Konzertbericht: The Decemberists (Kaufleuten, 28.02.2015)

Folkrock, Lenin und ein gefrässiger Wal: The Decemberists präsentierten sich im rappelvollen Saal des Zürcher Kaufleuten so, wie es ihre Musik und Texte erwarten liessen: routiniert, klug, mit einem Hang zur theatralischen Inszenierung. Ein rundum gelungener Abend.

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“The Singer Addresses His Audience” heisst die ironisch gefärbte Botschaft, die sowohl das aktuelle Decemberists-Album wie auch das gestrige Konzert eröffnete. Ein adäquates Intro, das mit seiner hymnischen Coda perfekt überleitete in ein Set, das als wunderbarer Querschnitt durch das bisherige Schaffen der Band funktionierte. Songs ab allen sieben Studioalben waren vertreten, wobei Titel des aktuellen Werks “What A Terrible World, What A Beautiful World” und des vorangegangenen kommerziellen Durchbruchalbums “The King Is Dead” (2011) den Löwenanteil ausmachten.

Die siebenköpfige Band aus Portland präsentierte sich gleichermassen routiniert und spontan. Das Set, das so unterschiedliche Songs wie den melancholischen Folkrock von “The Wrong Year” und “Down By The Water”, den derben Blues von “Won’t Want For Love” oder den ambitionierten Zyklus “The Crane Wife 1, 2 & 3″ umfasste, spielte die Band mit Hingabe, Abgeklärtheit und Raum für Interaktion.

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Colin Meloy, der Sänger und Songwriter der Band, ist auch live deren unbestreitbarer Mittelpunkt. Er erwies sich als grossartiger Sänger (wenig überraschend), erprobter Motivator und gebildeter Mann, der dem baffen Zürich noch etwas über die eigene Stadtgeschichte beizubringen wusste. Dass auf der Bühne des Kaufleuten einst Lenin eine Rede gehalten hat, war wohl den wenigsten im Publikum bewusst. Dass gerade ein Amerikaner es ihnen beizubringen wusste, mag einige Vorurteile aufgerüttelt und hoffentlich zerstört haben. Auch von einem Ausflug zum Grab von James Joyce am Zürichberg berichtete Meloy zwischendurch, und für den La-Di-Da-Chorus von “16 Military Wives” liess er das Publikum einen Kreis bilden, in dessen Mitte eine kleine Insel aus 20-30 Personen (die Schweiz) gegen den Rest des Saales (die EU) ansingen sollten. Verpackte in gute Songs, scheint es, fallen politische Statements allen leicht.

Das Publikum im bis auf die letzte Nische prall gefüllten Kaufleutensaal zeigte sich begeistert. Und es sollte nicht der Höhepunkt der theatralischen Inszenierungskunst der Band bleiben. Dieser nämlich folgte ganz zum Schluss. Nach der besinnlichen ersten Zugabe “June Hymn”, schlossen The Decemberists das Set mit “The Mariner’s Revenge Song”. In diesem Song finden sich zwei Überlebende, deren Lebenswege sich immer wieder gekreuzt haben, im Bauch eines Wals wieder. Der eine der beiden weiss freilich nichts von diesen Zusammenhängen und lässt sich vom anderen die Geschichte ihrer Leben erzählen.  Zur Aufführung liess die Band einen Plastikwal über den Köpfen des Publikums zirkulieren und ermutigte es, an einer bestimmten Stelle so zu schreien, “as if you’re being swallowed by a whale”. Die Grenzen von Musik und Theater vermochte die Band während der Aufführung des Stücks gekonnt zu verwischen – und erntete letztlich, für dieses furiose Finale und den ganzen wunderbaren Abend, den tosenden Applaus des Publikums.

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