Krieg der Generationen

Alle Welt diskutiert gerade darüber, ob die zaghaften Verbesserungen der Rente durch die große Koalition das Land ruinieren. Wobei die Diskussion ein wenig einseitig ist: In den Medien lesen wir nur davon, dass ja die jüngere Generation diese Verbesserungen bezahlen würde. Wir lesen nicht von denen, die profitieren, wir lesen nicht von denen, die mehr haben. Zum Beispiel irgendwann mal auch die jüngere Generation, die wie jede zuvor gerne vergißt, dass sie das nicht bleiben wird.

Eine nicht enden wollende Reihe von Experten warnt und skizziert den Untergang in bunten Grafiken. Dröhnende Balken zeigen auf, welche Mehrkosten durch die Pläne von Andrea Nahles in zweistelliger Milliardenhöhe skizziert. Wenn sich noch Platz findet, kommt gleich darunter eine Prognose zum Anstieg des Rentenbeitrags, durch den das auch weiterhin in erster Linie finanziert wird, auf luftige Höhen: Hier können Sie das zum Beispiel beim FOCUS sehr schön sehen.
Das alles beeindruckt die Deutschen recht wenig. Der Kampagnenjournalismus scheitert hier an einer Wahrheit, die wohl zu einfach war, um von den beteiligten Lobbyisten gesehen zu werden: Rentner sind für Hetzkampagnen, verglichen mit Hartz-IV-Empfängern oder Migranten, eine ganz schlechte Wahl. Sie sind nämlich meist die Eltern von irgenjemandem.

In einem Land, in dem sich die Senioren- und Pflegeheime schneller füllen, als man sie bauen kann, klingt das vielleicht nicht nach einer großen Schwelle für Entsolidarisierung. Natürlich gibt es auch die, die sich kümmern, aber bei beiden Gruppen ist ein Bewußtsein für eine weitere, sehr simple Wahrheit vorhanden: Irgendjemand muss sich kümmern. Und irgendwer muß das bezahlen.

Es ist schlimmer genug, dass wir über die Thematik ausschließlich so diskutieren, als handele es sich hier um etwas, für das wir nur einen Tashenrechner brauchen. Dass es sich um Menschen handelt, die in übergroßer Mehrheit ihr Leben gearbeitet haben, kommt in den brüllenden Graphen seltsamerweise nicht vor.
Um die Arbeitgeber nicht weiter zu belasten, die als einzige von den veranlaßten Maßnahmen profitiert haben, haben wir die Kosten klassisch umverteilt: Zum Beispiel auf jene, die privat vorsorgen, also die Arbeitnehmer, oder, wo das nicht passiert, über diverse Leistungen der Sozialhilfe auf den Steuerzahler insgesamt. Die jüngere Generation muss also jetzt aus ihrem Nettogehalt eine Rente zusammensparen, was sie definitiv nicht entlastet, und der Steuerzahler subventioniert das, also wiederum auch die jüngere Generation, aber so zum Beispiel auch Rentner.

Eine der Pointen der Riesterei ist, dass die Menschen, die eine solche Aufbesserung fürs Alter unbedingt bräuchten, es sich nicht leisten können. Und sie brauchen es nicht zuletzt wegen der Riesterei von anderen. Das Rentenniveau sinkt selbst für Normalverdiener mittlerweile unter die Schwelle der Grundsicherung, und das Geld fehlt unter anderem, weil wir es in die private Vorsorge von Leuten stecken, die das Problem gar nicht hätten. Menschen, die später auf dem Sozialamt landen - wir reden mittlerweile Jahr für Jahr von 100.000 Menschen! - zahlen in den Jahren zuvor über Steuern und Beiträge für die private Vorsorge mit, ein weiterer absurder Umverteilungsmechanismus. Und die Versicherungen bekommen unzählige Milliarden, mit denen sie spielen dürfen, was sie auch ausgiebig machen und was wir dann zum "Spielcasino des Turbokapitalismus" entfremden, für das wir auch pausenlos zahlen, und das nicht erst seit 2009. Ein weiterer Kostenfaktor, wiederum auch für die jüngere Generation.

Da enden die Kosten aber noch nicht. Richtig teuer wird es ja vor allem dann, wenn die Herrschaften Pflege brauchen. Aus der Finanzierung der Pflegeversicherung haben sich die Arbeigeber quasi bei ihrer Begründung verabschiedet: Da gibt es keinen Arbeitgeberanteil. Was es außerdem, und nicht zuletzt deswegen, auch nicht gibt, sind ausreichende Einnahmen. Gleichzeitig ist genug über den Zustand der Pflege in diesem Land geschrieben worden: Das, was wir jetzt schon nicht bezahlen können, ist dennoch bei weitem nicht genug. Die Zahl derer, bei denen das Sozialamt einspringen muss, um einen Pflegeplatz zu finanzieren, steigt ebenfalls in Zehntausender-Schritten, jedes Jahr. Nur bleibt die Rechnung da nicht liegen.

Hier greift die in ab § 1601 des BGB beschriebene Unterhaltspflicht, und die endet nicht mal mit dem Tod. Sie müssen zum Beispiel, das wurde gerade erst durch die Medien getrieben, auch dann Ihre verstorbenen Eltern alimentieren, wenn Sie seit Jahren nicht mehr mit ihnen zu tun hat. Der BGH hat einige groteske Urteile dazu gefällt, die im Endeffekt nur einmal mehr die Kosten umverteilen: Von den Arbeitgebern auf die jüngere Generation, koste es was wolle.

Da gibt es Einkommensgrenzen und auch Schonvermögen, so ist das nicht, und vorhandene Kinder oder allgemein andere Unterhaltspflichten bieten einen gewissen Schutz.Auf jeden Fall aber kann so jemand definitiv nicht mehr privat vorsorgen, wo sich der Kreis schließt.

Kurzum: Es gibt einen Krieg der Generationen. Aber nicht untereinander. Die jüngere Generation ebenso wie die ehemals jüngere Generation werden gnadenlos belastet. Und sie werden belastet von den Arbeitgebern, die sich weigern, die Endlagerung ihrer "Human Ressources" zu bezahlen. Die Unternehmen in diesem Land sind diejenigen, die den Generationenvertrag wirklich aufkündigen, und als würde das nicht reichen, verdienen sie über die Riesterei auch noch an der von ihnen verursachten Not.

Sie können natürlich auf das Geschwafel von FDP, AfD und Wirtschaftsflügeln aller möglichen Parteien hereinfallen. Aber vergessen Sie nicht, dass jeder Cent, der nicht aus unserer herkömmlichen Rente gezahlt wird, erst recht auf Ihrer Rechnung landet.Diejenigen, die die jüngere Generation belasten, sind diejenigen, die jetzt über deren gefährdete Zukunft schwadronieren. In Wirklichkeit würde die jüngere Generation aber doppelt zahlen: Einmal für die Rentner, und dann, wenn sie selbst in Rente geht.

Nicht, dass die Pläne von Andrea Nahles eine Lösung wären, sie sind bestenfalls ein weiterer Flicken. Aber tatsächlich gibt es in einem Land, dass sich selbst zur marktkonformen Demokratie erklärt hat, da schon lange keine Lösung mehr. Natürlich könnten wir über die Sache mit dem "marktkonform" noch mal nachdenken.

Nicht, dass ich da sonderlich optimistisch wäre.

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