Jaja, scho guet, das glaubed mer ja. Nicht so gute Strassen sind ja nichts neues. Dummerweise heisst "nicht so gut" hier in Peru eher katastrohal. Diese "Strasse" nach Ayacucho war mit Abstand das Schlimmste, was wir je befahren haben, die Bachbett-Strasse auf der Lagunenroute inbegriffen. Malissimo und polvissimo wäre der hier eher zutreffende Begiff bewesen.
Aber von vorne: Am 30. Juli verliessen wir Andahuaylas und genossen erst mal das leichte Gefälle. Wir fuhren durch das Dörfli Talavera, was für mich ehe nach Bünderland als nach Peru klingt. Dann begann wieder einmal der Ernst des Velofahrens, d.h. die Steigung zum nächsten Pass, der etwa 4'200 m hohen Abra Soracocha, wobei wir auf einer Höhe von ca. 2'900 m starteten, also nur etwa eine halbe Portion.
Die Strasse begann schmal und steil und es war schon am frühen Morgen sonnig und heiss. Eine höchst unglückliche Mischung. Zu allem "Übel" waren die Leute auf jenen Kilometern wenn auch nicht direkt unfreundlich, aber doch extrem gleichgültig und ignorierten uns total. Ein Bischen höher oben wurden wir schon wieder mit Lächeln und anfeuernden Zurufen begrüsst. Im ersten grösseren Dorf, Moyabamba, umringte uns eine Schar Kinder, die uns Löcher in den Bauch fragten. Von wo wir kämen und wohin wir unterwegs seien, ob wir Ersatzteile dabei hätten und was wir bei einem Platten machen etc. etc. Ganz stolz erzählten sie uns auch, dass die grosse Baustelle im Dorf ihr neues Schulhaus sei, das nächstes Jahr eingeweiht würde. Das war wieder einmal der Moment, Fotos zu machen und den Namen ihres Lehrers und des Dorfes aufzuschreiben und zu versprechen, die Fotos zu schicken.
Als wir es geschafft hatten, weiterzufahren, erreichten wir kurz darauf das nächste, noch grössere Dorf Nueva Esperanza. Dort gab es ein richtiges Dorfleben mit Markt, Lädelis und, wer sagt's denn, einem Saftstand. Grund genug zu einer weiteren Pause. Auch in diesem Ort waren die Leute wieder sehr interessiert und nutzten unseren kurzen Aufenthalt um etwas mehr über die radelnden Gringas zu erfahren.
Wegen den Bauarbeiten ging es auf einem Desvío, einer Umleitung weiter. "Se van a dar la vueeelta" wurden wir gewarnt. Das klang nach einem Riesenumweg und wir machten uns schon auf mindestens 20 km zusätzlich gefasst. Die Vueeelta stellte sich aber als winzige Umleitung von wenigen Kilometern heraus. Die Bus- und Lastwagenfahrer dort waren sehr hilfsbereit und richtig besorgt um die beiden Damen und erklärten uns wiederholt ungefragt den Weg nach Ayacucho, damit wir uns auch ja nicht verirrten. Sehr nett, aber die Umleitung war eigentlich unperuanisch gut beschildert.
Ich war ja vor der Unanständigkeit der Bauarbeiter gewarnt worden, und dass sie mit der Zeit extrem lästig würden. Nicht bei uns. Wir wurden freundlich gegrüsst, manchmal wurden ein paar Fragen gestellt, und die Lastwagenfahrer waren sogar rücksichtsvoll, was uns bisher noch kaum je passiert ist. Anscheinend muss die Baustelle und die dort arbeitenden Männer aber doch irgendwie tödlich gefährlich sein. Jedenfall implizierten das die dort verwendeten Absperrbänder.
Am späteren Nachmittag fragten wir ein paar Arbeiter, ob es weiter oben Wasser und flache, zum campen geeignete Orte gäbe. Nein, Wasser gäbe es keines mehr, aber wir sollen doch unsere Flaschen bei ihrem Kanister füllen. Ok, vielen Dank, das nahmen wir natürlich gerne an. Den Campplatz fanden wir kurz darauf neben vielen Erdhaufen, die uns vor Wind und unerwünschten Blicken schützten. Da dort auch Baumaschinen übernachteten, war der Platz sogar bewacht. Wahrer Luxus.
Wir befanden uns auf über 4'200 m und die Nacht und vor allem der Morgen wurden ganz schön kühl und wir standen ein wenig später auf als sonst. Als wir gerade am Zelt aufräumen waren, kam ein Maschinist zu uns herüber um etwas zu schwatzen und uns wieder Wasser anzubieten. Da das so nett ist und wir nur noch etwa drei Kilometer bis zur Passhöhe hatten, füllten wir alle Flaschen auf.
Die Abfahrt, auf die wir uns so gefreut hatten, wurde dann allerdings ein Bischen ein Murks. Die Strasse war schlecht und wir konnten nie so richtig sausen lassen. Aber Hauptsache abwärts. Am ersten Dorf, Uripa fuhren wir vobei in der Absicht, unsere Vorräte im nächsten Ort, Chincheros, aufzufüllen. Das hat nur halbwegs geklappt, da der Markt in Chincherso recht verlassen war und es nur winzige, nicht sonderlich gut sortierte Läden gab. Aber da wir schon am nächsten Tag durch weitere Dörfer kommen würden, war das nicht weiter tragisch.
