Krankheitslektionen

Das ist jetzt das dritte Wochenende in Folge, dass wir hier ein Krankenlazarett sind. Diesmal hat es die Kleine mit Magen-Darm erwischt. Gestern, am Freitag, war ich am Nachmittag nach der Arbeit im Kino, was ich eigentlich schon am letzten Freitag vorhatte, was dann aber bekanntlich wegen Magen-Darm und Krankenhausbesuch des Großen ausfiel. Abends kann ich ja nicht ins Kino gehen, weil die Kleine bisher nur von mir ins Bett gebracht werden will. Also nachmittags. Ich raffte mich trotz unfitten Zustandes (Halsschmerzen, Schlappheit) auf und es hat sich gelohnt. Gesehen habe ich den Film "Er ist wieder da", dessen Dreharbeiten wir seinerzeit zum Teil von unserem Büro aus beobachten konnten. Außerdem war ich so zum Ausruhen gezwungen, das ist mittlerweile ein nicht zu verachtender Plusfaktor am Kino. Mein letzter Kinobesuch war wirklich Ewigkeiten her und da freitags mein Mann die Kinder nach der Kita bespaßt, passte das.
Ich kam zufrieden und beschwingt nach Hause und hoffte, dass mal ein unproblematisches und ereignisreicheres Wochenende vor uns liegen würde, als es in den letzten Wochen der Fall war. Naja. Kaum 10 Minuten vor meiner Rückkehr hatte sich die Kleine zum ersten Mal übergeben. Jackpot! Das ging dann noch mehrmals so, bis ich sie ins Bett brachte. Sie war aber recht gefasst und ruhig und knabberte und trank sogar zwischen den Brechanfällen. Die Nacht war erwartungsgemäß unruhig, bis 3 Uhr musste ich mehrfach Bettzeug und Handtücher wechseln, danach schliefen wir 4 Stunden ohne Zwischenfälle. Am Morgen dachte ich noch, das Schlimmste sei nun überstanden, aber das Erbrechen ging bis zum Mittag weiter. Zum Glück schlief bzw. döste sie mehrfach auf dem Sofa, auf mir und an Papa gekuschelt. Das war das Beste, was sie tun konnte, und hat uns allen den Tag sehr erleichtert.
Auf was ich eigentlich hinaus will: so unterschiedlich wie meine Kinder in ihren Wesenszügen und Denkstrukturen sind, so unterschiedlich sind sie auch als Kranke. Die Kleine, das hat man heute wieder gemerkt, ist (meist) eine stille, zurückgezogene, anschmiegsame, Halt- und Körperkontakt suchende und kuschelige Patientin, die sich in ihr Los "fügt", wenn sie ihre wichtigste Bezugsperson um sich hat, die sich um sie kümmert. Will getragen werden und auf/an mir liegen, lässt sich anfassen und umsorgen. Begehrt nicht auf, sondern leidet still und vertrauensvoll. Sie konnte heute sogar den mehrmaligen Schlaf zulassen, was ich von beiden Kindern bei Krankheiten eigentlich (leider) nicht kenne.
Ganz anders der Große: so, wie er mit sich, uns und seinem Leben ringt, so kämpft er auch als Kranker, hadert, begehrt auf, wehrt ab, ist super unzufrieden und unleidlich und verwendet seine minimal verbliebenen Kräfte tatsächlich lieber auf destruktives Verhalten und Gegenwehr als auf seine eigene Genesung. Er tobt, schreit, wehrt Körperkontakt ab und quält sich sichtlich. Das war schon immer bei ihm so und macht es uns sehr schwer, ihn zu versorgen, wenn er es am Nötigsten braucht. Wenn ihr meinen Blog kennt, wird es euch nicht überraschen, wenn ich sage, dass mein Großer mir auch darin sehr ähnlich ist. Ich bin (bzw. war früher) eine schreckliche Kranke, mir konnte man nichts recht machen, ich war todunglücklich und haderte mit meinem Schicksal. Genauso ist es bei meinem Großen auch. Und trotzdem weiß ich nicht, wie ich damit umgehen soll, was ich machen soll. Er will einerseits seine Ruhe, wenn er krank ist, er tobt, schreit und hält sich die Ohren zu, wenn es ihm zu unruhig ist. Andererseits will er aber auch nicht alleine bleiben. Man weiß also nicht, soll man bleiben oder gehen. Er will nicht kuscheln, er will keine Nähe, er will nicht umsorgt werden, er will selbst agieren. Er hasst es, wenn er nicht sein eigener Herr, in dem Falle Herr seines Körpers, ist. Das ging mir immer ganz genauso. Vielleicht ist auch das ein Charakteristikum eines autonomen Kindes? Wie sind eure autonomen Kinder als Patienten, hadernd oder schicksalsergeben? Er hat nie, weder als Baby noch heute, mehr geschlafen, wenn er krank war, sondern meist deutlich weniger, so dass alles noch kräftezehrender war. Ich fühle mich regelrecht ausgesaugt nach Krankheitstagen mit ihm. Der Tag heute mit der kranken Kleinen war dagegen bis auf die kurze Nacht nicht extrem kräftezehrend (ich war ja auch nicht allein). Man kann sie besser auffangen, stützen und sie lässt das auch zu. Der Große nicht.
Man sieht also, die Unterschiedlichkeit meiner Kinder zieht sich wirklich durch alle Bereiche des Lebens und macht es für uns entsprechend schwerer oder leichter. Am Beispiel ihrer beiden kurz aufeinanderfolgenden Krankheiten hat man wieder einmal deutlich gesehen, wie jedes Kind tickt. Doch warum kann ich, obwohl ich den Großen verstehe und ihm auch darin ähnlich bin, ihn nicht oder schlechter unterstützen als die Kleine? Ich selbst konnte Hilfe lange Zeit schlecht zulassen und so ist es bei ihm auch. Wie kann man diesen Kreislauf unterbrechen, wie kann ich ihm nahebringen, dass er sich im übertragenen Sinne an uns lehnen muss, damit es ihm besser geht? Er will das aber nicht, er sträubt sich mit Leibeskräften gegen alles, wirklich alles. Da ist alles, was man tut, nicht nur anstrengend, sondern auch gefühlt irgendwie nutzlos. Es ändert nichts an seinem subjektiven Befinden, ob sich jemand liebevoll um ihn kümmert. Die Crux an der Sache ist: das ist bei mir genauso. Nur bin ich erwachsen, vernünftig und selbstständig. Er ist dagegen auf uns angewiesen. Für ihn sowieso schon schwer zu ertragen, und bei Krankheit noch schwerer. Wie kann man so etwas "aufweichen"? Was macht ihr, wenn eure kranken Kinder sich gegen eure Fürsorge wehren?
Nun hoffen wir, dass endlich mal Licht am Horizont auftaucht und wir alle wieder etwas stabiler werden als in den letzten Wochen. Es zehrt...

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