Kunststandpunkte – ein Zwiegespräch

Mein letzter Blog-Post hat zu regen Diskussionen geführt … nicht nur hier, sondern auch auf Google+, per E-Mail und sogar in Telefonaten. Kunst und deren Bewertung lässt die Herzen höher schlagen. Das BDSM-Sujet meines gezeigten Bildes ist nur ein Auslöser, geht es doch grundsätzlich um Kunst. Gleichwohl ist es ein exemplarisches Zeichen für unsere aktuelle Gesellschaftsstruktur und Denkweise. Vorgestern habe ich eine E-Mail von eb bekommen. Eigentlich wollte er einen eigenen Post auf seinem Blog machen, traute sich dann doch nicht, weil er kein Porzellan zerschlagen wollte. Nachdem ich ein wenig nachgedacht habe kam mein Entschluss … lass uns eine Art Zwiegespräch führen.

Zunächst ein kleiner Joke von eb, den er eigentlich den Abschluss seines Blog-Posts bringen wollte. Für mich ist er jedoch eine grandiose Einleitung zum Thema und unserem Zwiegespräch.
(Kleiner Joke, aber aus dem Herzen) Ich überlege mir gerade, ob ich mit meiner Nicht-Kunst und Hang zum sadistischen Comicfetischismus, Daisy und Donald Duck, gemeinsam und gleichberechtigt in den BDSM-Kerker hänge. Die Ketten entsprechend geschmacklos noch rosa und blau einzufärben, würde mir ganz besonders viel sinnliche Freude bereiten. Das ist das Schöne daran. Sie werden mich vielleicht in der Luft zerreißen. Sie werden mich geschmacklos nennen, sadistisch, masochistisch, sexistisch, – einen Entenquäler. Aber keiner dieser Funktionalisten des eigenen Geschmacks, wird mich daran hindern können. Geschweige denn, dass ich von seiner Meinung abhängig bin.
Treffer, versenkt! Hier wurde der Nagel auf den Kopf getroffen. Funktionalisten des eigenen Geschmacks (eine herrliche Umschreibung) neigen zur Erstellung von Regulativen, deren Allgemeingültigkeit gerne über den persönlichen Wirkungsbereich hinaus ausgeweitet werden. Aber neigen wir nicht alle dazu, in dieser Art mit unserer Umwelt umzugehen? Ich sehe etwas, nehme es auf, es gefällt oder missfällt mir und das drücke ich dann aus, sage das, teile es mit. Alles sehr normal und menschlich. Als Urinstinkt verankert, diente das Mitteilen von Bedenken ursprünglich als Warnfunktion vor Gefahren. Heute, in einer verhältnismäßig gefahrlosen Umwelt, werden diese Urinstinkte auch auf harmlose Dinge ausgeweitet. Und hier sind wir beim BDSM. Es klingt gefährlich, Schmerz und Unterwerfung spielt im gewissen Rahmen eine Rolle, also ist es legitim eine Warnung auszusprechen. Egal, ob tatsächlich Gefahr im Verzug ist oder nicht. Darüber, ob tatsächlich Gefahren entstehen, wird man nur aus eigenen Erfahrungen heraus beurteilen können. Entwarnung wird aber weniger intensiv wahrgenommen als eine Warnung. Wieder ein Urinstinkt.

BDSM ist ein weites Feld. Man kann sich jahrelang damit befassen und doch nur einen Bruchteil dessen wissen, ganz zu schweigen erleben, was da alles (natürlich save und sicher) möglich ist. Und ganz klar, es ist nicht Jedermanns Ding. Auch eb sagt dazu: Über so schlüpfrige Sachen wie BDSM, kann man sich möglicherweise bis zum Ultimo streiten. Involvierte, vermeiden dies wohl eher. Scheint auch nicht die Art von Spaß zu sein, den sie dabei haben wollen. Und so viel ich weiß, hat das nichts mit ungesetzlichen Sachen zu tun. Und zudem auch mit erwachsenen Menschen. Müsste ich eigentlich aus purer Ahnungslosigkeit die Klappe drüber halten, wenn es nicht um etwas ganz anderes ginge. Etwas, was auch eines der Kernthemen dieses blogs hier ist. Irgendjemand, meinte die weibliche Deutungshoheit zu besitzen, Fotografien als diskriminierend beurteilen zu müssen, die schwer sensibel lediglich Andeutungen zeigen. Und wie das so ist bei Männern, fotografieren die nun mal lieber Mädels. Im normalen Gespräch, kann man hier ruhig die Fetzen fliegen lassen. Blöderweise, entscheidet hier aber die Deutungshoheit, immerhin in beruflicher Stellung und mit akademischen Hintergrund, über das Werk eines Künstlers. Und genau dies, ist diese subjektive Objektivität einer Pseudowissenschaft, die eigentlich kein Mensch braucht, aber deren Bewertungskriterien ständig die tragende Rolle in der Kunst spielen.
Ich gehe sogar noch weiter. BDSM hat immer zwei Seiten: Eine Ausübende und eine Duldende. Beide ziehen daraus ihre Lust und Befriedigung. Aus diesem Grund kann es eigentlich niemals zu einer diskriminierenden Handlung, respektive Darstellung, kommen. Ob die duldende Seite, im Sprachgebrauch der BDSM’ler auch Sub genannt (das kommt von Submission, also Unterwerfung), nun weiblich oder männlich ist, kommt auf die Konstellation des Paares an. Und ob die ausübende Seite, BDSM’ler sprechen auch von Dom (das ist die Abkürzung Dominanz), nun männlich oder weiblich ist, kommt auch auf den Geschmack des Paares an. Um es noch komplizierter zu machen möchte ich gleich einwenden, dass auch gleichgeschlechtliche BDSM-Handlungen keinesfalls zwingend auf Homosexualität hinweisen. Aber egal, es dreht sich um die Sache und in der aktuellen Quintessenz um ein Bild und genauer gesagt, um eine Fotografie. Ob nun Männer lieber Frauen fotografieren … und umgekehrt … ist auch wieder Geschmacksache, aber keine zwingende Regel. Ganz lax könnte man sagen, der Fotograf nimmt das, was er geboten bekommt. Und im Idealfall macht er daraus Kunst.