Landschaft im Tal unterhalb Chincheros
Je weiter ins Tal wir kamen, umso heisser wurde es und wir hielten Ausschau nach dem nächsten Dorf, wo es hoffentlich ein kühles Cola gäbe. Das Dorf fanden wir, das Cola auch, aber leider lauwarm. Für Martina kein Problem, für mich untrinkbar. Umso happier, als wir nach ein paar weiteren Kilometern ein kleines Lädeli mit Glacés fanden. Das Lúcuma-Cornet konnte zwar nicht mit dem selbstgemachten Glacé vor Curahuasi mithalten, kam aber trotzdem gerade richtig. Auch die Leute, die vor dem Haus sassen, waren interessant. Einer der Männer wusste sogar, dass das IKRK in der Schweiz gegründet wurde. Wow, der Durchschnittsperuaner weiss nicht, wo die Schweiz liegt, und hier weiss man, dass sie das Ursprungsland des Roten Kreuzes ist!
Und weiter ging's. Wir verschmachteten fast und waren überglücklich, als wir einen kleinen Bach fanden, wo wir die T-Shirts nass machen konnten. Allerdings kühlte das nur ein paar läppische Minütchen, dann war alles wieder trocken. Wir befanden uns auf etwa 2'000 m, was hier sehr tropisch ist.
Auf der Suche nach einem Platz zum übernachten, fuhren wir auf einem Sandweg zum Flussbett hinunter. Wegen vielen Dornbüschen suchten wir unser Camp sorgfälltig und mit genug Abstand zu den Büschen aus. Dachten wir jedenfalls. Dass die ganze offene Fläche mit kleinen Dörnlein bestreut war, merkten wir erst, als es zu spät zum weiterfahren war. Martina hatte das Zelt schon aufgestellt und ich war gerade am Flicken eines Platten, den mir ein grössere Dorn zugefügt hatte. Diese Nacht schliefen wir nicht sehr gut, da wir uns nicht trauten, die aufblasbaren Matten auf diesen Boden zu legen.
Río Pampas, an dessen dornigem Ufer wir gecampt hatten
Als wir am Morgen wieder auf der Stasse waren, checkten wir unsere Reife sehr sorgfältig, zu unserer Erleichterung fanden wir aber keine Dornen mehr und wir hatten tatsächlich auch keine weiteren Platten. Nach ein paar kurzen Minuten hatten wir den Río Pampas erreicht, überquerten die Brücke und begannen die letzten 2'300 Höhenmeter vor Ayacucho. Hier war die Umgebung zur Abwechslung wieder einmal interessant. An Stelle der üblichen Felder war die Landschaft schroff mit felsigen Abbrüchen, die anschliessenden Hügel waren mit baum- und buschartigen Kakteen und Dornbäumen bewachsen.
Natürlich war es dort unten warm, da der Himmel aber leicht verschleiert war, schwitzten wir noch nicht so krass wie auch schon in solch tiefen Lagen. Die wilde, unbewirtschaftete Natur gefiel mir und die Steigung war auch nicht übertrieben. Weiter oben sahen wir dann wieder Felden und nette Leute, die uns zuwinkten. Kurz darauf kamen wir zu einem Haus, wo uns ein vielleicht 10-jähriges Mädchen fragte, ob wir Hunge hätten. Was sie denn zu essen hätte? Suppe. Das waren wohl die Überreste von dem in Peru üblichen Frühstück.
Obwohl wir gerade erst ein Pack Guetsli gegessen hatten, nahmen wir die Einladung an. So sahen wir auch einmal eines dieser Häuser von innen. Viel zu sehen gab es allerdings nicht, eine Art Schlafstatt aus Bambus, zwei Stück Baumstamm als Hocker und eine Feuerstelle. Und da drin wohnt die ganze Familie? Anscheinend schon. Bald kamen auch die Grossmutter, die Mutter und die Tante vorbei. Natürlich lobten wir die Freundlichkeit und die Kochkünste von Diana, unserer jungen Gastgeberin. Wieder machten wir ein paar Fotos, die wir gestern verschickt haben. Hoffentlich klappt das, die Dame auf der Post war nicht so überzeugt von den Angaben auf dem Umschlag.
Weiter ging's, immer den Berg hinauf, immer weiter. Wie glücklich wir waren als wir kurz vor Mittag in Chumbes, einem nicht mal so kleinen Dorf, ankamen. Dort gab es nämlich wieder einen Saftstand. Bingo! Während wir genüsslich am Röhrli saugten, kam ein Minibus mit einer Gruppe französischen Touristen an, die uns Löcher in den Bauch fragten. Leider war mein Französisch wieder mal auf Tauchstation, entweder Französisch oder Spanisch, beides zusammen ergibt zwangsläufig ein Mischmasch. Die hatten aber einen Führer, der netterweise übersetzte.
Am Nachmittag schafften wir gerade noch gute 10 km bis zum nächsten Dorf, Ocros, wo wir um ca. halb vier ankamen. Eigentlich war das noch etwas früh zum bleiben, andererseits hatten wir gerade etwa 1'200 Höhenmeter hinter uns gebracht, und das auf 34 km. Grund genug für eine Dusche. Und die fanden wir auch, in einem kleinen, unscheinbaren Hostal. Das Wasser hier war wärmer als im Hotel in Andahuaylas, und das in einem Dörfli irgendwo in den Bergen!
Was hier in Peru in vielen Ortschaften ein Thema zu sein scheint, ist die Alphabetisierung der Bevölkerung. An so manch einer Hausmauer stehen Sprüche wie der Untenstehende, dass die Alphabetisierten im Vormarsch seien oder dass der Analphabetismus bald besiegt sei. Zusammen mit der Aufforderung, sich einzuschreiben. Keine Ahnung, ob hier nur die Jugend angesprochen ist, oder ob auch ein Grossmütterli, das lesen und schreiben lernen möchte, in die Schule gehen könnte.
