Kulturelle Unterschiede rund um die Geburt

Kulturelle Unterschiede rund um die Geburt

Viele der neuen Trends in den westlichen Ländern sind bei Naturvölkern in z.B. Afrika, Südamerika und Asien schon seit Jahrhunderten en vogue. So wird dort die bei uns unter der Rubrik „alternativ“ laufende Geburt in aufrechter Haltung in 80% der Fälle praktiziert.

Dabei bedienen sich die Gebärenden im Stehen, Hocken, Knien oder Sitzen nur der natürlichen Schwerkraft. Durch die aufrechte Haltung wird der Kopf des Babys automatisch optimal positioniert und auch das Weiten des Gebärmutterhalses fällt wesentlich leichter.

Rund um die Geburt gibt es in den verschiedenen Ländern und Kulturen die unterschiedlichsten Praktiken und Rituale, aber auch viele Gemeinsamkeiten.

So entspricht in Marokko die sogenannte „Quabka“ unserer Hebamme. Sie massiert während der Geburt Bauch, Schamlippen und Vulva mit Olivenöl, um sie so weicher und nachgiebiger zu machen. Außerdem bereitet sie für die werdende Mutter einen Tee aus Thymian, Zimt, Nelke und Minze zu. Dieser soll den Wehenschmerz lindern.

Auch in Ägypten gibt es eine solche Hebamme, dort heißen diese Frauen „Dayas“.

Laut oder Leise?

Mit dem Geburtsschmerz wird je nach Kulturen ganz unterschiedlich umgegangen. So ist es in Vietnam, Mexiko, Taiwan und Togo verpönt, seine Schmerzen verbal zu äußern. Die Gründe dafür reichen von „das Dorf soll nicht gestört werden“ (Taiwan), bis zur Angst vor bösen Geistern, welche durch die Geräusche erwachen könnten (Togo).

Dahingegen wird es von türkischen Frauen sogar erwünscht, ihre Schmerzen so laut wie möglich zu zeigen. Begründung: Je mehr eine Frau bei der Geburt schreit, desto mehr Gold gäbe später.

Auch Italienerinnen zeigen bei der Geburt ihr Temperament und sind bekannt dafür, ihre Gefühle ausdrucksstark und laut kund zu tun.

Und wir? Ganz dem Klischee entsprechend, sind deutsche Frauen im Kreißsaal offenbar stets um Selbstdisziplin bemüht und begegnen der Geburt sehr programmatisch und perfekt vorbereitet.

Schuld und Sühne

Warum eine Geburt schmerzhaft ist, versuchen verschiedene Religionen zu begründen. In der katholischen Kirche heißt es zum Beispiel, die Schmerzen bei der Geburt seien die Erbsünde Evas, die sich im Garten Eden hat verführen lassen. Frauen müssten dafür Buße tun.

Auch im Buddhismus wird der während der Geburt auftretende Schmerz als Bestrafung für Sünden gesehen. Hier büßen gebärende Frauen für ihr Fehlverhalten im früheren Leben. Dies erklärt, warum Frauen in Indien und Sri Lanka während der Geburt keinen Mucks von sich geben dürfen. Das würde nämlich beweisen, dass sie im früheren Leben gesündigt haben.

So hart das alles klingen mag – gerade in Ländern, in denen Frauen die Geburt stumm durchstehen müssen, gibt es auffallend viele Rituale und Bräuche, die ihnen helfen sollen. Die Frauen werden in den letzten Tagen und Wochen vor der Geburt liebevoll von ihren Mitmenschen umsorgt und unterstützt, damit sie sich wohl und entspannt fühlen. Die Übertragung der Empfindungen der Frau auf das ungeborene Baby spielt dabei eine große Rolle.

Nicht nur der Verbindung von Mutter und Kind, auch dem Zusammenhang von Geist und Körper wird große Bedeutung zugeschrieben. In Indien und Marokko soll für die Geburt beispielsweise der Gebärmuttermund zum schnelleren Öffnen angeregt werden, indem die Frauen ihr Haar öffnen, Schmuck und Gürtel ablegen und symbolisch die Türen im Haus geöffnet werden.