Wann kommen wir denn endlich zur Kunstdiskussion? Nur Geduld! Kunst ist das ein Ding, der Darstellungsgegenstand, die Handlung und demzufolge auch die Aussage sind darin eingefügt. Aber niemals sind die einzelnen Bestandteile voneinander trennbar. Und genau hier hakt eb wieder ein. Man muss über BDSM gar nichts verstehen, um im Kürzel neben dem Sado, auch das Maso zu entdecken. Gibt es eine quantitative Verteilung davon, welche sich auf geschlechtsspezifische Diskriminierungen verwenden ließe, wovon eine/r den/die andere/n zu etwas zwingt bzw. diskriminiert, ohne das der/die andere damit nicht einverstanden ist/wäre? Dann muss man sogar unbedingt darüber reden. Diese Diskussion wäre aber dort am sinnvollsten, wo es auch die entsprechenden Leute betrifft. Und nicht nur dort. Eigentlich ist sie überall sinnvoller, – als in der Schublade. Aber wenn das Thema peinlich ist, dann reden wir das Kernthema betreffend, von mir aus über BDSM-Kunst und lassen es von BDSM’lern lösen. Warum nicht?
Wenn man ein wenig in Kunstmagazinen schmökert, dann gewinnt man wahrlich nicht den Eindruck, dass dies etwas ungewöhnliches oder neues ist. Und irgendwie, bekommt das Ding auch etwas schräg doppelmoralines, wenn auf der einen Seite die feinfühligen und lediglich andeutenden Bilder eines FotografEN zur Debatte stehen, während nebendran eine SchriftstellerIN, ohne jede Überlegung in der Richtung, aber mächtig viel Praxis, geradezu Bestsellererfolge feiert. Das ist doch nicht glaubhaft.
Kunst muss glaubhaft sein. Dieser Satz müsste eigentlich in leuchtenden Lettern in luftiger Höhe über all unseren Köpfen schweben. Fast erinnert mich das an 42, den Sinn des Lebens. Irgendwo im Universum soll in leuchtenden Lettern der Sinn des Lebens auf einem geheimen Planeten installiert sein und nur ein Mensch hat dies jemals zu Gesicht bekommen. Leider kann er das, was er gesehen hat, nicht weiter erzählen, weil er seitdem immer nur lachen muss. Das klingt fast wie eine Erkenntnis über das Kunstgeschehen. Nehmen wir Kunst zu ernst? Kann sein. Dann lasst uns mal richtig Fahrt aufnehmen!