¡Los Alfabetisados avanzan!
Früh am Morgen nahmen wir die nächsten 1'100 Höhenmeter in Angriff. Es war bewölkt und damit nicht so heiss, wie es hätte sein können. Aber immer noch warm genug. Und natürlich staubig, wie immer. Wir schafften eine Kurve um die andere, langsam aber sicher gewannen wir an Höhe. Auf dieser Strecke entging ich knapp dem grausamen Attentat eines etwa kopfgrossen Felsklotzes, der sich aus der Höhe auf mich hinunter stürzte und nur um Haaresbreite verfehlte. Wir diskutierten die Sache kurz und kamen zum Schluss, dass der Stein aus eigenem Antrieb gehandelt haben musste, hier gab es keine Menschen, die fies genug wären, Gringas mit Felsen zu bewerfen. Glück gehabt!
Weiter oben weckten am grauen Wegrand leuchtend gelbe und pinke Blumen unsere Aufmerksamkeit. Die sind bestimmt erst an jenem Morgen aufgegangen, sonst wären sie längst auch grau in grau.
Während wir ganz fasziniert die farbigen Flecken knipsten, rief plötzlich jemand Martinas Namen. Es war einer der Bauarbeiter, die uns zwei Tage vorher auf der Abra Soracocha am Morgen Wasser gegeben hatten. Er war mit dem Bus auf dem Weg zu einer anderen Baustelle, wo anscheinend besser bezahlt werde. Ein supernetter Mann, wir wünschten ihm viel Glück bei seiner Stellensuche.
Und weiter im Staub, immer aufwärts. Soweit glich der Tag extrem so vielen anderen Tagen seit Cusco. Aufwärts, aufwärts, aufwärts. Die Strasse mal besser, mal schlechter, in den Kurven fast immer mies. Die Tage verschwimmen ineinander, wir brauchen unsere Tagebücher und das Höhenprofil um sie auseinanderzuhalten, die Landschaft hilft nicht viel, sie ist sich ebenfalls sehr ähnlich. Unten im Tal grün, weiter oben braun-gelb mit Mustern der Felder und eine Strasse, die sich den Hang hochwindet und um enge Biegungen schlängelt. Meistens war der Himmel blau, heute grau verhangen.
Repräsentativ für die Landschaft der letzten Tage
Endlich fast oben auf dem Pass gabelte sich die Strasse plötzlich. Und jetzt? Auf der Karte ist das so nicht verzeichnet und die beiden Pisten sehen gleichwertig aus. Wo sind all die Autos und Busse, die uns zuvor stundenlang eingestaubt hatten? Wir warteten etwa eine Viertelstunde um vom Busfahrer die Information zu erhalten, dass beide Strassen nach Ayacucho führten. Ah, den Verdachte hatten wir ja gehegt, die Gewissheit mussten wir aber schon haben. Also weiter, jetzt fast flach über eine Art Hochebene.
Gegen Nachmittag entdeckten wir zwei Rätsel. Einerseits grossflächige Streifen in den Wiesen, die wir uns nicht erklären konnten. Andererseits ebenso grossflächige "Steppenbrände". Wirklich gebrannt schien es zwar nicht zu haben, es sah eher nach einer Art durchmotten aus, an einigen Stellen rauchte die Wiese noch, die schwarze Fläche breitete sich immer noch weiter aus. Die Streifen verwunderten uns, aber dieses Abfackeln der Weiden war schon eher Besorgnis erregend. War das Absicht oder war das natürlichen Ursprungs? Wir wissen es nicht, haben aber auch am nächsten Tag weitere schwarze Flecken in der Landschaft gesehen, teilweise so alt, dass das Gras schon wieder am nachwachsen war.
Wir campten wieder relativ früh in einem Steinbruch, der Schutz vor Wind und sich ausbreitender verkohlter Wiese bot. Um nicht gesehen zu werden, warteten wir mit Zelt aufstellen, bis unser Platz im Schatten war. Bis dahin legten wir uns in die Sonne und genossen das Nichtstun. Interessanterweise war diese Nacht nicht sonderlich kalt, und das obwohl wir uns auf fast 4'300 m befanden. Wir standen etwas später auf als sonst (5.30 Uhr), da uns ja für diesen Tag 20 mehr oder weniger flache Kilometer und dann die 40 km lange Abfahrt nach Ayacucho erwarteten. Easy also.
Kurz nach dem wir losgefahren waren, sahen wir eine Herde Vicuñas, die erste seit der Lagunenroute in Bolivien. Wir hatten sie schon vermisst, die zierlichen Verwandten der Llamas und Alpakas und befürchtet, dass sie in Peru nicht mehr vorkommen, da auch die hohen, entlegenen Regionen relativ dicht bevölkert sind. Am Vortag hatten wir ein einzelnes Vicuña gesehen, das verzweifelt versucht hatte, über einen Zaun zu springen, der aber zu hoch war. Gerade leicht wird ihnen das Leben selbst hier oben im Nirgendwo nicht gemacht.
Was mir auch auffiel auf dieser mit Hügeln und Püggeln gespickten Hoch"ebene", ist, dass recht viele Nebenstrassen von der Hauptstrasse wegführen. Und einfach so zum Spass sind die ja nicht dort, offensichtlich wohnen dort irgendwo Leute in noch einsameren Gegenden. Und wir fühlten uns schon auf der Hauptstrasse wie abgeschnitten von der Welt (durchaus auch im positiven Sinne). Kein Wunder, ist in der Region um Ayacucho die Sprache Quechua noch sehr lebendig, hier in den "Hügeln" konnten den Spaniern die Ausrottung unmöglich gelingen. Möglicherweise führen diese Strässchen zu Leuten, die nicht einmal Spanisch als Zweitsprache sprechen.
