"Last Man Standing" [USA 1996]


Story

In dem Gott verlassenen Kaff Jericho nah an der mexikanischen Grenze gerät der geheimnisvolle John Smith zwischen die Fronten eines Bandenkriegs während der Prohibitionszeit. Es bekämpfen sich Iren und Italiener um die Vormachtstellung im Alkoholschmuggel. Smith hat nur eine Chance, wenn er beide Seiten gegeneinander auszuspielen versucht. Als sich die Leichen stapeln, wird das teuflische Spiel schnell zum unkalkulierbaren Risiko…
Kritik
Auffallendstes Merkmal des Plots: Neudefinition, Umstrukturierung. Sprich: Aus Katanas werden Pistolen, aus Clint Eastwood Bruce Willis, aus Pferden Autos, aus Schläger- Mafiabanden und von der Wüste geht's ab in die Prohibitionszeit. "Last Man Standing" ist die nun schon ungezählt weitere, durch den cineastischen Fleischwolf gedrehte Variation der bei seinen Vorbildern "Yojimbo – Der Leibwächter" (Akira Kurosawa) und "Für eine Handvoll Dollar" (Sergio Leone) verankerten "Einer gegen Alle"-Prämisse. Dieser Resteverwertung klassischer Motive war kein kommerzieller Erfolg beschieden. Heute gilt "Last Man Standing" als Geheimtipp, vor allem für all jene, die ihr erstes großes Date im Heimkino überaus bleihaltig gestalten möchten. Abseits davon vermag "Last Man Standing" allerdings keine narrativen Bäume auszureißen.
Dabei kokettiert der Film mit einem audiovisuellen Korsett, das als seine größte Stärke bezeichnet werden kann. Der erste Anflug eines kompromisslosen Neo-Westerns manifestiert sich in knochentrockenen Bildern einer gottverlassenen Geisterstadt am Arsch der Welt. Heruntergekommene Wellblechhütten an jeder Ecke, von Fliegen umschwirrte Tierkadaver, korruptions- wie staubverseuchte Verhältnisse. Latenter Pessimismus regiert die gesetzlosen Straßen, in denen es nur darum geht, wer als erster und wer als letzter abtritt. Lloyd Ahern fängt in verwaschenen Gelbfiltern die raue Atmosphäre des unheilverkündenden Szenarios ein. Ry Cooder begleitet mit grimmigen musikalischen Banjo-Klängen. Er ist kein Ennio Morricone, trotzdem proklamiert die zweifelsohne vorhandende Suggestivität des Scores die Frage, was da wohl in der Luft liegt, was in Kürze explodiert, hier, im Drecksloch namens Jericho.

Walter Hills Affinität für groteske Gewaltausbrüche, ebenso wie für ohrenbetäubende Schießduelle, bei denen die Kugeln donnernd vorbei rauschen oder laut ins Fleisch einschlagen, dürfen selbstverständlich nicht fehlen. Daraus bezieht "Last Man Standing" vordergründig seinen Reiz; er skizziert unheimlich physische Action alter Schule, die zugleich eine Art Verbeugung Hills vor dem Italowestern respektive vor Sam Peckinpah verkörpert, wenn die Getroffenen zeitlupenmäßig wild nach hinten geschleudert werden. Ungeachtet der finalen, virtuos komponierten Hotelschlacht sind die Momente ausladender Action gleichwohl eher rar gesät. Meist handelt es sich um kleinere Intermezzos, der Showdown fällt zudem vergleichsweise enttäuschend aus und die drei bösen Ekelpakete sterben durch drei Schüsse auf die dem Tenor des Films überhaupt nicht angemessene sanfte Weise. Somit bleibt der Einsatz blauer Bohnen tendenziell begrenzt, der Ruf von "Last Man Standing" als schießwütiger Daueractioner allenfalls partiell nachzuvollziehen.
Dass Hill trockene Off-Kommentare nach bester Noir-Manier zur Geschichtserzählung installiert, ist ein überraschend harmonisches Element, auch wenn sie des Öfteren aufgesetzt knallhart wirken. Als weniger harmonisch präsentiert sich hingegen John Smiths (Bruce Willis) eigentlicher Feldzug gegen zwei verfeindete Banden, die er übertrieben leicht auszuspielen letztendlich imstande ist, weil alle Beteiligten dämlich wie selten zuvor agieren. Das Drehbuch bündelt einerseits (Achtung, Überraschung!) stark gestikulierende Italiener, andererseits (Achtung, Überraschung!) stark narzisstische Iren – keiner davon vermag Smith ernsthaft zu gefährden, sodass ein ausgelutschter Kniff herhalten muss, um ihn in Bedrängnis zu bringen. Bar jedweder Überraschungen, Intellektualität des Vorbildes und ausgeklügelter Hochspannung rumpelt der Plot in den ruhigen Szenen vor sich hin, wühlt im Dramaturgiebaukasten des Genres und lässt vor allem Tempo vermissen. Vielversprechende zusätzliche Handlungsfäden werden abgerissen denn weitergesponnen.

