Und dann hat das Mädchen geweint. Und die Kanzlerin hat gestreichelt. Als Belohnung gewissermaßen. Dafür, dass das Flüchtlingsmädchen ihre Geschichte erzählt hat.
Es waren kindliche Ausführungen von Perspektivlosigkeit und fehlender Zuversicht, vom Verlust der neuen Heimat und der Furcht, ihre Träume nicht verwirklichen zu können. Dafür gab es letztlich Streicheleinheiten. Und von vielen Seiten böse Worte gegen den Hosenanzug. Volker Königkrämer zollt Angela Merkel im »Stern« hingegen Respekt. Sie habe sich nicht weggeduckt. Die Beleidigungen bei Twitter und Konsorten (»verlogenes Mistweib« etc.) seien falsch. Und da stimme ich ihm zu. Sie sind es tatsächlich. Denn es geht nicht um den Charakter dieser Frau. Ihre kalte Hundeschnauze wäre ihre Privatsache. Es handelt sich auch nicht um schlechte Erziehung oder fehlende Empathie. Es geht darum, dass sie die Galionsfigur einer Politik ist, die Menschen wie Frachtgut exekutiert. Und nebenbei gibt sie das Spiegelbild dieser Gesellschaft ab, in der hochglanzgelächelt, gefühlvoll gestreichelt wird, in der es aber eigentlich eiskalt zugeht.
Muss man also Respekt vor einer Frau haben, die das Opfer ihrer strikten Asylpolitik streichelt? Oder ist eine solche Aktion nicht eher Hohn? Und überhaupt, was ist mit der Rhetorik der Kanzlerin? Schieben wir mal beiseite, dass die Frau mit dem Teenager ein sehr kühles, ja geschäftsmäßiges Gespräch führte. »Deshalb muss das jetzt einer Entscheidung zugeführt werden«, sagte sie und meinte den Umstand, Asylbewerber schneller ausweisen zu können. »Entscheidung zugeführt« - spricht man so mit einem Mädchen, das von ihrem Leben spricht und davon, dass es Angst hat, dieses Leben abermals zu verlieren? Klar, das ist Kälte. Das ist nicht empathisch und zeigt, die hat keine Ahnung, wie man mit jungen Leuten spricht. Sie hat ja nicht mal begriffen, dass es nicht wegen Nervosität weinte, sondern wegen der Kälte, die sie spürte. Nur lassen wir das alles mal beiseite. Erwähnt wollte ich es allerdings haben. Die eigentliche Frage ist doch: Ist diese Frau nicht auch eine dieser Entwicklungen, die wir aus dieser neoliberalen Wirklichkeit kennen?
Was ich schlimmer empfand war ein anderer Aspekt dieser schrecklichen Rhetorik. Und zwar, als sie sagte: Hör mal, Kleines, es gibt noch viele Menschen, die in Flüchtlingslagern hocken und die können wir halt nicht alle aufnehmen. Was so ein Gedankengang mit einem Menschen in dem Alter macht, ist die eine Sache. Man hat es ja gesehen. Aber wieder mal so zu tun, als wollten alle in dieses Deutschland einbrechen und für ewig hier bleiben, die Heimat einfach für immer vergessen, das ist der Köder, den man als unumstößliche Wahrheit hinwirft und mit dem man Ressentiments schürt. Boot ist voll und so. Dass das Mädchen aber nun mal schon da ist und nicht in einem Lager steckt, zählte wohl gar nichts.
Sie spricht übrigens überdies hervorragend Deutsch. Sagte man nicht immer, dass Integration mit dem Erlernen der Sprache beginnt? Bittesehr, sie kann es! Was bringt es ihr? Sie bekommt gesagt, ihr aufgebautes Leben hierzulande wird enden und wird dann als Ersatz für diese Hiobsbotschaft geherzt. Ach, wie einfühlsam das Klima in diesem Land doch ist. Lauter nette Leute ...
