Lahme Enten und zweite Amtszeiten

Von Stefan Sasse
Neben dem beinahe schon penetranten Hochschreiben des nächsten "Nicht-Romney"-Kandidaten der Republikaner ("X hat wirklich eine Chance in Iowa. Wirklich!") hält sich vor allem ein Narrativ unter den politischen Kommentatoren in den USA: dass ein Wahlsieg Obamas mit einem Verlust der Senatsmehrheit für die Demokraten einhergehen würde und deswegen ein albtraumhaftes "split government" entstünde, das ihn endgültig zu der lahmen Ente machen würde, zu der zweite Amtszeiten praktisch automatisch würden. Auch wäre sein Wahlsieg sicherlich ein schmaler, was ihm keinen klaren Wählerauftrag geben würde, mit dessen Legitimation im Rücken er große Reformprojekte durchbringen könnte. Ich halte dieses Narrativ für ausgemachten Schwachsinn. Zwar ist es richtig, dass viele präsidiale zweite Amtszeiten nicht die Kraft und Wirkung der ersten Amtszeit entfalten konnten. Das aber ist häufig genug ein Wahrnehmungsproblem der Zeitgenossen; es nimmt wenig wunders, dass Präsidenten mit starken zweiten Amtszeiten eher in der weiter entfernteren Vergangenheit gefunden werden als im Verlauf des 20. Jahrhunderts. Tatsächlich gibt es wenig was dafür spricht, dass eine zweite Amtszeit Obama unter einem republikanischen Kongress wesentlich schwächer als die erste werden würde. 
Das fängt bereits mit der Fehlwahrnehmung über die Bedeutung eines split government an, also dem Zustand, dass der Präsident der einen und die Kongressmehrheit einer anderen Partei angehört. Die ersten zwei Jahre von Obamas Präsidentschaft waren von einer klaren demokratischen Mehrheit im Kongress geprägt. 2010 ging die Mehrheit im Repräsentantenhaus verloren, die im Senat konnte knapp gewahrt werden. Trotz dieser Mehrheit war es für Obama alles andere als leicht, sowohl seine Konjunktur- und Rettungspakete als auch seine Krankenversicherungsreform durch den Kongress zu bringen. Dies hängt vor allem mit der persönlichen Verantwortung der amerikanischen Abgeordneten gegenüber ihren Wählern zusammen. Sie können sich nicht hinter einer Partei verstecken, was Fluch und Segen zugleich ist. Stellt eine Partei die Mehrheit in einem der beiden Häuser, so stehen ihre Abgeordneten unter verstärkter Beobachtung durch die Wähler (bzw. politische Lobbygruppen). Entsprechend starker Druck wird auf demokratische Abgeordnete in Wahlkreisen mit einer starken unabhängigen oder gar strukturkonservativen Bevölkerung ausgeübt, sich dem Präsidenten im Zweifel gegenüberzustellen. 
Deswegen aber ist eine republikanische Mehrheit auch nichts, was der Präsident über die Maßen fürchten müsste. In der Minderheit fällt es den Demokraten sicherlich leichter, geschlossen für Maßnahmen des Präsidenten zu stimmen, während republikanische Abgeordnete sich verstärkter Beobachtung ausgesetzt fühlen müssen. Mitt Romney beispielsweise ist Gouverneur eines strukturliberalen Staates gewesen und hat dort eine Versicherungsreform durchgeführt, die Obamas sehr ähnlich ist. Derzeit muss er dem extrem rechen Flügel der Republikaner eine Gegenposition verkaufen, aber als Präsidentschaftskandidat müsste er sich wiederum moderaten oder gar liberalen Wählerschichten zuwenden - ein fast unlösbarer Zwiespalt, den eine Minderheitsfraktion meist nicht zu lösen braucht. Die Totalopposition der Republikaner wäre in einem split government kaum aufrechtzuerhalten. Irgendwelche Kandidaten wären immer akut durch demokratische Herausforder gefährdet und deswegen dazu gezwungen, in ihren Wahlkreisen populäre Maßnahmen des Präsidenten mitzutragen. 
Dafür gibt es genügend historische Präzedenzfälle. Bill Clinton hatte ebenfalls nur in seinen ersten zwei Jahren eine Mehrheit im Kongress, feierte seine größten Erfolge aber im Zustand eines split government und in der zweiten Amtszeit. Auch Ronald Reagan konnte in seiner zweiten Amtszeit noch reichlich Erfolge feiern, und Nixon beendete den Rückzug aus Vietnam erst nach seiner Wiederwahl. Die Wahrnehmung zweiter Amtszeiten ist häufig schwächer, aber das liegt eher daran, dass ihr Neuigkeitswert sich erschöpft hat. Jeder wusste 1984, wer Ronald Reagan war, man kannte 1996 Bill Clinton, und man wird 2012 wissen, wer Obama ist. Zwar würde ein wiedergewählter Obama höchstwahrscheinlich keine neuen Großprojekte initiieren. Aber zu tun gibt es noch immer eine ganze Menge: die Absicherung der Versicherungsreform, die Reduzierung der Staatsverschuldung, die Erhöhung von Steuern für Millionäre, die Rettung des Sozialstaats, die Schließung von Guantanamo Bay, der Rückzug aus Afghanistan, die Fundierung der strategischen Umorientierung in den pazifischen Raum - allein das hält einen Präsidenten gut beschäftigt, und es würde voraussetzen, dass keine neuen Probleme im Verlauf von vier Jahren auftreten, und auch das ist Politik und kann sogar sehr gute Politik sein. Sie ist unauffälliger, leiser, schwieriger zu verstehen und auf einen Nenner zu bringen und in Titelzeilen zu verpacken, gewiss. Aber sie muss gemacht werden, und gerade weil sie weniger polarisiert sind die Chancen, sie durch den Kongress zu bekommen, wesentlich besser. Ich sehe eine zweite Amtszeit Obama positiv. Jetzt muss er nur noch gewählt werden.

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