Kommen wir aber zum eigentlichen Punkt. Der Satz; “Kunst ist Kommunikation”, ist nicht nur ziemlich sinnlos, wenn man die Möglichkeit zur Kommunikation in der Schublade verschwinden lässt. Sondern ein Werk, – welches fähig ist, in diesem Fall sogar höchst sensibel, eine Diskussion und Kommunikation nicht nur über sich selber, – sondern auch ein gesellschaftliches Thema betreffend zu multiplizieren,- ist keine Handwerkskunst mehr, – sondern erfüllt alle Kriterien der; “bildenden Kunst”. (Anmerk. von mir. Dies ist der springe Punkt, den ihr alle überseht, und weshalb ich die Frau nicht ernst nehmen kann) Und wenn hier Entscheidungsgewalt, mit sogar wissenschaftlichem Background meint, dass das eigene subjektive Unwohlsein ausreicht, um die objektive Selbstreflektion davon soweit zu vergessen, selbstgefällig die mögliche Diskussion aus dem Bauch heraus zu entscheiden, dann ist hier bezüglich der Aufgabenstellung innerhalb der Kunstwissenschaft etwas gnadenlos schief gegangen. Auch der Biologe in der Höhle, kann sich aus subjektiven Gründen durchaus erlauben, einfach zu sagen; “Nööö, der Grottenmolch gefällt mir nicht, – den zeigen wir nicht. Der verschreckt nur die Leute. Außerdem isser’n Zwitter”. Aber dann muss er sich ernsthaft auf seine wissenschaftliche Seriosität untersuchen lassen. Man kann sich nicht den Wissenschaftler umhängen, und dann das Gegenteil davon machen.
Grottenmolch … köstlich! Jetzt kommen wir auch zum Knackpunkt der Kunst- und Kulturwissenschaften. Ein Wissenschaftler ist selten ein Revolutionär. Natürlich, wenn er etwas Außergewöhnliches herausgefunden hat, dann kann er die Wissenschaft revolutionieren … siehe da, die Welt ist keine Scheibe und die Sonne dreht sich nicht im die Erde … wird sich aber trotzdem immer auf beweisbare Tatsachen zurück ziehen. Knallharte Fakten und lückenlose Modelle sind das Arbeitsfeld des Wissenschaftlers. Mich wundert immer wieder, was mathematisch alles beweisbar ist. Aber ist Kunst mathematisch beweisbar? Nein! Zum Glück! Ich bin ja so froh! Kunst wird vom Bauchgefühl bestimmt … jedenfalls zum großen Teil. Ich nehme an, ein Kunstwissenschaftler kann ex post, also im Nachhinein, immer schön begründen, warum etwas vor 100 Jahren zur Kunst wurde. Der Blick in die Zukunft ist dagegen etwas schwieriger. Hier könnte man ein statistisches Modell aufbauen, in dem linear oder irgendwie die Kunstentwicklung vorausgesagt wird. Das nennt man Prognose. Aber gibt es überhaupt die Kunstprognose? Ich glaube nicht. Dafür müsste der Mensch, der ja Kunstkonsument ist, stets linear und vorhersehbar reagieren. Das tut er aber nicht. Ganz im Gegenteil. Und zudem ist jeder Mensch in eine Gesellschaftsstruktur eingebettet, die dann wiederum Einfluss auf den Geschmack des Einzelnen nimmt. So gesehen stehen Kunstwissenschaftler, die aktuelle und zukünftige Kunsteinschätzungen abgeben müssen, auf verlorenem Posten. Jetzt stellt sich die Frage, ob sie (als Person) schon so weit sind, als Revolutionäre zu fungieren und dafür ihre gesamte wissenschaftliche Ausbildung über Bord werfen. Erteile ich nun Absolution für das, was meine BDSM-Kunst ins Aus geschossen hat?

Ich wäre ein schlechter Künstler, wenn ich nicht an meine Kunst glauben würde. Da ist mir vollkommen egal, was eine Kuratorin sagt oder ein paar grundsätzliche Meckerer anzubieten haben. Gleichzeitig wäre ich ein schlechter Künstler, wenn ich nicht verstehen würde, was mir widerfährt. Zudem ist es die Pflicht eines jeden Künstlers, die aktuelle Gesellschaftsausprägung aufzunehmen und zu analysieren. Wenn man Revolutionär sein will, muss man die Richtung kennen. Revolution mitten im Mainstream ist total sinnlos. Aber seine Kunst in den Verkauf zu bringen, ist für Künstler ein nicht unwichtiger Teil. Oftmals geht der Weg ausschließlich über Galerien und hiermit verbunden über Kuratoren, die zum größten Teil mit einer wissenschaftlichen Ausbildung daher kommen. Immerhin, wir reden über Kunst und da sagt sogar die damit befasste Wissenschaft, dass es mehr weiche als harte Faktoren zur Entscheidungsfindung gibt. Und wenn ein Kurator eine Galerie vertritt kann es sogar sein, dass er zwar ein Ding als Kunst anerkennt, aber nicht als verkaufsfähig für die von ihm vertretene Galerie ansieht. Da sind die Akteure des Kunstmarktes wie Börsenmakler, sie schätzen den Wert eines Papiers ein und leben anschließend damit, ob sie die richtige Kauf- oder Nichtkaufentscheidung getroffen haben. Gnadenlos verzocken gehört da wohl auch zum Geschäft.

Das war mein Zwiegespräch mit eb. Der Gedankenaustausch hat mir sehr geholfen. Ganz witzig ist auch, dass bisher noch keine Kaufen-Mail in meinem Postkasten gelandet ist. Bei anderen Bildern sieht das in der Regel vollkommen anders aus. Hier scheint die Kuratorin wohl eine richtige Einschätzung getroffen zu haben … das Bild verkauft sich nicht.

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