Als bei einer U-Bahn-Fahrt ein heller Bereich am Fenster vorbeiblitzte entwickelte Oliver Boberg die Idee für ein außergewöhnliches Fotoprojekt: er suchte Flucht- und Versorgungsschächte, Luft- und Lichtschächte im unterirdischen System unserer Städte auf, von denen die wenigsten Menschen eine Vorstellung haben dürften. Seine Bilder werden ab 11. September in der Frankfurter L.A. Galerie ausgestellt.
Ausstellungsbeschreibung
Die Idee zu Orten, die von so viel Dunkelheit geprägt sind, kam mir in der U-Bahn in München. Als ich in Gedanken versunken in einem Zug saß, blitzte im Bruchteil einer Sekunde ein heller Bereich am Fenster vorbei. Ohne ihn direkt gesehen oder erkannt zu haben, hatte mein inneres Auge ein Bild von dem Ort. Es muss ein Luftschacht gewesen sein, denn ich erinnere mich an einen deutlichen Einfall von Tageslicht. Mir wurde bewusst, dass wir als Normalbürger von dieser Art Un-Orten keine wirkliche Vorstellung haben, obwohl uns klar ist, dass es Fluchtschächte, Versorgungsschächte und Luft-, bzw. Lichtschächte im unterirdischen System der U-Bahnen gibt. (…)
Natürlich sind diese Orte wesentlich dramatischer als alles, was ich vorher gemacht hatte. In den ersten Versionen der „Schächte“ gab es sogar die obligatorischen blauen Notfalllichter jenseits der äußeren Bildränder. Da diese den Orten eine viel stärkere Bühnenhaftigkeit verliehen, ließ ich sie weg. Dadurch wirkten diese erfundenen Schächte mit einem Mal viel glaubwürdiger. (…)
Jeder „Schacht“ hat sein eigenes Thema: es gibt den Flucht-, den Licht-, bzw. Luft- und den Rettungsschacht. Allen dreien ist aber der Ortsaufbau (und das ist gleichzeitig der Bildaufbau) gemeinsam: bei einem quadratischen Bildformat stehen wir sozusagen auf den Schienen der U-Bahn. Dabei zieht sich im unteren Bildfünftel der nahezu parallel zum unteren Bildrand verlaufende und real parallel zu den Schienen verlaufende Fluchtweg an der Wand entlang. Im Bildzentrum öffnet sich diese Wand dann zum jeweiligen Bildthema hin. Hier gibt es die unterschiedlichsten Arten von Lichteinfall: über Treppen, direkt von oben an Wänden, über eine schräge Ebene ins Dunkle. Beim Bauen und Testen fiel mir auf, dass zwar das Licht von oben in den dunklen Raum hinein einfällt, dass sich unser Blick aber unwillkürlich aus dem Dunklen heraus zum Licht hinaus bewegt. In jedem Schacht gibt es vergleichbare Momente, sozusagen zur Orientierung: die Handläufe, die Kabel und einen Lichtschalter.
Es ist ja zunächst kaum etwas zu erkennen in den Leuchtkästen; als Betrachterin/Betrachter soll einem zuerst nur auffallen, dass die Tageslichtflächen leuchten, bzw. ein helleres Weiß darstellen, als z.B. die Wand, an der der Kasten hängt. Ich habe deshalb darauf geachtet, dass die Leuchtkästen so eingerichtet werden, dass die dunkleren Stellen, also ca. drei Viertel eines Motivs, dieselbe Präsenz bekommen wie ein einfacher Print. Diese besondere Qualität auszukosten war der Antrieb statt Fotoprints oder Inkjetprints Leuchtkästen zu machen. Hier kann die Dunkelheit sanft leuchten, um dem Tageslicht eine besondere Brillanz zu geben. Man merkt, dass es mindestens genau so sehr um Dunkelheit geht wie um Licht. Mir gefällt es, wenn das Licht auf Flächen Übergänge und Strukturen malt. Deshalb gibt es in den Motiven immer genug Flächen, an denen das Licht malen kann. Sogar in den dunklen Bereichen wird gemalt. Hier malt die Zeit.
(Oliver Boberg)
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Wann und wo
L.A. Galerie Lothar Albrecht
Domstraße 6
60311 Frankfurt
11. September – 14. November 2015
Eröffnung am 11. September 2015 von 18 bis 22 Uhr
Der Künstler ist anwesend