Auch an jenem Morgen sahen wir wieder viele Streifenmuster, die die trockene Puna (hochandines Grasland) durchzogen. Dazwischen gab es kreisförmige Steinmauern, wie die Leute sie hier bauen, um ihre Tiere über Nacht einzusperren. Wir sahen aber keine Häuser und fast keine Viecher. Was also hatte es damit auf sich?
Blaue Betonschilder, die auf "Sitios Arqueológigos" hinwiesen, liessen vermuten, dass das irgendwelche Inka-Hinterlassenschaften waren, aber ausser "Zutritt verboten", stand dort nichts schlaues. Bis wir schliesslich die Lösung dieses Rätsels fanden. Offenbar hatten Archäologen begonnen, diese Streifen auszubuddeln, die sich als Bewässerungskanäle entpuppten. Also wäre diese karge Landschaft durchaus fruchtbar oder war es zumindest einmal gewesen. Diese Kanäle durchziehen die halbe Hochebene, das muss sich doch extrem gelohnt haben, diese immense Arbeit in die Region zu stecken.
Und weiter, immer weiter auf einer hier so schmalen Strasse, dass wir jedes Mal anhalten und zur Seite rücken mussten, wenn ein Lastwagen vorbei wollte. Das hatte aber immerhin den Vorteil, dass die auch langsam fahren mussten, um überhaupt vorbeizupassen. Obwohl wir wohl in den Augen der Fahrer Hindernisse waren, grüssten die meisten freundlich und schienen sich nicht gestört zu fühlen.
Dann kamen wir an die nächste Baustelle, wo die Hauptstrasse gesperrt war. Durchfahrt war erst um Mittag wieder möglich. Es war 10 Uhr, also nahmen wir die Umleitung. Die Dame in orange warnte uns noch "Van bien despacio, la carretera es un poco mal", wir sollten langsam fahren, die Strasse sei nicht sehr gut. Ok, das überraschte uns nicht weiter, und wir waren schlechte Strassen mittlerweile ja gewohnt. Was wir aber hier vorfanden, schlug jedem Fass den Boden raus. "Un poco mal", haha! Der Weg war ähnlich wie jener Teil der Lagunenroute, der uns eher an ein steiles Flussbett, denn an eine befahrbare Strasse erinnert hatte. Dort waren das aber vielleicht 100 oder 200 Meter gewesen, hier wollte diese Piste einfach nicht aufhören. Und dazu war sie noch mit mindestens 5 cm Staub bedeckt, teilweise auch mehr. Und sie war auch hier so schmal, dass wir jedes Mal zur Seite jucken mussten, wenn ein Auto vorbeiwollte. Und Bus- und PW-Fahren sind grundsätzlich nicht rücksichtsvoll und wir wurden einmal mehr fast im Minutentakt eingepudert.
Hier gab auch die "Einsteckvorrichtung" meines Rückspiegels den Geist auf. Kein Wunder, aus irgendeinem Grund hat mein Velo mich ab- und in den Staub geworfen und ist natürlich gleichzeitig selber umgekippt, genau auf den Spiegel. Aus einer Verkettung glücklicher Umstände hatte Martina davon aber ein Ersatzteil dabei. Das muss heute noch montiert werden.
Nach ca. 6 km wurde die Strasse leicht besser, ein Zustand der aber bald wieder behoben wurde. Wir holperten mit etwa 7-8 km/h ins Tal hinunter und vermuteten bald, dass es schneller gewesen wäre, 2 Stunden zu warten und auf der Hauptstrasse zu bleiben. Zu spät, da mussten wir jetzt durch. Im kleinen Dorf Chiara assen wir Zmittag und unterhielten einige Dorfbewohner, die sich sehr für die beiden staubigen Gringas interessierten. Danach war die Strasse leicht besser, d.h. nur noch extrem steinig und keinen Deut schneller zu befahren als vorher.
Auch als wir endlich wieder auf die Hauptstrasse stiessen, beschleunigte sich die Sache nicht. Hier mussten wir an diverse Baustellen warten, teilweise bis zu 20 Minuten. Auch hier waren wir wieder die Unterhaltung der Mitwartenden. Als uns jemand nach unserer Route fragte, holte ich die Karte hervor, was einen unerwarteten Effekt hatte. Innert Sekunden waren wir von Neugierigen umringt, die dann angeregt die markierte Strecke diskutierten. Was war nur so spannend an einer Landkarte, gibt es das hier denn nicht?
Irgendwann ging es weiter, die ganze lange Kolonne, die gewartet hatte. Habe ich schon erwähnt, dass wir bis dahin relativ staubig geworden waren? Weil, hier wurde die Sache noch mit viel Liebe zum Detail ausgebessert, für den Fall, dass zuvor noch ein oder zwei Quadratcentimeter staubfrei geblieben wären. Wir waren so staubbedeckt, dass sogar die Dame im Hostal das witzig fand und jedes Mal wenn sie uns sah, grinsen musste. Wir genossen die Dusche dann auch, obwohl das Wasser längst nicht warm, sondern bestenfalls laukalt war.
Plaza de Armas von Ayacucho
In zwölf Tagen haben wir nun vier Viertausender "überfahren", wir haben schöne Landschaft, aber auch viel vom immer gleichen gesehen. Gemaess Höhenprofil erwartet uns bis Huancayo flachere Landschaft im Flusstal, worüber wir nicht unglücklich sind. Der eine Pass, der dann noch kommt, ist keine 4'000 m hoch. Falls jemand unser tägliches Auf und Ab grafisch dargestellt sehen möchte: Panamerica.ch. Unter "Elevation" kann man auf die Streckenabschnitte clicken, dann erscheinen die jeweiligen Höhenprofile, sehr praktische und auch sonst informative Seite.
