Kriyatantra – Handlungs-Tantra

Kriyatantra

Kriyatantra – Handlungs-TantraBeim Kriyatantra (tib., bya rgyud kyi theg pa) – auch Handlungs-Tantra genannt – liegt der Praxisschwerpunkt auf äußerem Verhalten, auf Reinigungspraktiken usw. Berühmt dafür ist die Praxis des Nyungne – des Fastenrituals, die eine Yidam-Praxis dieser Kategorie ist.
Der Eintritt in das Kriyatantra erfolgt durch die zwei Aspekte der Einweihung: 1) Vasen-Wasser-Ermächtigung; und 2) Kronen-Ermächtigung. Diese beiden Ermächtigungen legen die Samen für den Dharmakaya und den Rupakaya. In der Meditation werden die „sechs Aspekte der Gottheit“ (Leerheit, Silbe, Ton, Form, Mudra, Attribute) praktiziert.
Die Sicht im Kriyatantra ist, dass die vier extremen Sichtweisen aufgegeben werden. Der Geist ist weder existent, noch nicht-existent, noch beides und auch nicht keines von beiden.
Im Verhalten des Kriyatantra geht es in den Ritualen und der Visualisation vornehmlich um Reinigung und Verdienstansammlung. Äußere Handlungen werden bei diesem Ansatz betont. So legt man Wert auf die Gestaltung des Altars, welche Opfergaben verwendet werden, wie diese am Altar angeordnet werden usw. Gutes Benehmen ist wichtig, ebenso saubere Kleidung, Ernährungshinweise, sowie die Durchführung der Rituale an bestimmten Tagen, die aufgrund ihrer astrologischen Konstellation als bedeutsam erachtet werden.
In der Praxis des Kriyatantra sieht man sich selbst als Verpflichtungswesen (tib., dam tshig sems dpa) und kommuniziert mit dem im Himmel vor einem visualisierten Wesen uranfänglichen Erkennens (tib., ye shes sems pa). Ihr Verhältnis zueinander ist wie Diener und Herr.Man beabsichtigt, Hindernisse zu bereinigen und günstige Umstände für die spirituelle Praxis zu schaffen. In der formellen Meditationspraxis wird die Begegnung zwischen Gottheit und Praktizierenden ziemlich ähnlich einem theistischen Ansatz visualisiert. Vor einem im Raum etwas über dem Kopf wird die Meditationsgottheit als Mittel der Verwirklichung visualisiert. Die Quelle der Verwirklichungen wird noch außerhalb von einem selbst verstanden und die Praktizierenden hoffen durch das Erflehen des Segens auf die entsprechende Inspiration und den nötigen Schub für die Realisation. Dies ist die Praxis mit Merkmalen und man stellt sich dabei vor, wie von den Keimsilben an den drei Stellen der visualisierten Gottheit der Segensstrom zu einem selbst ausgeht.
Weiters werden Mantra-Rezitation – Klang – verwendet, sowie die Ausrichtung auf den Geist, den Grund und den Samadhi. Dadurch „bleibt man in der Flamme“, was eine Versenkung ähnlich dem Verweilen in Feuer und Lauten und ihrer Steigerung ist. Dieser Ansatz ist die Stütze für das ruhige Verweilen (tib., zhi gnas). Danach wird die Natur des Klangs untersucht und versteht so die Leerheit des Klangs. Indem man dann die Lautstärke der Mantra-Rezitation reduziert, ruht man schließlich in der Natur des Geistes ohne etwas zu ersinnen. Dies ist der Aspekt der durchdringenden Einsicht (tib., lhag mthong).

Verwirklichungen

Mittels der Praxis im Kriyatantra erreichen die Praktizierenden bestimmte Siddhis, d.h. besondere psychische Fähigkeiten. Da sich über die Praxis die subtilen Winde sammeln und dadurch die Elementwinde in den Zentralkanal bringen, erlangt man Kontrolle über die fünf Elemente, auch in ihrer äußeren Manifestation. Weiters werden die vier Arten der erleuchteten Aktivität entwickelt.
Man sagt, dass durch die Praxis des Kriyatantra die Erleuchtung nach sieben menschlichen Lebenszeiten erlangt wird. Da man die drei Buddhakayas – den Dharmakaya, Sambhogakaya und Nirmanakaya – realisiert, wird man zu einem Vajra-Halter der drei Familien. Dies sind die Tathagata-Familie, die Padma-Familie und die Vajra-Familie. Verkörpert werden diese durch Buddha Shakyamuni, Manjushri, Amitabha, Avalokiteshvara, Tara, sowie Akshobhya und Vajrapani. In den drei Handlungsebenen zeigt sich dies als Manjushri (Körper), Avalokiteshvara (Rede) und Vajrapani (Geist), die sich wiederum als Manifestationen von höchstem Verständnis, allumfassenden Mitgefühl und machtvollen Fähigkeiten zeigen.

