Es ist wahrlich keine Neuigkeit, dass Goldman Sachs ein Imageproblem hat. Insbesondere seit dem Ausbruch der Finanzkrise setzt es für den “Wächter der Wall Street” Ohrfeigen von allen Seiten – in den USA und weltweit. Wenn die Attacke aber von innen kommt, mitten aus der eigenen Firma, und dabei als Resonanzkörper die ehrwürdige New York Times benutzt wird, dann dröhnt es deutlich im Gebälk. Das veranlasste die PR-Abteilung, sogar noch vor dem Morgengrauen zu reagieren.
Greg Smith hat die Nase gestrichen voll von seiner Firma. Der Manager mittleren Levels scheidet nach zwölf Jahren bei Goldman Sachs aus. Er war Exekutivdirektor für Derivate (Luftpapiere) im Nahen Osten, in Europa und Afrika gewesen. Er roch damals in die Firma hinein, als er noch in Stanford studierte und arbeitete zehn Jahre in der New Yorker Zentrale, bevor er nach London umzog: “Ich denke, ich habe lange genug gearbeitet, um die Unternehmenskultur, die Menschen und die Identität zu verstehen.”
“Das Ambiente (in der Firma) ist vergiftet und destruktiv!”, versichert Greg Smith in seiner öffentlichen Kündigung. Der zweite Schuss in die Flanke des Unternehmens folgt im zweiten Absatz, als Smith erklärt, dass die Firma, die von Lloyd Blankfein geführt wird, ihr eigenes Interesse über das ihrer Kunden setzt. Die Kultur der Teamarbeit, Integrität und die Bescheidenheit, die die Firma bei seinem Arbeitsantritt beherrscht hätten, seien verschwunden. Das sei aber die Erfolgsgarantie von Goldman Sachs gewesen.
“Ich wusste, dass es Zeit war zu gehen, als ich den Studenten (die er anwarb) nicht mehr in die Augen schauen und ihnen erzählen konnte, wie fantastisch es ist, in der Firma zu arbeiten.” – Smith hält den Verfall der Moral in der Firma langfristig für die grösste Bedrohung für den Fortbestand des Unternehmens. Was er nicht sagt, ist, wieviel Geld er sich über die Jahre eingesteckt hat, während er Kunden-Gelder im Wert von mehr als einer Billion Dollar verwaltete. Er spricht auch nicht über die Bonus-Kürzungen, die Goldman Sachs vor zwei Monaten angekündigt hatte und die viel Wirbel in der Branche auslösten.
Greg Smith hat das Pulver wahrlich nicht erfunden. Er sagt nur das, was sich sich sowieso jeder denkt, aber diesmal kommt es von innen. Nur das Gegenteil seiner Aussagen wäre eine wirkliche News gewesen. Der Machtanspruch von Goldman Sachs und die geänderten “Ideale” sind nur ein Beispiel für viele grosse Unternehmen, nicht nur im viel gescholtenen Sektor der Finanz-”Dienstleister”.
Goldman Sachs reagierte mit einem knappen Kommuniqué, in dem – oh Wunder! – versichert wird, dass man mit der Sicht des Ex-Managers nicht übereinstimmt: “Wir glauben nicht, dass das die Führung unseres Unternehmens beschreibt. Wir haben nur Erfolg, wenn unsere Kunden Erfolg haben. Das ist die fundamentale Wahrheit, die wir in unserem Herzen haben, wenn wir die Geschäfte führen.”
Amen!