auf meinen Stick. Darunter auch welche in einem speziellen Format, wofür man einen besonderen Player braucht. Diese Software versuchte er im Internet zu finden und hat wild auf allen möglichen Seiten, die er bei Google fand, die Software heruntergeladen. Hallo? Schon mal was von Viren und Schad-Software gehört?

Nachdem er es dann endlich geschafft hatte, gab er mir den Stick und wollte wissen, ob ich zufrieden bin. “Ehrlich gesagt, nein!”. Mit meiner offenen und direkten Antwort rechnete er scheinbar nicht. Er fragte, was ich denn nicht gut fand und was ich erwartet hätte. Ich meinte, ich hätte außer ein paar Videos auf dem eigenen(!) USB-Stick nichts in der Hand. Keine Auswertung. Keine Tipps. Noch nicht einmal ein Ausdruck von Übungen. Dafür seien mir selbst 50 EUR zu viel. Eine Druckplattenmessung fand z.B. gar nicht statt und auch sonst hätte ich für eine ganzheitliche Betrachtung mehr erwartet. Er meinte, er hätte hier nicht die Möglichkeiten, wie bei ihnen im Laufsportzentrum. Daraufhin entgegnete ich, dass man dann auch nicht sagen dürfte, dass die Analyse normalerweise 99 EUR kostet. Man könne ja nicht Äpfel mit Birnen vergleichen. Er meinte, er hätte nie gesagt, dass diese Analyse hier einer 99 EUR Analyse entsprechen würde. Das hatte ich ganz anders in Erinnerung (wie oben erwähnt).

Nun war ich stinkig, denn ich kam mir für blöd verkauft vor. Ich meinte, dass mit Sicherheit keiner seiner tollen Kunden wie die Rhein-Neckar Löwen oder Waldhof Mannheim mit solch einer Auswertung zufrieden gewesen wären. Hätte ich das vorher gewusst, hätte ich nie und nimmer 50 EUR dafür bezahlt und 99 EUR erst recht nicht. Alles was ich nun hätte, wäre ein 50-sekündiges Video. Quasi pro Sekunde ein Euro. Analysieren und Schlüsse daraus ziehen müsste ich ja nun selbst. Daraufhin meinte er, er sei kein Arzt und auch kein Orthopäde. Ok, aber einen Kameramann habe ich ehrlich gesagt nicht gesucht. Diese Aufnahmen hätte ich auch selbst machen können.

Er redete sich mehr und mehr heraus und sein Ton wurde patziger. Dann fiel ihm wohl auf einmal wieder ein, dass ich einen Blog habe. Plötzlich machte er mir mürrisch das Angebot, ich könne bei ihnen im Laufzentrum nochmal eine komplette Analyse machen. Ich lehnte jedoch ab. Da muss meines Erachtens die Chemie stimmen und auch Vertrauen vorhanden sein. Beides ist nicht der Fall. Außerdem sollte solch ein Angebot ehrlich gemeint sein und nicht aus Angst vor einer schlechten Kritik gebracht werden.

Mir war das Ganze dann zu blöd und wollte gehen. Dann traf ich den Verantwortlichen des Shops und schilderte ihm, weshalb ich nicht zufrieden wäre. Er konnte mich verstehen und meinte, er würde das klären, was da schiefgelaufen ist. Etwas verwundert meinte er dann noch, dass eine Druckmessplatte doch vorhanden gewesen wäre. Man hätte sie nur anschließen müssen. Aha. Der Analyst bekam mit, dass ich mit dem Shop-Betreiber spreche und stellte sich dazu. Darauf hatte ich jedoch keinen Bock mehr. Der Shop-Betreiber fragte nach meinem namen und Telefonnummer und meinte, er würde sich bei mir melden. Sie würden demnächst das volle Programm anbieten (Laufstilanalyse und Leistungsdiagnostik). Da käme man mir dann entgegen. Ich bedankte mich und ging.

Fazit
Gleich vorab. Ich nannte bewusst keine Namen, weil ich niemanden denunzieren will. Dennoch möchte ich darauf aufmerksam machen, wie eine Laufstilanalyse meines Erachtens nicht ablaufen sollte. Die durchführende Person wirkte auf mich nicht sonderlich kompetent und zur Auswertung gehört meiner Meinung nach auch eine Beratung, wie man Defizite beheben bzw. den Laufstil verbessern kann. Das war nicht der Fall. Ich ging mit mehr Fragezeichen nach Hause, als ich zuvor hatte. Für jemanden, der mit dem Laufen beginnen möchte, mag das vielleicht noch halbwegs interessant sein. Für einen fortgeschrittenen Läufer jedoch nicht. Aber genau hierfür wird auch geworben. Das kann es nicht sein. Läufer sind doch keine naiven Opfer, denen man das Geld einfach so aus der Tasche ziehen kann. Ich nahm das nicht hin und äußerte meinen Unmut. Auch mit der Hoffnung, dass dadurch nicht noch mehr enttäuscht werden. Man könnte jetzt argumentieren, dass der Analyst keinen guten Tag hatte. Ok, dann wären es aber gleich zwei gewesen. Vielleicht hatte ich ja auch zu hohe Erwartungen? Wie seht ihr das? Wie sehen eure Erfahrungen aus? Vielleicht sehe ich das ja auch falsch. Letztendlich kann ich nur raten, dass man sich im Vorfeld genau informieren sollte, welche Leistungen man bekommt und wer die Analyse durchführt. Ich war diesbzgl. etwas zu naiv und gutgläubig. Aber Fehler sind dazu da, dass man sie macht und daraus lernt. Mir wird sowas nicht noch einmal passieren.


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