Samaya – die heiligen Bande

Jamgon Kongtrul Lodrö Thaye führt in seinem „Unendlichen Ozean des Wissens“ (tib., shes bya mtha‘ yas pa’i rgya mtsho) 14 Verpflichtungen des Kriyatantra an. Diese sind 1) Vertrauen in die Drei Juwelen haben; 2) Vertrauen in die Guhyamantras, Vidyamantras und Dharanimantras; 3) ernsthaftes Interesse am Mahayana haben; 4) hingebungsvoll gegenüber den vier Arten des Gefährten des Verdienstfeldes sein; 5) sich nicht darüber ärgern, wenn zornvolle Riten mit der Meditationsgottheit nicht das gewünschte Ergebnis bringen; 6) Gabendarbringungen an den bestimmten Tagen vollbringen; 7) weder den Lehrern noch Schriften mit extremen Ansichten folgen; 8) unerwarteten Gästen Nahrung darbringen; 9) für alle Wesen nützlich sein; 10) den eigenen Verdienst vergrößern; 11) fleißig das Mantra rezitieren; 12) die Gelübde (der eigenen Buddha-Familie) halten; 13) Mantras oder Mudras nicht jenen lehren, die keine Samayas halten; und 14) die Tantras und Mantras verbergen und beschützen und nach Verwirklichung streben. Im Susiddhi werden 18 Gelübde gezählt, die jedoch nur eine etwas andere Einteilung der erwähnten 14 Gelübde sind.
Um etwaige Verfehlungen und Gelübdebrüche auf der Ebene des Kriyatantra zu bereinigen, rezitiert man 100.000 Mantras der Meditationsgottheit der eigenen Buddha-Familie oder man rezitiert den Text „Den unbesiegbaren Vajra, der wie Feuer leuchtet“ und führt friedvolle Feueropfer durch.
Diese Gelübde und Versprechen sind auch von den Praktizierenden des Yogatantra und des Höchsten Yogatantra (Anuttaratantra) zu beachten. Wenn möglich, sollten Brüche und Vergehen innerhalb eines Tages nach eintreten bereinigt werden.

Damit ist der Überblick über den Ansatz des Kriyatantra vollendet. In weiteren Blog-Beiträgen werden die anderen Ansätze der äußeren und inneren Tantras dargestellt. Da ich nicht in der Lage bin, wohlklingende Verse zu verfassen, die die Ohren der Buddhas und Bodhisattvas erfreuen, habe ich mich auf die Schriften der verwirklichten Meister gestützt. Möge es nützlich sein!

Weiterführende Literatur:

Jamgön Kongtrul Lodrö Thaye: „Buddhist Ethics“, Kalu Rinpoche Translation Group, Snow Lion Publication, Ithaca (NY), 1998
Jamgön Kongtrul Lodrö Thaye: „Systems of Buddhist Tantra“, Kalu Rinpoche Translation Group, Snow Lion Publication, Ithaca (NY), 2005
Jigme Lingpa & Kangyur Rinpoche: „Treasury of Precious Qualities, vol. 2, Vajrayana and the Great Perfection“, Padmakara Translation Group, Shambhala, 2013
Jigme Lingpa & Kangyur Rinpoche: „Treasury of Precious Qualities, vol. 1“, Padmakara Translation Group, Shambhala, 2010
Jamgon Mipham: „A Garland of Views: A Guide to View, Meditation, and Result in the Nine Vehicles“, Padmakara Translation Group, Shambhala, 2015
Tenga Rinpoche: „Sutra & Tantra. Die Wege des Buddhismus“, Übers.: Tina & Alex Draszczyk, Marpa Verlag, 1989

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