Aber von vorne: Am 30. Juli verliessen wir Andahuaylas und genossen erst mal das leichte Gefälle. Wir fuhren durch das Dörfli Talavera, was für mich ehe nach Bünderland als nach Peru klingt. Dann begann wieder einmal der Ernst des Velofahrens, d.h. die Steigung zum nächsten Pass, der etwa 4'200 m hohen Abra Soracocha, wobei wir auf einer Höhe von ca. 2'900 m starteten, also nur etwa eine halbe Portion.
Die Strasse begann schmal und steil und es war schon am frühen Morgen sonnig und heiss. Eine höchst unglückliche Mischung. Zu allem "Übel" waren die Leute auf jenen Kilometern wenn auch nicht direkt unfreundlich, aber doch extrem gleichgültig und ignorierten uns total. Ein Bischen höher oben wurden wir schon wieder mit Lächeln und anfeuernden Zurufen begrüsst. Im ersten grösseren Dorf, Moyabamba, umringte uns eine Schar Kinder, die uns Löcher in den Bauch fragten. Von wo wir kämen und wohin wir unterwegs seien, ob wir Ersatzteile dabei hätten und was wir bei einem Platten machen etc. etc. Ganz stolz erzählten sie uns auch, dass die grosse Baustelle im Dorf ihr neues Schulhaus sei, das nächstes Jahr eingeweiht würde. Das war wieder einmal der Moment, Fotos zu machen und den Namen ihres Lehrers und des Dorfes aufzuschreiben und zu versprechen, die Fotos zu schicken.
Als wir es geschafft hatten, weiterzufahren, erreichten wir kurz darauf das nächste, noch grössere Dorf Nueva Esperanza. Dort gab es ein richtiges Dorfleben mit Markt, Lädelis und, wer sagt's denn, einem Saftstand. Grund genug zu einer weiteren Pause. Auch in diesem Ort waren die Leute wieder sehr interessiert und nutzten unseren kurzen Aufenthalt um etwas mehr über die radelnden Gringas zu erfahren.
Wegen den Bauarbeiten ging es auf einem Desvío, einer Umleitung weiter. "Se van a dar la vueeelta" wurden wir gewarnt. Das klang nach einem Riesenumweg und wir machten uns schon auf mindestens 20 km zusätzlich gefasst. Die Vueeelta stellte sich aber als winzige Umleitung von wenigen Kilometern heraus. Die Bus- und Lastwagenfahrer dort waren sehr hilfsbereit und richtig besorgt um die beiden Damen und erklärten uns wiederholt ungefragt den Weg nach Ayacucho, damit wir uns auch ja nicht verirrten. Sehr nett, aber die Umleitung war eigentlich unperuanisch gut beschildert.
Ich war ja vor der Unanständigkeit der Bauarbeiter gewarnt worden, und dass sie mit der Zeit extrem lästig würden. Nicht bei uns. Wir wurden freundlich gegrüsst, manchmal wurden ein paar Fragen gestellt, und die Lastwagenfahrer waren sogar rücksichtsvoll, was uns bisher noch kaum je passiert ist. Anscheinend muss die Baustelle und die dort arbeitenden Männer aber doch irgendwie tödlich gefährlich sein. Jedenfall implizierten das die dort verwendeten Absperrbänder.
Am späteren Nachmittag fragten wir ein paar Arbeiter, ob es weiter oben Wasser und flache, zum campen geeignete Orte gäbe. Nein, Wasser gäbe es keines mehr, aber wir sollen doch unsere Flaschen bei ihrem Kanister füllen. Ok, vielen Dank, das nahmen wir natürlich gerne an. Den Campplatz fanden wir kurz darauf neben vielen Erdhaufen, die uns vor Wind und unerwünschten Blicken schützten. Da dort auch Baumaschinen übernachteten, war der Platz sogar bewacht. Wahrer Luxus.
Wir befanden uns auf über 4'200 m und die Nacht und vor allem der Morgen wurden ganz schön kühl und wir standen ein wenig später auf als sonst. Als wir gerade am Zelt aufräumen waren, kam ein Maschinist zu uns herüber um etwas zu schwatzen und uns wieder Wasser anzubieten. Da das so nett ist und wir nur noch etwa drei Kilometer bis zur Passhöhe hatten, füllten wir alle Flaschen auf.
Die Abfahrt, auf die wir uns so gefreut hatten, wurde dann allerdings ein Bischen ein Murks. Die Strasse war schlecht und wir konnten nie so richtig sausen lassen. Aber Hauptsache abwärts. Am ersten Dorf, Uripa fuhren wir vobei in der Absicht, unsere Vorräte im nächsten Ort, Chincheros, aufzufüllen. Das hat nur halbwegs geklappt, da der Markt in Chincherso recht verlassen war und es nur winzige, nicht sonderlich gut sortierte Läden gab. Aber da wir schon am nächsten Tag durch weitere Dörfer kommen würden, war das nicht weiter tragisch.
Landschaft im Tal unterhalb Chincheros
Je weiter ins Tal wir kamen, umso heisser wurde es und wir hielten Ausschau nach dem nächsten Dorf, wo es hoffentlich ein kühles Cola gäbe. Das Dorf fanden wir, das Cola auch, aber leider lauwarm. Für Martina kein Problem, für mich untrinkbar. Umso happier, als wir nach ein paar weiteren Kilometern ein kleines Lädeli mit Glacés fanden. Das Lúcuma-Cornet konnte zwar nicht mit dem selbstgemachten Glacé vor Curahuasi mithalten, kam aber trotzdem gerade richtig. Auch die Leute, die vor dem Haus sassen, waren interessant. Einer der Männer wusste sogar, dass das IKRK in der Schweiz gegründet wurde. Wow, der Durchschnittsperuaner weiss nicht, wo die Schweiz liegt, und hier weiss man, dass sie das Ursprungsland des Roten Kreuzes ist!
