Ich bin weder großer Krimi-Fan, noch guck ich normalerweise bayerische Fernsehfilme – doch nachdem das Bayerische Fernsehen in seiner Heimatkrimi-Reihe einen Niederbayernkrimi abgeliefert hat, und dieser generell gute Reviews bekam, war ich doch neugierig. Und wurde nicht enttäuscht: Sau Nummer Vier ist ein sehr netter Film mit angenehm viel schrägem Humor – einen Trailer dazu gibt’s hier.
Also gibt’s hier eine Besprechung aus der Niederbayern-Perspektive. Der Film ist letzten Samstag im BR gelaufen, auf DVD erschienen und wird sicher auch irgendwann wieder im Fernsehen ausgestrahlt.
Regisseur: Max Färberböck
Drehbuch: Christian Limmer
Darsteller: Johanna Bittenbinder, Florian Karlheim, Peter Mitterrutzner, Günther Brenner, Agathe Taffertshofer, Sigi Zimmerschied
Erscheinungsjahr: 2010
STORY
Im niederbayerischen Niedernussdorf wird ein abgebissener Finger gefunden. Polizeiobermeisterin Gisela Wegmeyer (Johanna Bittenbinder) kann sich das zwar auch nicht erklären, ist aber zumindest überzeugt, dass an den Mordtheorien von Hauptkommissar Lederer (Florian Karlheim) aus Straubing nichts dran ist – hier im Dorf ist schließlich noch nie ein Mord passiert. Ermittlungen ergeben, dass der Finger von einem Schwein abgebissen wurde, genauer von der “Sau Nummer 4″ vom Berner-Hof. Wurde hier etwa ein Mensch an die Schweine verfüttert?
REVIEW
Unsere Regional-Tageszeitung PNP brachte an zwei Tagen je eine komplette Seite Leserreaktionen auf “Sau Nummer Vier”. Mit relativ vielen negativen Meinungen, die sich beschwerten, dass die Niederbayern und besonders unsere Polizei als Dorftrottel und Deppen dargestellt wurden. Aber klar: Vor allem wer sich darüber aufregen kann, weil er keinen Humor hat, schreibt Leserbriefe. Der Austausch über den Film hier im Dorf dagegen war ganz klar positiv: Ein äußerst unterhaltsamer, witziger Film.
Natürlich werden jede Menge Klischees bedient: Es beginnt natürlich in der Kirche, alle vorkommenden Personen wohnen auf einem Bauernhof, ständig wird Volksmusik1 gesungen, Weißbier getrunken, alte Leute tragen Tracht und das Leben spielt sich rund ums Wirtshaus ab, mit kurzen Abstechern in die Metzgerei und an den Fußballplatz. Außerdem ist Niedernussdorf wohl das einzige “nur Bauernhöfe und jeder kennt jeden”-Dorf mit ein paar Hundert Einwohnern, das eine vierköpfige Polizeiwache aufweisen kann. Liebe Leser, ich kann euch aus erster Hand berichten: Das gehört zwar alles zu Niederbayern, aber stellt halt nur einen kleinen Teil dar.
Aber solche Klischees gehen in Ordnung. Schließlich muss hier schnell eine “typische niederbayerische” Atmosphäre aufgebaut werden,und es wäre ja kein großer Heimatkrimi, wenn letztlich das niederbayerische Dorf genauso normal und durchschnittlich wirkt wie alle anderen süddeutschen Dörfer. Und die Klischee-Momente stehen neben den überwiegenden Szenen, in denen man schmunzelnd zugeben muss: Ja, doch, genau so ists. So gerne ich auch in Filmen in fremde Länder oder andere Planeten entführt werde, so nett ist es auch mal, einen Film zu sehen, der auch hinter meinem Haus spielen könnte (wenn imdb Recht hat, dann wurde etwa 20 Minuten von meinem Heimatdorf entfernt gefilmt).
Marco meinte in seiner Kurzkritik des Films er hätte Elemente von David Lynch, und auch wenn Sau Nummer Vier natürlich immer viel geradliniger als ein Lynch-Film ist, ist da definitiv was dran: Man denkt unweigerlich an Twin Peaks, wenn der Hauptkommissar aus der großen Stadt im beigen Mantel im kleinen Dörfchen ankommt und auf skurrile Charaktere trifft. Und genau das macht den meisten Reiz des Films aus: Verschrobene Dorf-Atmosphäre, schräger Humor, ganz eigene Figuren und das alles mit einem Soundtrack, der Volksmusik mit mexikanisch angehauchter Western-Musik und Morricone-Anleihen mixt. So kommt ein Film raus, der sich mit Schrulligkeit und Witz von den anderen Heimatkrimi-Filmen wie beispielsweise dem Kluftinger-Allgäu-Krimi Erntedank abhebt.
Der Kriminalfall an sich ist ganz ordentlich: Jetzt nicht gerade übermäßig spannend, und durch diverse Vorausdeutungen ist man als Zuschauer sowieso den Ermittlern etwas voraus, aber es bleibt immer interessant und makaber. Das Making-Of des Films erzählt, dass der Fall auf einer wahren Begebenheit beruht, und man glaubt das gern – es ist bei aller Ungewöhnlichkeit eine Geschichte, die man sich hier vorstellen kann. Letztlich geht es hier aber weniger um den Fall, sondern um die Charaktere, die Atmosphäre und den Humor.
Auch die Schauspieler passen – zwar wirken die Hauptdarsteller Bittenbinder und Karlheim nicht immer völlig natürlich, machen aber die meiste Zeit schon eine sehr gute Arbeit. Und gerade die Charakterköpfe in den kleineren Rollen sind eine Freude, bspw Sigi Zimmerschied als wenig gesprächiger Mordverdächtiger.
Noch ein kurzes Wort zur Sprache: Es ist schon über weite Strecken breites Niederbairisch. Das ist auf der einen Seite natürlich sehr gut, ein Heimatkrimi macht wenig Sinn, wenn man dann beim Dialekt irgendwas verwässertes, ans Hochdeutsche angenäherte bringt, das einen völlig aus der Atmosphäre reißt. Hat auf der anderen Seite aber vielleicht den Nachteil, dass nur Hochdeutsch sprechende Zuschauer Verständnisprobleme haben könnten – wer schon bei “Wer früher stirbt, ist länger tot” Probleme hatte, wird die hier auch haben. Aber man kann ja mal beim oben verlinkten Trailer testhören.
Also: So lange danach niemand wirklich glaubt, dass niederbayerische Dörfer nur aus Bauernhöfen, Wirtshäusern und inkompetenter Polizei bestehen, kann man eine klare Empfehlung für Sau Nummer Vier aussprechen. Der Film ist skurril, witzig, spannend und eindeutig niederbayrisch. Nächstes Jahr fügt der BR dann einen Alpenkrimi zur Reihe hinzu – da bin ich schonmal gespannt.
- Hier vielleicht ein Hinweis für Nicht-Bayern, die den Unterschied nicht kennen: Es gibt traditionelle Volksmusik, die kann im richtigen Kontext ziemlich gut sein, und es gibt volkstümliche Musik, das ist das Grauen aus den Hinterhöfen der Hölle, das man aus dem Musikantenstadl kennt. Bloß nicht verwechseln.