Lady Bird
8TragikomödieIn ihrem lakonischen Regiedebüt verwirklicht Greta Gerwig endlich das kreative Potenzial, dem die Zusammenarbeiten mit anderen Drehbuchautoren und Regisseuren bei Werken wie Frances Ha und Mistress America im Wege stand.
Ihre tragikomische Reminiszenz an die eigene rastlose Jugend im provinziellen Sacramento ist eine subtile Rebellion gegen die Klischees von Teenie-Dramen und Coming-of-Age-Storys. Deren irreale Standards führen auf der Leinwand ein ironisch invertiertes Schattendasein als die Normvorstellungen, denen die 17-jährige Titelfigur (Saoirse Ronan) und ihre Mitschüler an der katholischen Oberschule zu entsprechen suchen. Jedes Mal, wenn die nonchalant zwischen sarkastischem Witz zu unerwarteter Betroffenheit oszillierende Handlung einen berechenbaren Weg einzuschlagen scheint, wirft sich die eigenwillige Protagonistin ihr entgegen – oder aus dem Auto.
Diesen Protestakt der Eröffnungsszene, die auf grandiose Weise Steinbeck und Selbstverletzung vereint, nimmt die Regisseurin und Drehbuchautorin ebenso ernst wie die wirtschaftliche Situation ihres fiktiven Alter Egos. Christine „Lady Bird“ McPherson begehrt tatsächlich nicht gegen ihre energische Mutter Marion (Laurie Metcalf) auf, sondern gegen den einengenden Rahmen ihres sozialen Status. Befreit von der jovialen Herablassung, mit der Armut gewöhnlich inszeniert wird, macht Gerwig den ökonomischen Kampf und das damit einhergehende Stigma greifbar. Für Lady Bird und ihre beste Freundin Julie (Beanie Feldstein) ist die Kluft zwischen den eigenen Lebensoptionen und denen der Kids aus dem schicken Stadtviertel deprimierende Alltäglichkeit. Klassenkodex ist ein ungeschriebenes Gebot, das der unangepassten Heldin schmerzhaft eingeprägt wird.
Ihre Liaisons mit dem unsicheren Danny (Lucas Hedges) und dem blasierten Pseudorebellen Kyle (Timothée Chalamet) sind weniger partnerschaftliche Romanzen als materielle. Erst der intime Kontakt mit der idealisierten Kleinstadtelite öffnet Lady Bird die Augen für die inflexiblen Hierarchien. Ironischerweise sind ihre Fake-Freunde mit allen Möglichkeiten die mit den biedersten Zukunftsplänen. Letzte sind Gegenstand der Ängste, die im konservativen Nirgendwo auf jeder Predigt und Party präsent sind. Vieles könne traurig sein, sagt Lady Bird in einer der nuancierten Momentaufnahmen, hinter deren Leichtigkeit ein Abgrund aus Depression, Suizid, Drogensucht und Gewalt lauert. Vor diesem bedrückenden Hintergrund sind die flüchtigen Episoden Mosaiksteine, so ungeschliffen wie die Charaktere, deren Zusammengehörigkeit erst die Distanz erkennbar macht.
Regie und Drehbuch: Greta Gerwig, Darsteller: Saoirse Ronan, Odeya Rush, Danielle Macdonald, Jordan Rodrigues, Laurie Metcalf, Lucas Hedges, Jake McDorman, Timothée Chalamet, Filmlänge: 93 Minuten, Kinostart: 19.04.2018