Kreischen Frauen wirklich?

Kreischen Frauen wirklich?

Gestern Abend war es wieder. Ein Krimi flimmerte über den Fernsehbildschirm. Die Frau öffnete die Tür zum Hotelzimmer. Sie trat ein und sah die Leiche. Sofort kreischte sie los. Hätte ich weiter herumgezappt, sicherlich hätte ich weitere kreischende Frauen finden können. Sie kreischen vor Leichen, Spinnen, Schlangen und was Drehbuchschreibern noch so einfällt. Jedes Mal ärgere ich mich über die hysterisch erscheinenden Frauen und frage mich, kreischen Frauen wirklich?

Ich habe noch nie gekreischt. Okay, man könnte einwenden, dass mir wahrscheinlich noch nie eine Leiche vor die Füße gefallen ist. Vogelspinnen und Kobras kreuzten meinen Weg auch noch nicht. Zudem wäre es bei mir auch eher ein Brummen statt eines Kreischen. Nun gut, mich selbst kann ich nicht als Maßstab nehmen. Aber ich habe auch noch nie andere Frauen derart kreischen gesehen. Das mag auch hier am Mangel an entsprechenden Auslösern liegen. Allerdings kann ich mir die Frauen, die ich kenne, auch nicht kreischend vorstellen. Wenn also einer Frau in einem meiner Bücher eine Leiche vor die Füße fällt, sollte ich sie dann kreischen lassen?

Was ist Klischee und was ist echt?

In »Tote Models nerven nur« findet Biene, die Protagonistin, die Leiche der Supermodels. Es wird dich nun nicht überraschen, liebe Leserin und lieber Leser, dass sie nicht loskreischt. Es rattern die Gedanken in ihr und sie versucht, die Situation zu erfassen, aber sie kreischt nicht. Eine Reaktion, die ich angemessen finde. Eine nicht repräsentative Umfrage unter einigen Freundinnen hat dies bestätigt. Dennoch gibt es auch Lesermeinungen, die eine emotionalere Reaktion erwartet hatten. Also doch kreischen?

Die Medien prägen unsere Wahrnehmung

Machen wir uns nichts vor. Unsere Wahrnehmung der Welt um uns ist immer mehr von den Medien geprägt. Insbesondere dann, wenn die reale Welt keine Alternativen liefert. Da in meinem Leben, Leichen recht selten auftauchen, habe ich keine realistische Vorlage, wie das Verhalten ist, wenn man eine Leiche findet, und muss es mir stattdessen vorstellen. Dennoch muss ich es so beschreiben, dass mir die Leserinnen und Leser folgen. Ich weiß selbst, wie sehr es mich stört, wenn ich das Handeln von Figuren in Büchern nicht mehr nachvollziehen kann. Muss ich also Klischees bedienen, um authentisch zu wirken, weil wir es aus den Medien nicht anders kennen?

Klischees bedienen oder brechen?

Nun bestehen ganze Buchgenres ausschließlich aus Klischees. Schließlich passieren die meisten Liebesgeschichten so nicht im realen Leben. Wir lesen diese Bücher genau deshalb, weil sie uns in eine andere Welt führen, in denen sich die beiden am Ende kriegen. Da darf die Frau dann auch kreischen, wenn die Vogelspinne vorbei krabbelt und er darf sie retten. Weil die Leserinnen es gar nicht anders erwarten. In meinen Büchern versuche ich dagegen, etwas mit diesen Klischees zu spielen. Das sind die Schicksalsboten eben keine Engel und die Frau schmeißt sich nicht am Ende in die Arme des starken Mannes. Und sie kreischt nicht, wenn sie die Leiche findet.
Ich kann nur hoffen, dass es den Leserinnen und Lesern meiner Bücher gefällt. Es gibt Signale, dass dem so ist. Und denen, die lieber kreischende Frauen vor Augen haben, zeige ich, dass es auch anders geht.
  • Kennst du kreischende Frauen?
  • Wie empfindest du die kreischenden Frauen, die in Film und Fernsehen gezeigt werden?
  • Wie würdest du reagieren, wenn dir eine Leiche vor die Füße rollt?

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