Ganz anders verfährt man in Mexiko – hier werden alle Türen und Fenster verschlossen und jeder noch so kleine Spalt mit Stoffen ausgestopft. Dies war übrigens vor wenigen Jahrhunderten auch in Frankreich noch Brauch. Hinzu kam bei unseren französischen Nachbarn noch ein starkes Heizen des Hauses während einer Geburt und den folgenden Tagen. Der Grund dafür war (wie in Mexiko) die Angst vor bösen Mächten, welche die Gelegenheit nutzen könnten, sich während der Geburt in Mutter und Kind einzuschleichen.

Nabelschnur hui, Plazenta pfui?

In vielen Ländern wird die Nabelschnur als Glücksbringer gesehen. Deshalb hängt man sie in Indien und Mexiko dem Neugeborenen als Kette um den Hals, die Türken verstecken sie als Talisman im Haus und in vielen Naturvölkern ist es der Brauch, die Nabelschnur nach der Geburt zu essen, um das Glück – im wahrsten Sinne des Wortes – in sich zu tragen.

Weniger positiv fällt das Urteil über die Plazenta aus. Sie wird in vielen Kulturen als eine Art „schlechter“ Zwilling des Babys gesehen. In Mali unterstellt man ihr sogar, das neugeborene Kind schlecht gelaunt oder gar krank zu machen. Deshalb ist es dort Brauch, dass der frisch gebackene Vater die Plazenta wäscht, trocknet und anschließend vergräbt.

In Kambodscha wird sie vor dem Vergraben, in ein Bananenblatt gewickelt, drei Tage neben das Neugeborene gelegt.

Die Menschen in Südamerika, Korea und auf der Insel La Réunion gehen noch drastischer vor: dort wird die Plazenta gleich nach der Geburt verbrannt und so „unschädlich“ gemacht.

Bräuche der westlichen Länder nach einer Geburt

Auch in Deutschland gibt es viele Bräuche rund um die Geburt, auch wenn viele davon ein wenig in Vergessenheit geraten zu sein scheinen. So zeigen Familien, dass sie Zuwachs erhalten indem sie Babykleidung an eine Wäscheleine vor dem Haus hängen.

Besonders im norddeutschen Raum findet nach der Geburt eine Feier mit dem klangvollen Namen „Babypinkeln“ statt. Ursprünglich sollte mit diesem Umtrunk dem Neugeborenen nach der Geburt symbolisch beim Wasserlassen geholfen werden, damit es keine Schmerzen erleidet. Vielfach feiert der Vater die Geburt des Kindes mit Freunden und Nachbarn, während die Mutter mit dem Neugeborenen noch im Krankenhaus liegt. Es kommt aber auch vor, dass die Feier erst etwas später ausgerichtet wird, so dass auch die Mutter daran teilnehmen kann.

Eine Tradition aus den USA, die sich in den westlichen Ländern immer mehr verbreitet, ist die Babyparty (original: baby shower). In Amerika ist sie sehr beliebt und Pflichtprogramm für jede Schwangere. Die meist ausschließlich weiblichen Gäste beschenken die werdende Mutter reichlich mit nützlichen Dingen für das Baby: Strampler, Spielzeug, Kuscheltiere, Pflegeprodukte und die (zumindest in Amerika) obligatorische Windel-Torte. Im Vordergrund stehen bei der Babyparty jedoch nicht die Geschenke, sondern der Austausch über eigene Erfahrungen als Mutter und oft die Verkündung des Geschlechts und Namen des Babys, sowie gegebenenfalls der Paten. Auch finden Spiele rund ums Thema Baby, Mutterschaft, Geburt und Stillen statt, bei der die Gäste sich in ihren Mutterqualitäten aneinander messen können.

In diesem Sinne: Viel Spaß beim feiern, ob erst nach oder schon vor der Geburt!


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