Und weiter ging's. Wir verschmachteten fast und waren überglücklich, als wir einen kleinen Bach fanden, wo wir die T-Shirts nass machen konnten. Allerdings kühlte das nur ein paar läppische Minütchen, dann war alles wieder trocken. Wir befanden uns auf etwa 2'000 m, was hier sehr tropisch ist.
Auf der Suche nach einem Platz zum übernachten, fuhren wir auf einem Sandweg zum Flussbett hinunter. Wegen vielen Dornbüschen suchten wir unser Camp sorgfälltig und mit genug Abstand zu den Büschen aus. Dachten wir jedenfalls. Dass die ganze offene Fläche mit kleinen Dörnlein bestreut war, merkten wir erst, als es zu spät zum weiterfahren war. Martina hatte das Zelt schon aufgestellt und ich war gerade am Flicken eines Platten, den mir ein grössere Dorn zugefügt hatte. Diese Nacht schliefen wir nicht sehr gut, da wir uns nicht trauten, die aufblasbaren Matten auf diesen Boden zu legen.
Río Pampas, an dessen dornigem Ufer wir gecampt hatten
Als wir am Morgen wieder auf der Stasse waren, checkten wir unsere Reife sehr sorgfältig, zu unserer Erleichterung fanden wir aber keine Dornen mehr und wir hatten tatsächlich auch keine weiteren Platten. Nach ein paar kurzen Minuten hatten wir den Río Pampas erreicht, überquerten die Brücke und begannen die letzten 2'300 Höhenmeter vor Ayacucho. Hier war die Umgebung zur Abwechslung wieder einmal interessant. An Stelle der üblichen Felder war die Landschaft schroff mit felsigen Abbrüchen, die anschliessenden Hügel waren mit baum- und buschartigen Kakteen und Dornbäumen bewachsen.
Natürlich war es dort unten warm, da der Himmel aber leicht verschleiert war, schwitzten wir noch nicht so krass wie auch schon in solch tiefen Lagen. Die wilde, unbewirtschaftete Natur gefiel mir und die Steigung war auch nicht übertrieben. Weiter oben sahen wir dann wieder Felden und nette Leute, die uns zuwinkten. Kurz darauf kamen wir zu einem Haus, wo uns ein vielleicht 10-jähriges Mädchen fragte, ob wir Hunge hätten. Was sie denn zu essen hätte? Suppe. Das waren wohl die Überreste von dem in Peru üblichen Frühstück.
Obwohl wir gerade erst ein Pack Guetsli gegessen hatten, nahmen wir die Einladung an. So sahen wir auch einmal eines dieser Häuser von innen. Viel zu sehen gab es allerdings nicht, eine Art Schlafstatt aus Bambus, zwei Stück Baumstamm als Hocker und eine Feuerstelle. Und da drin wohnt die ganze Familie? Anscheinend schon. Bald kamen auch die Grossmutter, die Mutter und die Tante vorbei. Natürlich lobten wir die Freundlichkeit und die Kochkünste von Diana, unserer jungen Gastgeberin. Wieder machten wir ein paar Fotos, die wir gestern verschickt haben. Hoffentlich klappt das, die Dame auf der Post war nicht so überzeugt von den Angaben auf dem Umschlag.
Weiter ging's, immer den Berg hinauf, immer weiter. Wie glücklich wir waren als wir kurz vor Mittag in Chumbes, einem nicht mal so kleinen Dorf, ankamen. Dort gab es nämlich wieder einen Saftstand. Bingo! Während wir genüsslich am Röhrli saugten, kam ein Minibus mit einer Gruppe französischen Touristen an, die uns Löcher in den Bauch fragten. Leider war mein Französisch wieder mal auf Tauchstation, entweder Französisch oder Spanisch, beides zusammen ergibt zwangsläufig ein Mischmasch. Die hatten aber einen Führer, der netterweise übersetzte.
Am Nachmittag schafften wir gerade noch gute 10 km bis zum nächsten Dorf, Ocros, wo wir um ca. halb vier ankamen. Eigentlich war das noch etwas früh zum bleiben, andererseits hatten wir gerade etwa 1'200 Höhenmeter hinter uns gebracht, und das auf 34 km. Grund genug für eine Dusche. Und die fanden wir auch, in einem kleinen, unscheinbaren Hostal. Das Wasser hier war wärmer als im Hotel in Andahuaylas, und das in einem Dörfli irgendwo in den Bergen!
Was hier in Peru in vielen Ortschaften ein Thema zu sein scheint, ist die Alphabetisierung der Bevölkerung. An so manch einer Hausmauer stehen Sprüche wie der Untenstehende, dass die Alphabetisierten im Vormarsch seien oder dass der Analphabetismus bald besiegt sei. Zusammen mit der Aufforderung, sich einzuschreiben. Keine Ahnung, ob hier nur die Jugend angesprochen ist, oder ob auch ein Grossmütterli, das lesen und schreiben lernen möchte, in die Schule gehen könnte.
¡Los Alfabetisados avanzan!