So verläuft die behutsam auflodernde Liebesbeziehung mit der geheimnisvollen Blonden (Alexandra Powers; eine Prostituierte, vielleicht die Femme Fatale) nach zwei, drei Dialogzeilen und einer unfreiwillig komischen Sexszene (herrlich!) sprichwörtlich ins Leere. Auch verschenkt: Felina (Karina Lombard), die Geliebte des Gangsterbosses mit zwei, drei Close Ups, die auf Smith anscheinend derartigen Eindruck hinterlassen hat, dass er sie paradoxerweise um jeden Preis aus dem Wüstenkaff befreien muss. Schlussendlich machen sich Hill und sein japanisches Autorenteam darüber hinaus keine Freunde, wenn sie in ihre Handlung krampfhaft die Auswirkungen des Alkoholschmuggels und der generellen Prohibitionszeit implementieren, diese jedoch grausam oberflächlich abgefrühstückt werden, als sei die bloße Erwähnung Komplexität genug.
Reduziert sich also die Bruce-Willis-Show "Last Man Standing" schon von vornherein lediglich aufs Bruce-Willis-Posen? Anzunehmen. Die Quintessenz seiner Figur, des identitätslosen Fremden, versinnbildlicht am ehesten das Nachladen eines 45ers. Und das Spekulieren des Zuschauers auf die nächste Leiche auf der Abschussliste. Unter Zuhilfenahme des Macho-Standardprogrammes eines Bruce Willis in härteren Rollen – markigen Sprüchen, blutüberströmten (Unter-)Hemden – schauspielert der Actionheld vom Nakatomi Plaza auch hier seine Möglichkeiten aus. Hinzu kommen feste Prinzipienlosigkeiten, mangelnder Gerechtigkeitssinn, außer wenn er Frauen beschützen muss, kollektiv lakonischer Sprachgebrauch, unaufhörliche Angstlosigkeit sowie das Talent, mit wenigen (flapsigen) Silben Bedrohung auf dem Gesicht seiner Erzfeinde evozieren zu können. John Smith ist einfach da, ohne Vergangenheit, ohne Seele. Schade, dass das Drehbuch nichts Näheres über ihn in Erfahrung bringt und dass Willis keine weiteren Facetten seiner vermeintlichen Eastwood-Hommage abgewinnen kann als das seit Jahrzehnten in Stein Gemeißelte.

Dem gegenüber steht eine auf den Punkt hin gecastete Nebendarstellerriege. Obwohl Christopher Walken gleichfalls gut in der Hauptrolle aufgehoben wäre, wird er in den wenigen Minuten, die er hat, von einer Aura des Mysteriösen umweht, des Mannes, von dem verschiedene Legenden kursieren und er zu alledem eine Gesichtsnarbe durch Aufschlitzen trägt, derentwegen Assoziationen zum Joker heraufbeschwört werden könnten. Smiths ultimativer Widersacher, der heimliche Chefgangster, der Fäden ziehende Geist mit einem malträtierten Gesicht irgendwo zwischen Wandschrank und Quetschkommode. Einmal mehr entpuppt sich Walker als geeigneter Mann für den Job des erbarmungslosen Anarcho-Schurken, der Willis trotz kurzer Screentime beinah die Show aus den Händen reißt (und schießt). Die überschaubaren, aber nichtsdestotrotz pointierten Wortgefechte von ihnen zählen alsbald zu den Highlights des Films: "Ich dachte, du wärst der beste Schütze." – "Nein, ich bin nur der Bestaussehendste…"
Zwischen den klar abgesteckten Fronten bewegt sich in der bekanntlichen Grauzone außerdem so manch interessanter Zusatzcharakter. Seien es Dorfsheriffs oder Gangsterbosse oder Mafiosi. Während der eine kraftlos der Korruption verfällt und mit Abschaum kooperiert (veritabel: Bruce Dern), der andere dem frustrierten Schreien erliegt (Over Acting par excellence: David Patrick Kelly, bekannt aus "Twin Peaks"), duldet der letzte keine Neuen in seiner Clique (Sopranos-Star Michael Imperioli). Nützt aber nichts: Es vergeht eine kurze Zeit, ehe auch diese zwar interessanten, aber letztlich umso austauschbareren Rohrkrepierer das Zeitliche im Zuge ihrer Funktion als Kanonenfutter segnen. Immerhin Ken Jenkins, dem sei ein erfrischender Kurzauftritt gegönnt. Und er überlebt – zur Abwechslung mal.

Fazit

Äußerlich ansprechend-ästhetisiertes, innerlich banal-muffiges Genrehandwerk, dessen ohne Haken schlagende Schnörkellosigkeit den sicheren Blick auf Substantielles vermissen lässt. Stattdessen hechelt man einer Actionszene nach der anderen hinterher, um das Dazwischen möglichst schmerzfrei übergegen zu können. Walter Hill ist imstande das in wunderbare Bilder mit exaltierten Arschlöchern einzukleiden, für Kurosawa und Leone fehlt dennoch ein Quantensprung.
5/10

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