Konservative Familienplanung und die böse DDR

Seit die Junge Welt sich mit dem offiziellen Ehrentitel Marxistenblatt schmücken kann, lese ich dort besonders gern mal vorbei. Heute fand ich darin einen Artikel, der mit „Kindstötung auf DDR-Art“ überschrieben war. Es ging um die Vorstellung eines neues Buchs zum Schwangerschaftsabbruch, das einer derartigen Verleumdung von ostdeutschen Frauen entgegen treten soll.

Die Autorin dieses Buchs, Heike Walter traute ihren Ohren nicht, als sie Ende Februar 2008 Wolfgang Böhmer (CDU) im Radio hörte. Böhmer, seit 2002 Ministerpräsident von Sachen-Anhalt, sagte in einem Interview mit dem Focus, dass Kindstötungen in Ostdeutschland quasi als Mittel der Familienplanung statt gefunden hätten. Böhmer wörtlich: „Ich erkläre mir das vor allem mit einer leichtfertigeren Einstellung zu werdendem Leben in den neuen Ländern. Für manche ostdeutsche Frau ist eine Kindstötung anscheinend ein Mittel der Familienplanung.“ Diese Einstellung sei eine Folge der Abtreibungspolitik in der DDR, die 1972 eine Fristenregelung ohne Zwangsberatung eingeführt hatte. Damit konnten Frauen eine Schwangerschaft bis zur zwölften Woche kostenlos beenden. Allerdings führte diese liberale Praxis nicht zu einer höheren Abbruchrate als beispielsweise in der Bundesrepublik – was auch daran liegen mag, dass es in der DDR für Frauen wesentlich einfacher war, dank eines gut ausgebauten staatlichen Betreuungssystems auch als Mutter einen Beruf auszuüben und Geld zu verdienen.

Die Radiosendung führte jedenfalls dazu, dass Heike Walter den Beschluss fasste, Frauen aus der DDR über ihre Erfahrungen mit dem Schwangerschaftsabbruch befragen und die Ergebnisse in einem Buch zu veröffentlichen. Heike Walters Buch „Abgebrochen. Frauen aus der DDR berichten“ versammelt 16 Erfahrungsberichte. Ich habe es noch nicht gelesen, werde das aber bestimmt tun. Der Vollständigkeit halber merke ich an dieser Stelle an, dass sich Wolfgang Böhmer später im sächsischen Landtag für diese Äußerungen entschuldigen musste.

Gerade die Konservativen tun ja gern so, als würde eine liberale Abtreibungsregelung dazu führen, dass Frauen dann massenweise abtreiben würden – nur weil es ja so einfach sei. Das halte ich für absoluten Unsinn. Keine Frau macht das aus Spaß. Herr Böhmer sollte das wissen, er war schließlich bis 1990 als Chefarzt in der gynäkologischen Abteilung eines evangelischen Krankenhauses in Wittenberg (Sachsen-Anhalt). Dort wurden nach seiner Aussage keine Schwangerschaftsabbrüche vorgenommen. Auch das ist ein Indiz dafür, dass es auch in der in diesem Punkt liberalen DDR nicht an jeder Ecke die Möglichkeit gab, abzutreiben.

Schön, dass Herr Böhmer auch in der DDR sein Gewissen rein halten konnte. Die Frage ist, wie geht es den Frauen damit? Nun gehören zu allererst ja einmal zwei dazu, damit es zu einer Schwangerschaft kommt. Das ist nicht nur im Osten, sondern auch im Westen so. Und überall ist es so, dass sich auch Männer, die es sich eigentlich leisten könnten, nicht um den von ihnen produzierten Nachwuchs kümmern – wie beispielsweise auch der Skandal um den ehemaligen Brandenburger Innen- und Finanzminister Rainer Speer zeigt. Der beliebte SPD-Politiker hatte der Mutter seines unehelichen Kindes keinen Unterhalt gezahlt – obwohl der sich das bestimmt hätte leisten können. Und Herr Speer ist keineswegs der einzige Kerl, der sich so verhält.

Warum riskieren denn noch immer Millionen von Frauen weltweit ihr Leben und ihre Gesundheit, um ein ungewolltes Kind nicht bekommen zu müssen?! Das hat doch nichts mit Spaß zu tun. Das ist so ernst und traurig, dass es kaum zu ertragen ist, wenn da irgendwelche konservativen Arschlöcher vom Schutz für das werdende Leben faseln. Warum muss immer nur das ungeborene Leben geschützt werden und nicht das schon geborene?!

Das ist so unglaublich verlogen: Erst wird moralisiert und das ungeborenen Leben geschützt und wenn es erst mal geboren ist, dann ist es mit dem Schutz und der Moral ganz schnell vorbei. Dann ist es plötzlich wieder Privatsache, Kinder zu haben. Dann kann man die ganzen geborenen Menschen vernachlässigen, ausbeuten, ausgrenzen und sonst wie schlecht behandeln, das geht dann schon in Ordnung. Hauptsache, sie wurden nicht schon im Mutterleib umgebracht, sondern erstmal zu späteren Benutzung ausgetragen.

Und gerade diese Regierung, mit ihrem christlichen Menschenbild und ihrem ganzen Familienförderungsfirlefanz, hat maßgeblich dafür gesorgt, dass die Frauen, die besonders schutzbedürftig sind, weil sie keinen Job und kein eigenes Geld haben, nun auch noch mit dem Entzug des Erziehungsgeldes bestraft werden, wenn sie so blöd gewesen sind, nicht nur arm zu sein, auch noch schwanger zu werden. Denn noch mehr arme Kinder will diese Regierung definitiv nicht. Insofern ist die Entscheidung gegen ein Kind und für eine Abtreibung in der größer geworden Bundesrepublik etwas einfacher geworden – wenn auch nicht das Procedere.

Denn mit der Entscheidung, das Kind vielleicht doch zubekommen, geht es ja nicht nur um Schwangerschaft und Geburt. Das ist ein Klacks. Danach geht’s ja erst richtig los. Da musst du dich kümmern und da sein und bist immer und rund um die Uhr für alles verantwortlich – das ist hart und, das muss frau sich klar machen, erstmal für den Rest des Lebens so!

Da kann so ein Mann wie der Böhmer sich natürlich hinstellen und von Verantwortung faseln. Ihn trifft es ja nicht. Der kann eh nicht stillen. Der kann vielleicht mal die Windeln wechseln. Mal den Brei warm machen. Mal dies, mal das – aber es ist doch kein Zufall, dass die Grundschullehrerinnen immer die Mama beiseite nehmen, wenn der Papa dem Kind wieder kein Frühstück eingepackt hat. Da kann frau zig Mal erklären, dass sie in dieser Woche nicht zuständig ist, weil das Kind beim Papa ist. „Ja, aber Sie sind doch die Mutter!“ (Und das ist ja schon eine der Luxuslösungen, immerhin interessiert so ein Papa wenigstens ansatzweise für seinen Nachwuchs.)

Warum ist es jetzt denn so ein Ding, dass Familienministerin Schröder schwanger ist? Weil sie das Kind kriegt. Weil sie dann MUTTER ist. Und dann noch in der CDU. Dass die SPD-Nahles ihr Kind dem Vater überlassen will, wird zwar auch mokiert, aber die Sozen, die sind halt so. Sozialdemokratische Deformation quasi vorprogrammiert. Der CSU-Seehofer hat doch auch kürzlich erst noch ein Kind gekriegt. Bei Männern kein Problem. Und die müssen gegebenenfalls auch nicht abtreiben.



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