„Männer zeigen Frauen & Frauen ihre Brüste“ heißt die filmische Auseinandersetzung von Isabell Šuba mit dem männerdominierten Filmbusiness, der im August im Kino angelaufen ist. Šuba will mit ihrem Film darauf aufmerksam machen, dass es auch in ihrer Branche keine Chancengleichheit gibt, dafür aber noch jede Menge „gläserne Decken“ für Frauen, die nicht vor, sondern hinter der Kamera stehen wollen. Anlass für den Film war Šubas Kurzfilm „Chica XX Mujer“, mit dem sie 2012 zum Filmfestival nach Cannes eingeladen wurde. In diesem Jahr, so stellte die Regisseurin fest, lief kein einziger Film einer Frau im Wettbewerb. Eine ähnliche Erfahrung machte ich neulich auf dem Kurzfilmfestival Clipaward in Mannheim. Ich war nur als Zuschauerin da, aber ich fragte mich trotzdem, was mit den Frauen passiert war.
Im Publikum waren sie vorhanden, und auch auf der Leinwand, dort allerdings vor allem in Nebenrollen und in altbekannten Klischees: Da gab es die geliebte Oma, der der Enkel eine Freude machen will (How to steal a bed/Cristian Sulser), die frustrierte Eso-Tante (Weiter oben/Philipp Mößner), die romantisch-verträumte Freundin (Lialou/Karolis Spinkis) oder gar die Krankenschwester, die einen heimlichen Striptease hinlegt, um einen Sterbenden ein letztes Mal zu erfreuen (Schon vorbei/Sylvia Borges). Ausgerechnet der letzte Film hatte zwar eine weibliche Regisseurin, die aber nicht erschienen war. Stattdessen stand ihr Cutter auf der Bühne und stellte den Film als seinen vor. Das Ganze ist vielleicht besonders interessant, da der Clipaward dieses Jahr explizit für Low- und No-Budget-Produktionen ausgeschrieben war, sodass eigentlich eine Hürde – das liebe Geld – schon mal nicht vorhanden war. Was ist da los? Wo ist der Blickwinkel der Frauen, wo sind ihre Geschichten? Jury-Mitglied Stefan Hillebrand erklärte auf Nachfragen, es habe sich eben so gut wie keine Frau beworben. Und woran liegt das? Achselzucken. Hillebrand verweist auf das Kurzfilmfestival „Girls Go Movie“ , das extra ins Leben gerufen wurde, um Mädchen und junge Frauen im Alter von 12 bis 27 Jahren als Filmemacherinnen zu fördern. In diesem Rahmen gibt es Workshops, Coaching und die Bereitstellung von Technik. „Wir und das Publikum glauben an Euch. Wir wollen Euch hören und sehen. Wir sind der Meinung, dass die Filmszene auf Euch gewartet hat“, heißt es auf der Webseite. Gut und schön – aber warum braucht es solche Förderung? Warum bewerben sich so gut wie keine Frauen bei einem Festival wie dem Clipaward?
