Langfristig bietet der Euro nur Vorteile

krisenchance

Wer lange genug auf der Welt ist, kann die Krise durchaus positiv sehen, auch wenn rundherum überall Panik herrscht. Von sehr jungen Leuten, deren Weltbild gerade zerbröselt, darf man wenig Optimismus verlangen, zu gross ist die berechtigte Angst vor der Zukunft. Aber alle anderen? Empfindet denn niemand so etwas wie einen Generationenvertrag? Hat niemand Kinder oder Enkel? Langfristig gesehen kann man sich beim Euro eventuell sehr bedanken, so schlimm die Situation auch heute ist.

Und jetzt zum Titel des Artikels, mittels dessen bei vielen chronisch Aufgeregten garantiert in Sekundenschnelle die Schnappatmung eingesetzt hat und die Maus nervös auf den Schreibtisch klatscht. Nach allem, was schon hundertmal gesagt worden ist, muss man nicht noch einmal analysieren, warum der Euro nicht funktionieren konnte, der eine gemeinsame Währung auf ein nicht vorhandenes Haus gesetzt hat. Dennoch ist es vollkommen unsinnig, von einer “Euro-Krise” zu reden, denn es ist keine. “Schuldenkrise” ist es sowieso keine, nicht einmal eine “Bankenkrise”. Es ist eine Strukturkrise oder eine Systemkrise, die nicht etwa vor ein paar Jahren begonnen hat sondern bereits seit Jahrzehnten schwelt.

Was wäre denn die Alternative gewesen ohne den Euro? Weitermachen wie bisher? Immer mehr Umverteilung von unten nach oben – oder, wie Andreas Popp richtig sagt, von fleissig zu reich? Diese Tendenz wäre ebenso fortgeführt worden wie die Ignoranz gegenüber gesamt Afrika und anderer strukturschwacher Staaten, die im Kalkül der Industriestaaten bestenfalls als Ressourcen-Lieferant und als Territorium für facettenreiche Machtkämpfchen eine Rolle spielen. Durch die jetzt nicht mehr existierenden Auf- und Abwehrtungsspielchen zwischen den europäischen Währungen hätte man den Status Quo, wie seit Jahrzehnten, noch lange einfach so weiterführen können. Ganz in Ruhe und gemütlich, ungestört von jetzt überall aufflammenden Bürgerprotesten, EU-Panik-Gipfeln und richtig falschen Vorträgen.

system error

Ausgehend von der Prämisse, dass das gegenwärtige System noch nie (menschen)tauglich war und zu irgendeinem Zeitpunkt deswegen automatisch in den Abgrund führen musste, warum dann nicht jetzt sofort? Warum nicht, wie krisenfrei sagt, “Je eher der Crash desto besser”? Gibt es denn wirklich niemanden da draussen, der die Situation zwar ebenso kritisch sieht wie die mit der chronischen Schnappatmung, aber durchaus eine Chance erkennt? Es sollten doch Leute existieren, die seit Jahrzehnten beinahe verzweifeln, weil soziale Verantwortung (nicht Solidarität und schon gar nicht Wohltätigkeit!) praktisch keine Rolle spielt in der Weltgesellschaft. Weil nirgendwo ein Generationenvertrag in Sicht ist und nur der maximale kurzfristige Gewinn alles bestimmt.

Also ja: Es ist alles ganz schrecklich, einverstanden! Und ob die fatale Situation wirklich dazu führt, dass nachhaltige Lösungen wirklich eine echte Chance bekommen, weiss derzeit niemand. Aber jetzt, erstmals, gibt es wenigstens die Möglichkeit, die so lange durch Abwesenheit glänzte! Erstmals sind alle gezwungen, sich wenigstens Gedanken darüber zu machen, Stellung zu beziehen, das eigene Weltbild in Frage zu stellen? Und deswegen gibt es jetzt erstmals zumindest die Aussicht, dass sich wirklich Grundlegendes ändern könnte. Ist das denn gar nichts?


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