Früh am Morgen nahmen wir die nächsten 1'100 Höhenmeter in Angriff. Es war bewölkt und damit nicht so heiss, wie es hätte sein können. Aber immer noch warm genug. Und natürlich staubig, wie immer. Wir schafften eine Kurve um die andere, langsam aber sicher gewannen wir an Höhe. Auf dieser Strecke entging ich knapp dem grausamen Attentat eines etwa kopfgrossen Felsklotzes, der sich aus der Höhe auf mich hinunter stürzte und nur um Haaresbreite verfehlte. Wir diskutierten die Sache kurz und kamen zum Schluss, dass der Stein aus eigenem Antrieb gehandelt haben musste, hier gab es keine Menschen, die fies genug wären, Gringas mit Felsen zu bewerfen. Glück gehabt!
Weiter oben weckten am grauen Wegrand leuchtend gelbe und pinke Blumen unsere Aufmerksamkeit. Die sind bestimmt erst an jenem Morgen aufgegangen, sonst wären sie längst auch grau in grau.
Während wir ganz fasziniert die farbigen Flecken knipsten, rief plötzlich jemand Martinas Namen. Es war einer der Bauarbeiter, die uns zwei Tage vorher auf der Abra Soracocha am Morgen Wasser gegeben hatten. Er war mit dem Bus auf dem Weg zu einer anderen Baustelle, wo anscheinend besser bezahlt werde. Ein supernetter Mann, wir wünschten ihm viel Glück bei seiner Stellensuche.
Und weiter im Staub, immer aufwärts. Soweit glich der Tag extrem so vielen anderen Tagen seit Cusco. Aufwärts, aufwärts, aufwärts. Die Strasse mal besser, mal schlechter, in den Kurven fast immer mies. Die Tage verschwimmen ineinander, wir brauchen unsere Tagebücher und das Höhenprofil um sie auseinanderzuhalten, die Landschaft hilft nicht viel, sie ist sich ebenfalls sehr ähnlich. Unten im Tal grün, weiter oben braun-gelb mit Mustern der Felder und eine Strasse, die sich den Hang hochwindet und um enge Biegungen schlängelt. Meistens war der Himmel blau, heute grau verhangen.
Repräsentativ für die Landschaft der letzten Tage
Endlich fast oben auf dem Pass gabelte sich die Strasse plötzlich. Und jetzt? Auf der Karte ist das so nicht verzeichnet und die beiden Pisten sehen gleichwertig aus. Wo sind all die Autos und Busse, die uns zuvor stundenlang eingestaubt hatten? Wir warteten etwa eine Viertelstunde um vom Busfahrer die Information zu erhalten, dass beide Strassen nach Ayacucho führten. Ah, den Verdachte hatten wir ja gehegt, die Gewissheit mussten wir aber schon haben. Also weiter, jetzt fast flach über eine Art Hochebene.
Gegen Nachmittag entdeckten wir zwei Rätsel. Einerseits grossflächige Streifen in den Wiesen, die wir uns nicht erklären konnten. Andererseits ebenso grossflächige "Steppenbrände". Wirklich gebrannt schien es zwar nicht zu haben, es sah eher nach einer Art durchmotten aus, an einigen Stellen rauchte die Wiese noch, die schwarze Fläche breitete sich immer noch weiter aus. Die Streifen verwunderten uns, aber dieses Abfackeln der Weiden war schon eher Besorgnis erregend. War das Absicht oder war das natürlichen Ursprungs? Wir wissen es nicht, haben aber auch am nächsten Tag weitere schwarze Flecken in der Landschaft gesehen, teilweise so alt, dass das Gras schon wieder am nachwachsen war.
Wir campten wieder relativ früh in einem Steinbruch, der Schutz vor Wind und sich ausbreitender verkohlter Wiese bot. Um nicht gesehen zu werden, warteten wir mit Zelt aufstellen, bis unser Platz im Schatten war. Bis dahin legten wir uns in die Sonne und genossen das Nichtstun. Interessanterweise war diese Nacht nicht sonderlich kalt, und das obwohl wir uns auf fast 4'300 m befanden. Wir standen etwas später auf als sonst (5.30 Uhr), da uns ja für diesen Tag 20 mehr oder weniger flache Kilometer und dann die 40 km lange Abfahrt nach Ayacucho erwarteten. Easy also.
Kurz nach dem wir losgefahren waren, sahen wir eine Herde Vicuñas, die erste seit der Lagunenroute in Bolivien. Wir hatten sie schon vermisst, die zierlichen Verwandten der Llamas und Alpakas und befürchtet, dass sie in Peru nicht mehr vorkommen, da auch die hohen, entlegenen Regionen relativ dicht bevölkert sind. Am Vortag hatten wir ein einzelnes Vicuña gesehen, das verzweifelt versucht hatte, über einen Zaun zu springen, der aber zu hoch war. Gerade leicht wird ihnen das Leben selbst hier oben im Nirgendwo nicht gemacht.
Was mir auch auffiel auf dieser mit Hügeln und Püggeln gespickten Hoch"ebene", ist, dass recht viele Nebenstrassen von der Hauptstrasse wegführen. Und einfach so zum Spass sind die ja nicht dort, offensichtlich wohnen dort irgendwo Leute in noch einsameren Gegenden. Und wir fühlten uns schon auf der Hauptstrasse wie abgeschnitten von der Welt (durchaus auch im positiven Sinne). Kein Wunder, ist in der Region um Ayacucho die Sprache Quechua noch sehr lebendig, hier in den "Hügeln" konnten den Spaniern die Ausrottung unmöglich gelingen. Möglicherweise führen diese Strässchen zu Leuten, die nicht einmal Spanisch als Zweitsprache sprechen.
