Kritik - Die Kinder von Paris

Kritik - Die Kinder von Paris

"Ihr werdet es nicht schaffen, uns alle auszulöschen." -

Das französische Kino gilt, genau wie seine Besucher, als durch  und durch kultiviert. Warum das so ist, wird in Rose Boschs ambitionierten Drama "Die Kinder von Paris" wieder einmal deutlich. Denn Rose Bosch führt ihr Darsteller-Ensemble zu ordentlichen Schauspielleistungen. Und daraus resultiert für das Publikum eine Emotionalität, der man nicht allzu oft in diversen Holocaust-Dramen beiwohnen darf. Allerdings begeht Rose Bosch bei aller Liebe zum eigenem Sujet einen tragischen, inszenatorischen Fehler, der verhindert, das ihr ambitioniertes Drama "Die Kinder von Paris" zu einem wahrhaft-großen Film, also zu einer brillanten Aufarbeitung des "Holocaust" wie es z.B. Steven Spielberg mit "Schindlers Liste" einst vorschwebte, heranreifen darf.

Dabei lenkt sie bereits von Beginn an ihr zweites Weltkriegs Drama konsequent in die richtigen inszenatorischen Bahnen, entwickelt das richtige rhythmische Gespür, trifft die richtigen menschlichen Zwischentöne, überrascht mit den passenden, historischen Eckdaten.  In letzter Konsequenz fehlt den "Kindern von Paris" trotz aller Schlicht- und Korrektheit an noch etwas mehr erzählerischen Tiefgang, an der Chuzpe, einen weiteren schmerzhaften Schritt zu wagen und etwas zu zeigen, das sich nur Steven Spielberg nach über 10 Jahren persönlichem Regie ranreifens bereits in den 90er Jahren traute, dem Publikum näherzubringen. Nämlich die visuelle, richtige Darstellung des wahrhaft hässlichen Antlitz des Nationalsozialismus in Form dessen Massenmords, des Holocausts. Man sollte am Ende nicht nur davon sprechen, das selbst Kinder dem Holocaust zum Opfer gefallen sind, damit Frankreich keine Nachkommenschaft mehr hat. Um den Nationalsozialismus nichts mehr entgegen setzen zu können. Sondern man sollte auf mutige Art wirklich ZEIGEN, ohne den mahnenden Zeigefinger mittels theatralischer Anklagen oder dummer, hohl-ideoligischer Phrasen dafür zu erheben. Die mittlerweile etwas abgedroschene Rezensions-Floskel ein Regisseur / eine Regisseurin setze auf klare Emotionen und vergesse darüberhinaus eine gewisse (narrative als auch visuelle) Komplexität gilt besonders im Falle von Rose Boschs Drama "Die Kinder von Paris."