Ähnliche Fragen wurden unter dem Motto „Film Fatales – Emanzipation hinter der Kamera“ auch auf dem diesjährigen Filmfest München gestellt. Annette Walter hat die Diskussion für das Missy Magazin zusammengefasst und stellt fest: „Zwei Frauen auf dem Podium sind […] der beste Beweis, dass man es im deutschen Filmgeschäft auch als Frau an die Spitze schafft: Christine Berg ist Stellvertreterin des Vorstands der Filmförderungsanstalt (FFA) und Maria Köpf Produzentin bei Zentropa Entertainments Berlin, dem deutschen Ableger von Lars von Triers Produktionsgesellschaft.“ Dennoch kamen alle Probleme auf den Tisch: Die Ablehnung, die Frau erlebt, wenn sie als Feministin auftritt, der allgegenwärtige strukturelle Sexismus, das Geld. „Köpf ist überzeugt davon, dass es für Frauen nach wie vor sehr schwer sei, an hohe Budgets zu kommen. Frauen würden große Summen oft nicht zugetraut, pflichtet ihr [US-Regisseurin Leah] Meyerhoff bei und wundert sich in diesem Zusammenhang, warum beispielsweise Catherine Hardwicke nur beim ersten Teils der ‚Twilight‘-Trilogie Regie führte, obwohl der Millionen Dollar einspielte.“ Das Fazit der Diskussionsrunde für die Frauen: netzwerken, netzwerken, netzwerken. Und ein Rat von der Anwältin für Film- und Medienrecht Elena Kirchberg: „Immer auf die Big Jobs aus sein.“
Aktuell gibt es noch ein weiteres Medienprojekt zum Thema: Das Buch „Wie haben Sie das gemacht? Aufzeichnungen zu Frauen und Filmen“, das von Claudia Lenssen und Bettina Schoeller-Bouju herausgegeben wurde. Mit ihrem Projekt, das neben dem Buch zwei DVDs mit Kurzfilmen von Frauen und einer (derzeit noch im Berliner Zeughauskino laufenden) Filmreihe von Frauen aus den letzten fünfzig Jahren umfasst, wollen die beiden die Gründe für die hier umrissenen Fragen ausleuchten. 43 von 48 in Deutschland produzierten Spielfilmen werden von Männern gemacht – dieses Buch nun zeigt allein aus der Inhaltsübersicht, wie viele Frauen tatsächlich im Filmbusiness tätig sind, und zwar in den unterschiedlichsten Berufen. Aber: Die wenigsten davon sind bekannt. Auf der Webseite zum Projekt werden unter der Rubrik „Frauen“ einzelne Stimmen präsentiert. Der krasseste Satz, gerade weil er einer so bekannt in den Ohren klingelt, ist vielleicht dieser: „Wir können dich leider nicht voll bezahlen, weil du nicht voll einsetzbar bist. Du hast ja ein Kind.“ (Elena Bromund Lustig, Cutterin) Das Ganze ist als Anstoß für eine Diskussion gedacht, die überhaupt erst einmal geführt werden muss.
Nach dem Clipaward habe ich mich zunächst gefragt, ob Frauen weniger als Regisseurin in Erscheinung treten und gerade junge Frauen wenig Interesse an diesem Beruf haben, weil er „technisch“ konnotiert ist, und viele Mädchen, die mit „Germanys Next Topmodel“ und „Deutschland sucht den Superstar“ groß geworden sind, vielleicht doch eher davon träumen, vor als hinter der Kamera zu stehen. Nach meinen Recherchen kann ich das nicht mehr glauben. Es gibt sie: große Frauen wie Jane Campion, Doris Dörrie oder Sofia Coppola und auch junge Nachwuchstalente wie Isabell Šuba oder Anja Gurres, die in diesem Jahr bei „Girls Go Movie“ den 1. Preis in der Altersklasse bis 27 gewonnen hat. Und niemand, der sich ernsthaft mit der Materie auseinandersetzt, kann behaupten, sie würden nicht wollen oder gar nicht können.
Am besten gefallen hat mir beim Clipaward tatsächlich der einzige Film, der die Geschichte einer Frau erzählt: „The Last Night of Baby Gun“ von Jan Eilhardt. Der Film, dessen Grundidee aus einer Zusammenarbeit mit dem Schauspiel Frankfurt entstanden ist, beschreibt im Stil des Film Noir die Befreiung der Prostituierten „Baby Gun“ aus den herrschenden Verhältnissen: Eilhardt zeigt eine fiktive, düstere Welt, in der alles käuflich ist und jeder sich verkaufen muss, um zu überleben. „Baby Gun“ findet einen Weg, sich darüber zu erheben, indem sie ihr Talent einsetzt: ihre Stimme. Der Film – der im Übrigen im Frankfurter Bahnhofsviertel gedreht wurde – gewinnt vor allem auch durch seine atmosphärische Dichte, die wunderbaren Tom-Waits-Songs (interpretiert von der Sängerin Angela Cory) sowie die Erzählstimme der großartigen Eva Mattes. In seiner Synopsis verweist Eilhardt selbst darauf, dass er die korrupte Welt, die er in seinem Film darstellt, als männlich dominierte sieht, aus deren Abhängigkeiten sich seine Figur mithilfe der ihr ganz eigenen Kräfte befreit.