Das ist der eigentliche Knackpunkt dieser Affäre. Wir haben uns zu einer Gesellschaft gewandelt, die ihre Ressentiments und Exklusivitäten, ihren sturen Kurs und ihre Hardlinerei, nicht mehr mit bitterer Miene durchboxt, sondern mit fröhlichem Gesicht. Bei Strauß wusste man noch, dass er ein Arsch war. Er hat sich nie verstellt. Heute sind sie alle glatt und tun so, als täte ihnen die Konsequenzen ihrer Politik herzlich leid. Warum machen sie sie es dann so und nicht anders? So ist es überall, in sämtlichen Bereichen: Arbeitslose nennt man nun Kunden, denen man gewisse Umgangsformen selbstverständlich zuspricht, die aber in der Sache wie Unrat behandelt werden. Moslems bekommen Anteilnahme, wenn man sie von Untergrundorganisationen aus tötet. Man streichelt sie. Aber in der Sache wissen wir doch: Der Islam ist das Problem, weil er so schrecklich gewaltbereit ist. Lächeln, herzen, verständig sein und trotzdem weitermachen mit dem Plan.
Nein, es geht bei alldem nicht um Merkel und ihre Hundeschnauze. Sie ist auch bloß so ein Symptom einer Politik, die lächelt, während sie Not verordnet, die Anteilnahme predigt, wenn sie tötet. Das hat System, weil es das System ist. Man lebt wie in einem Hochglanzsystem, in dem die Fassade schimmert. Und Sauereien lächelt man weg. Streichelt man weg. Wir sind so weich, wenn wir hart sind.
Wenn sich die deutsche Regierung mal wieder aufregt, weil griechische Karikaturisten die Kanzlerin als SS-Rottenführerin zeichneten, dann werde ich sie streicheln und dann in der Sache hart bleiben und sagen: »Tja, trotzdem, rechts geschiehts dir ja, die Zeichner mussten halt eine Entscheidung zuführen und haben dich gut getroffen. Aber - Och! - lass dich nochmal drücken ...«
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Es waren kindliche Ausführungen von Perspektivlosigkeit und fehlender Zuversicht, vom Verlust der neuen Heimat und der Furcht, ihre Träume nicht verwirklichen zu können. Dafür gab es letztlich Streicheleinheiten. Und von vielen Seiten böse Worte gegen den Hosenanzug. Volker Königkrämer zollt Angela Merkel im »Stern« hingegen Respekt. Sie habe sich nicht weggeduckt. Die Beleidigungen bei Twitter und Konsorten (»verlogenes Mistweib« etc.) seien falsch. Und da stimme ich ihm zu. Sie sind es tatsächlich. Denn es geht nicht um den Charakter dieser Frau. Ihre kalte Hundeschnauze wäre ihre Privatsache. Es handelt sich auch nicht um schlechte Erziehung oder fehlende Empathie. Es geht darum, dass sie die Galionsfigur einer Politik ist, die Menschen wie Frachtgut exekutiert. Und nebenbei gibt sie das Spiegelbild dieser Gesellschaft ab, in der hochglanzgelächelt, gefühlvoll gestreichelt wird, in der es aber eigentlich eiskalt zugeht.
Muss man also Respekt vor einer Frau haben, die das Opfer ihrer strikten Asylpolitik streichelt? Oder ist eine solche Aktion nicht eher Hohn? Und überhaupt, was ist mit der Rhetorik der Kanzlerin? Schieben wir mal beiseite, dass die Frau mit dem Teenager ein sehr kühles, ja geschäftsmäßiges Gespräch führte. »Deshalb muss das jetzt einer Entscheidung zugeführt werden«, sagte sie und meinte den Umstand, Asylbewerber schneller ausweisen zu können. »Entscheidung zugeführt« - spricht man so mit einem Mädchen, das von ihrem Leben spricht und davon, dass es Angst hat, dieses Leben abermals zu verlieren? Klar, das ist Kälte. Das ist nicht empathisch und zeigt, die hat keine Ahnung, wie man mit jungen Leuten spricht. Sie hat ja nicht mal begriffen, dass es nicht wegen Nervosität weinte, sondern wegen der Kälte, die sie spürte. Nur lassen wir das alles mal beiseite. Erwähnt wollte ich es allerdings haben. Die eigentliche Frage ist doch: Ist diese Frau nicht auch eine dieser Entwicklungen, die wir aus dieser neoliberalen Wirklichkeit kennen?