Auch an jenem Morgen sahen wir wieder viele Streifenmuster, die die trockene Puna (hochandines Grasland) durchzogen. Dazwischen gab es kreisförmige Steinmauern, wie die Leute sie hier bauen, um ihre Tiere über Nacht einzusperren. Wir sahen aber keine Häuser und fast keine Viecher. Was also hatte es damit auf sich?
Blaue Betonschilder, die auf "Sitios Arqueológigos" hinwiesen, liessen vermuten, dass das irgendwelche Inka-Hinterlassenschaften waren, aber ausser "Zutritt verboten", stand dort nichts schlaues. Bis wir schliesslich die Lösung dieses Rätsels fanden. Offenbar hatten Archäologen begonnen, diese Streifen auszubuddeln, die sich als Bewässerungskanäle entpuppten. Also wäre diese karge Landschaft durchaus fruchtbar oder war es zumindest einmal gewesen. Diese Kanäle durchziehen die halbe Hochebene, das muss sich doch extrem gelohnt haben, diese immense Arbeit in die Region zu stecken.
Und weiter, immer weiter auf einer hier so schmalen Strasse, dass wir jedes Mal anhalten und zur Seite rücken mussten, wenn ein Lastwagen vorbei wollte. Das hatte aber immerhin den Vorteil, dass die auch langsam fahren mussten, um überhaupt vorbeizupassen. Obwohl wir wohl in den Augen der Fahrer Hindernisse waren, grüssten die meisten freundlich und schienen sich nicht gestört zu fühlen.
Dann kamen wir an die nächste Baustelle, wo die Hauptstrasse gesperrt war. Durchfahrt war erst um Mittag wieder möglich. Es war 10 Uhr, also nahmen wir die Umleitung. Die Dame in orange warnte uns noch "Van bien despacio, la carretera es un poco mal", wir sollten langsam fahren, die Strasse sei nicht sehr gut. Ok, das überraschte uns nicht weiter, und wir waren schlechte Strassen mittlerweile ja gewohnt. Was wir aber hier vorfanden, schlug jedem Fass den Boden raus. "Un poco mal", haha! Der Weg war ähnlich wie jener Teil der Lagunenroute, der uns eher an ein steiles Flussbett, denn an eine befahrbare Strasse erinnert hatte. Dort waren das aber vielleicht 100 oder 200 Meter gewesen, hier wollte diese Piste einfach nicht aufhören. Und dazu war sie noch mit mindestens 5 cm Staub bedeckt, teilweise auch mehr. Und sie war auch hier so schmal, dass wir jedes Mal zur Seite jucken mussten, wenn ein Auto vorbeiwollte. Und Bus- und PW-Fahren sind grundsätzlich nicht rücksichtsvoll und wir wurden einmal mehr fast im Minutentakt eingepudert.
Hier gab auch die "Einsteckvorrichtung" meines Rückspiegels den Geist auf. Kein Wunder, aus irgendeinem Grund hat mein Velo mich ab- und in den Staub geworfen und ist natürlich gleichzeitig selber umgekippt, genau auf den Spiegel. Aus einer Verkettung glücklicher Umstände hatte Martina davon aber ein Ersatzteil dabei. Das muss heute noch montiert werden.
Nach ca. 6 km wurde die Strasse leicht besser, ein Zustand der aber bald wieder behoben wurde. Wir holperten mit etwa 7-8 km/h ins Tal hinunter und vermuteten bald, dass es schneller gewesen wäre, 2 Stunden zu warten und auf der Hauptstrasse zu bleiben. Zu spät, da mussten wir jetzt durch. Im kleinen Dorf Chiara assen wir Zmittag und unterhielten einige Dorfbewohner, die sich sehr für die beiden staubigen Gringas interessierten. Danach war die Strasse leicht besser, d.h. nur noch extrem steinig und keinen Deut schneller zu befahren als vorher.
Auch als wir endlich wieder auf die Hauptstrasse stiessen, beschleunigte sich die Sache nicht. Hier mussten wir an diverse Baustellen warten, teilweise bis zu 20 Minuten. Auch hier waren wir wieder die Unterhaltung der Mitwartenden. Als uns jemand nach unserer Route fragte, holte ich die Karte hervor, was einen unerwarteten Effekt hatte. Innert Sekunden waren wir von Neugierigen umringt, die dann angeregt die markierte Strecke diskutierten. Was war nur so spannend an einer Landkarte, gibt es das hier denn nicht?
Irgendwann ging es weiter, die ganze lange Kolonne, die gewartet hatte. Habe ich schon erwähnt, dass wir bis dahin relativ staubig geworden waren? Weil, hier wurde die Sache noch mit viel Liebe zum Detail ausgebessert, für den Fall, dass zuvor noch ein oder zwei Quadratcentimeter staubfrei geblieben wären. Wir waren so staubbedeckt, dass sogar die Dame im Hostal das witzig fand und jedes Mal wenn sie uns sah, grinsen musste. Wir genossen die Dusche dann auch, obwohl das Wasser längst nicht warm, sondern bestenfalls laukalt war.
Plaza de Armas von Ayacucho
In zwölf Tagen haben wir nun vier Viertausender "überfahren", wir haben schöne Landschaft, aber auch viel vom immer gleichen gesehen. Gemaess Höhenprofil erwartet uns bis Huancayo flachere Landschaft im Flusstal, worüber wir nicht unglücklich sind. Der eine Pass, der dann noch kommt, ist keine 4'000 m hoch. Falls jemand unser tägliches Auf und Ab grafisch dargestellt sehen möchte: Panamerica.ch. Unter "Elevation" kann man auf die Streckenabschnitte clicken, dann erscheinen die jeweiligen Höhenprofile, sehr praktische und auch sonst informative Seite.