Kaum ist Ralf Beil gegangen (worden), schon kommt der neue: Andreas Beitin. Zwei Pressemitteilungen im Abstand von wenigen Tagen, am Freitag und am Dienstag, überspannen und verdecken einen völlig unerwarteten Umbruch im Kunstmuseum Wolfsburg - und eine menschliche Tragödie. Das Kunstmuseum gibt keine Begründung und öffnet damit der Spekulation das Tor weit. Schade, da hätte ich mehr Charakter und Größe erwartet. "Dr. Ralf Beil verlässt das Kunstmuseum Wolfsburg", schon die Überschrift ist eine Verfälschung. Denn seine Initiative war es sicher nicht. Vielsagender ist dann schon der Absatz "Diese Entscheidung wurde nach langen Verhandlungen mit Dr. Beil über die vorzeitige Auflösung seines bis zum 31.1.2020 laufenden Dienstverhältnisses getroffen, da er der einvernehmlichen Aufhebungsvereinbarung nicht zugestimmt hat." Warum lange Verhandlungen? Warum hat er nicht zugestimmt? Vielleicht, weil er die künstlerische Freiheit bedroht sah, die ihm bei Einstellung zugesichert worden war?
"Mit Wirkung zum 14.12.2018 wurde Herr Dr. Beil von seinen Dienstpflichten freigestellt", heißt es außerdem. Warum so eilig?
Spekulation möchte ich es gar nicht einmal nennen, was inzwischen an verschiedenen Stellen zu lesen oder zu hören war - es sind begründete Vermutungen. Der Kunststiftung Volkswagen, an sich unabhängige Trägerin des Museums, ging die künstlerische Freiheit offenbar zu weit. Geplant ist für das Jubiläumsjahr 2019 eine Ausstellung mit der Überschrift "Oil. Schönheit und Schrecken des Erdölzeitalters". Ausschlaggebend für seine Entlassung könne, schreibt faz.net, eine Meinungsverschiedenheit mit der Stiftung über die geplante Öl-Ausstellung sein, "in deren Vorfeld Beil Ende Oktober auch in einem vorbereitenden Symposion auf Licht- und Schattenseiten unseres Petrozäns hingewiesen hatte." "Über Dritte wurde Beil bedeutet, dass man sich vom Museum mehr 'Unterstützung' für den im Abgasskandal ins Kreuzfeuer geratenen Konzern erwartet habe". Aber auch in der Vergangenheit dürfte Ralf Beil bereits beim Autokonzern angeeckt sein, darauf weist beispielsweise die SZ hin: In der Ausstellung 'Wolfsburg Unlimited' beleuchtete er die Verquickung der Stadtgeschichte mit dem NS-Regime".
Ungewöhnlich schnell, vier Tage später - wieso? - wurde bereits der neue Direktor Andreas Beitin präsentiert. Ich will ihm nicht mit Vorurteilen begegnen, aber aufgefallen ist mir seine nicht sonderlich inhaltsreiche Stellungnahme mit dem Beginn "Ich freue mich sehr ..." Sie ist - pardon - sprachlich missglückt. Ich nenne nur als Beispiel "Ganz besonders reizt mich ebenso die Möglichkeit, ..." Entweder "ganz besonders" oder "ebenso", beides zusammen geht nicht. Ich rate dem künftigen Direktor, von einem der fähigen Mitarbeiter*innen des künftigen Teams derartige Texte überarbeiten zu lassen ...
Das Pressefoto soll doch nicht etwa auf zurückgebliebene Scherben hindeuten?
Die beiden Pressemitteilungen hänge ich hier an, dann kann sich jede/r selbst ein Bild machen.
Beil-Abschied-PM14.12.18 herunterladen
Meine früheren Artikel in diesem Blog sind hier und dort nachzulesen.
Text: Dr. Helge Mücke; Bilder: Direktor Dr. Ralf Beil, © Kunstmuseum Wolfsburg, Foto: Marek Kruszewski (oben); Dr. Andreas Beitin, Foto: Andreas Herrmann