Was ich schlimmer empfand war ein anderer Aspekt dieser schrecklichen Rhetorik. Und zwar, als sie sagte: Hör mal, Kleines, es gibt noch viele Menschen, die in Flüchtlingslagern hocken und die können wir halt nicht alle aufnehmen. Was so ein Gedankengang mit einem Menschen in dem Alter macht, ist die eine Sache. Man hat es ja gesehen. Aber wieder mal so zu tun, als wollten alle in dieses Deutschland einbrechen und für ewig hier bleiben, die Heimat einfach für immer vergessen, das ist der Köder, den man als unumstößliche Wahrheit hinwirft und mit dem man Ressentiments schürt. Boot ist voll und so. Dass das Mädchen aber nun mal schon da ist und nicht in einem Lager steckt, zählte wohl gar nichts.
Sie spricht übrigens überdies hervorragend Deutsch. Sagte man nicht immer, dass Integration mit dem Erlernen der Sprache beginnt? Bittesehr, sie kann es! Was bringt es ihr? Sie bekommt gesagt, ihr aufgebautes Leben hierzulande wird enden und wird dann als Ersatz für diese Hiobsbotschaft geherzt. Ach, wie einfühlsam das Klima in diesem Land doch ist. Lauter nette Leute ...
Das ist der eigentliche Knackpunkt dieser Affäre. Wir haben uns zu einer Gesellschaft gewandelt, die ihre Ressentiments und Exklusivitäten, ihren sturen Kurs und ihre Hardlinerei, nicht mehr mit bitterer Miene durchboxt, sondern mit fröhlichem Gesicht. Bei Strauß wusste man noch, dass er ein Arsch war. Er hat sich nie verstellt. Heute sind sie alle glatt und tun so, als täte ihnen die Konsequenzen ihrer Politik herzlich leid. Warum machen sie sie es dann so und nicht anders? So ist es überall, in sämtlichen Bereichen: Arbeitslose nennt man nun Kunden, denen man gewisse Umgangsformen selbstverständlich zuspricht, die aber in der Sache wie Unrat behandelt werden. Moslems bekommen Anteilnahme, wenn man sie von Untergrundorganisationen aus tötet. Man streichelt sie. Aber in der Sache wissen wir doch: Der Islam ist das Problem, weil er so schrecklich gewaltbereit ist. Lächeln, herzen, verständig sein und trotzdem weitermachen mit dem Plan.
Nein, es geht bei alldem nicht um Merkel und ihre Hundeschnauze. Sie ist auch bloß so ein Symptom einer Politik, die lächelt, während sie Not verordnet, die Anteilnahme predigt, wenn sie tötet. Das hat System, weil es das System ist. Man lebt wie in einem Hochglanzsystem, in dem die Fassade schimmert. Und Sauereien lächelt man weg. Streichelt man weg. Wir sind so weich, wenn wir hart sind.
Wenn sich die deutsche Regierung mal wieder aufregt, weil griechische Karikaturisten die Kanzlerin als SS-Rottenführerin zeichneten, dann werde ich sie streicheln und dann in der Sache hart bleiben und sagen: »Tja, trotzdem, rechts geschiehts dir ja, die Zeichner mussten halt eine Entscheidung zuführen und haben dich gut getroffen. Aber - Och! - lass dich nochmal drücken ...«
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