Kritik - Die Kinder von Paris

Das sicherlich richtig bzw. gutgemeint ist. Aber die Auseinandersetzung mit den auch französischen Landsleuten, die am Leid und dem Morden der französischen Zivilbevölkerung mitschuldig waren, wird einfach nicht richtig thematisch aufgegriffen, also auf wenige, gräuliche Phrasen und zu einfache Schuss / Gegenschuss Szeneneinstellungen reduziert. Da gesellen sich ein paar Funktionäre bzw. Abgeordnete in ihrer ganzen Scheinheiligkeit um den runden, französischen Bürokraten Tisch und versuchen die Augen per Dialogen vor dem Holocaust zu verschließen. Sie weigern sich also, die Verantwortung für ihr Handeln zu übernehmen, weil sie selbst Angst haben, nicht mehr in führender Position zu sein, ihre Macht zu verlieren und dem Nationalsozialismus selbst zum Opfer zu fallen, wenn sie Partei für irgendjemanden ergreifen. Mehr bekommt das Publikum an thematischer Auseinandersetzung leider nicht geboten. Wie so oft in vergleichbaren,  zweiten Weltkriegsdramen entwerfen Script und Regie eine reine, schwarz-weiß funktionierende Welt, die als Abbild dramatischer, einstiger Ereignisse fungiert. Die sich rein darin unterscheidet, das es zum einen Gutmenschen bzw. Wohltäter gibt, die für die gepeinigten Holocaust-Opfer den obligatorischen Wasserschlauch parat halten. Es gibt auf der anderen  Seite ebenso die richtigen "Schweine bzw. "Schurken", die nichts anderes zu tun, als die wehrlosen den ganzen Tag lang im Zwischenlager zu traktieren. So das eine Empathie mit allen Opfern evoziert werden kann. Was aber viel zu leicht geschieht. Und so haftet Rose Boschs Drama der Geruch des manipulativ-rührseligen an. Tauchen zur Abwechslung auch einmal Charaktere Dank eines wirklich durchdachten Scripts auf, die ambivalent bzw. korrupt gezeichnet sind, sich also stets zwischen den Stühlen allen französischen und deutschen Machthabern, sprich sich selbst rechtlich in einer Art Grauzone bewegen? Den Holocaust-Opfern vielleicht helfen, aber aus allem Leid Kapital schlagen, um einfach nur überleben zu können, um nicht selbst vom Naziregime / deportiert / ermordet zu werden. Wie es im zweiten Weltkrieg auch öfters vorgekommen ist? Nein. Hier wurde eine gute Chance liegen gelassen, das der zweite Weltkrieg mit samt Holocaust am Ende noch etwas ausführlicher hätte kritisiert werden können. Rose Boschs Drama "Die Kinder von Paris" wirkt am Ende einfach zu kurzweilig inszeniert, zu abrupt endend, hätte also gut und gerne eine halbe Stunde mehr an Laufzeit mit samt seiner am Ende "moralisch korrekt" vermittelten Botschaft, inszenatorischen Altbackenheit / Innovationslosigkeit vertragen können. Und versandet daher im leicht gehobenen Mittelmaß.

Kritik - Die Kinder von Paris

Fazit: Das Rose Boschs Drama "Die Kinder von Paris" trotz des erhobenen, moralischen Zeigefingers  ein der in Konsequenz passabler, in vielen Phasen manchmal dann doch sehenswert-wirkender Film geworden ist, liegt auch  an der fein und stark aufspielenden Darstellerriege. Und zum anderen an der handwerklichen-technischen Perfektion, die besonders dann zur Geltung kommt, wenn das Publikum mit auf Sightseeing-Tour in diverse Gefangenenareale mitgenommen wird.  Auf der anderen Seite ist es auch nie verwerflich, mit seinen guten Inszenierungsabsichten allgemeine Volksdiskussionen zu den Ereignissen Frankreichs am historischen 16. Juli hervorzurufen, damit der Holocaust nie wieder in Vergessenheit geraten wird. Aber das der Holocaust auf im allgemeinen menschlichen Fehlern bzw. Schwächen basiert, ja das wird in "Die Kinder von Paris" nur an der thematischen, sprichwörtlichen Oberfläche behandelt. Am Ende bleibt wie in vergleichbaren Produktionen nur die lähmende Angst vor dem Holocaust übrig. Um diesen aber nicht zu vergessen, ihn als kranke Ideologie einiger Verbrecher entgültig entlarven zu können und dann so über ihn hinwegzukommen, ist schon mehr nötig,  als Rose Bosch dem Publikum in ihrer Gesamtheit zumutet. Man muss sich dem Monster stellen, ihm in die Augen blicken mit all seinen vorgetragenen, filmischen Bildern und dem sich dann breit machenden Schmerz.. Aber Boschs Dramaturgie im Holocaust-Zwischenlager ist der Anfang dieses Weges, der halt nie zu konsequent zu Ende gegangen wird... Stattdessen wird das Allheilmittel, um das Schreck-Gespenst Holocaust endlich zu besiegen, wie in so vielen, vergleichbaren filmischen Beiträgen wiedereinmal in der astrein propagierten (Feiertags)Moral bzw. der per Dialog vorgetragenen Menschlichkeit wie bei einem Staatsbesuch Deuscher und französischer Politiker an berühmten Holocaust-Gedenkstätten gesucht. Schade... Ziemlich langweilig. Und am Ende dann halt enttäuschend. 

Wertung: 6.5/10 Punkte


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