Wo große Talente gar nicht so klein anfangen
Das Konservatorium Wien veranstaltete am 19. April in den Tiefen des Konzerthauses im Rahmen der Konzertreihe „Im Loth“ eine vielstündige Party – und verschränkte dabei Jazz mit zeitgenössischer E-Musik, ohne Ohrwürmer des 20. Jahrhunderts dabei ganz außer Acht zu lassen. Die Tiefen des Konzerthauses bestehen nicht nur aus dem Berio-Saal, der an diesem Abend, auch dank kluger Bestuhlung, voll war, sondern auch der Bereich des Buffets im Kellerhalbstock verwandelte sich zeitweise in eine Klangbühne. Da war das Publikum aufgerufen, zwischen ganz unten und halb unten nach jeweils wenigen Darbietungen zu wechseln, was vielleicht bei einer noch größeren Saalwahl interessanter gewesen wäre, sich so jedoch schon nach ganz kurzer Anlaufzeit zu einer charmanten kleinen Abendroutine entwickelte.
Klicke, um die Slideshow anzusehen.Unter der Leitung von Roman Schwaller, Ines Reiger und Marino Formenti, der auch für die Konzeption verantwortlich zeichnete und sogar Solo-Klaviereinlagen zum Besten gab – die übrigens unter die Haut gingen – gestaltete sich die „Party“ als lockeres Come-together. All jene, denen musikalisches Cross-over Spaß bereitet, durften so im Nebeneffekt auch die eine oder andere Bekanntschaft gemacht und damit ganz das Ziel der Veranstaltung erreicht haben.
Was bei ersten Auftritten junger Musikerinnen und Musiker immer aufs Neue Freude bereitet ist zu beobachten, wem von ihnen tatsächlich eine Zukunft auf den Brettern der Welt beschieden sein kann. Und das waren an diesem Abend tatsächlich viele. Allen voran die Mitglieder des Jazz-Orchestras, das von Roman Schwaller, seines Zeichens international anerkannter Jazz-Saxophonist, mehr angefeuert als dirigiert wurde. Hier ist offenbar nicht nur ein Lehrer-Schüler-Funke angefacht, vielmehr brennt da schon ein leidenschaftliches Feuer. Duke Ellington und Herbie Hancock fungierten dabei als Türöffner für Eigenkompositionen von Roman Schwaller, deren Jazzrhythmen „oh man!“ pulsierend durch den Saal brausten. Aber nicht nur dieses opulente musikalische Feuerwerk ging unter die Haut. Auch die „kleinen“ Einlagen im Buffetbereich hatten es in sich. „I`ve got you under my skin“ von Cole Porter ließ das dichtgedrängte Publikum ganz, ganz leise werden, als das quartett konsax eine Bearbeitung von diesem Klassiker spielte. Mit der Komposition „Attica“ von Frederic Rzewski hingegen wurde vom kons.wien.neuemusikensemble ein eindrucksvolles Werk aufgeführt, das extrem selten zu hören ist. In einer nur leicht abgewandelten Endlosschleife ist immer wieder der Satz „Attica..is..in..front..of..me“ zu hören, das Bekenntnis eines ehemaligen Gefängnisinsassen. In Attica, einem berüchtigten Gefängnis in N.Y. wurden 1971 insgesamt 43 Menschen bei einem Aufstand getötet. Rzewski setzte diesen mit seiner Komposition ein berührend-schönes Denkmal, das an diesem Abend fast wie ein fernes Irrlicht über all den anderen Programmpunkten leuchtete.
In Erinnerung bleiben wird sicherlich auch Tora Augestad, die als ehemalige Schülerin dem Kons mit Kurt Weill-Liedern ihre Reverenz erwies. In feuerrotem, eng anliegendem Flamenco-Kleid mit üppiger Rüsche ums Knie war sie eine Antipodin zu Nina Reiter, die in elegantem Schwarz Duke Ellingtons „Sophisticated lady“ beschwor. Was DJ Tomate van Monte zu vorgerückter Stunde zum Ausklang an den Turntables produzierte, entzieht sich der Rezensentinnenkenntnis leider – was dem Schlafbedürfnis ihres vorgerückten Alters zuzuschreiben ist. Schade!
Attica – hier leider nicht vom kons.wien.neuemusikensemble, das mit der Stimme von Katharina Huhn und einer verlangsamten Dynamik hier einen Aufführungsmaßstab setzte.
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