© Wilfried Hösl
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Die erste Millisekunde, als sich der Vorhang zur Uraufführung hebt, wummert die Musik schon los – dumpfes Flirren – ich denke sofort an Siegals Black Swan und bereue es, meine Ohrstöpsel nicht mitgenommen zu haben. Das Bereuen stelle ich schnell ein. Von rechts nach links läuft langsam das Wort “Noise” über den Vorhang, die Tänzer laufen von hinten nach vorne, ducken sich unter dem “Noise” weg. Und dann beginnt die große Vibration, die das Prinzregententheater an diesem Abend 40 Minuten lang gefangen nimmt. Unwillkürliche Gedanken an Save the Last Dance, wobei Unitxt deutlich über eine simple Fusion aus Ballett und HipHop hinausgeht. Wir sehen enthüllte Ballettkörper eine – teils ihnen fremden, teils offensichtlich “heimischen” Sprache sprechen. Die Korsagen der Tänzerinnen haben Griffe, mit deren Hilfe sie von ihren Partnern ungeheuer dynamisch bewegt werden können. Der Forsythe-Schüler bleibt nicht unsichtbar, seien es in Details wie den Hüftbewegungen der Frauen oder den energiegeladenen Männergruppen. “Signal” wird an den hinteren Bühnenvorhang geworfen, wir sehen eine stets gleiche Formation mit wechselnden Tänzern im Schattenspiel, ein Perpetuum Mobile, das sich ständig selbst anzukurbeln scheint. Mein Favorit ist ein kurzes Duett zum Schluss hin, getanzt von Dustin Klein und einer mir leider unbekannten Tänzerin, ein Feuerwerk in schwarz und weiß. Impulse geben den Anlass zum Tanz, und Raum und Licht bieten die ideale Malfläche für die Tänzer.
© Wilfried Hösl
Der frenetische Applaus wurde gefolgt von Cunninghams Biped aus dem Jahre 1999. Dieses bemerkenswerte Stück Tanzgeschichte ist eine zutiefst in sich versunkenes, im
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Kontrast zur vorherigen rhythmischen Achterbahnfahrt fast meditatives Bewegungskarussell aus Licht. Man könnte fast den Aufbau einer Yoga-Stunde zum Vergleich heran ziehen – erst kommt der Powerpart, dann die Entspannungsphase. Die Tänzer gleichen Regenbogenforellen in den sich im Licht brechenden hautengenen Kostümen. Die Poesie der Projektionen ist selbstverständlich und auf den ersten Blick ohne direkten Zusammenhang zum Geschehen auf der Bühne, einer Unter- bzw. Übermalung gleichsam – abstrakte Kunst, Unterwassertierchen, und doch stehen immer Menschen hinter der künstlichen Bewegung. Über diese Bewegungsskelette alleine ließen sich wissenschaftliche Aufsätze schreiben. Merce Cunninghams Choreographiestil lässt den Zuschauer über Formen der Instabilität nachdenken, wie man sie sich schwer vorstellen kann. Die Bewegungen sind nicht ständig im Fluss, das Innehalten und die eingefrorene Pose dominieren. Alle sind zusammen, gleichzeitig, aber jeder für sich in seiner Bewegung, die Einheitlichkeit hört beim Individuum auf. Aber die musikalische Untermalung lässt alles fließen, der Geist hat Platz, Raum, Zeit um zu fließen und auch abzuschweifen. Das ist das großartige an dieser Art von Tanz, er selbst wird zur Projektionsfläche für den Zuschauer. Die Kostüme, zum Ende hin durch hauchdünne Überwürfe verändert, beflügeln die Körper nochmals, verändern sie. Ich glaube, ich kann das Regnen der Elementarteilchen hören…
Besuchte Vorstellung: 25.06.2013, weitere Vorstellungen 26./28.06., 16.07.2013, 10./11./12.01.2014, jeweils 19:30 Uhr