Kommentar zu „Claudius the Idiot“ von lesefreude

Robert Graves – I, Claudius (Ich, Claudius, Kaiser und Gott)

Kommentar zu „Claudius the Idiot“ von lesefreudeDer römische Kaiser Claudius (10 v. Chr. – 54 n. Chr.) ist bereits 51, als er nach der Ermordung seines Neffen Caligula durch die Prätorianer gegen seinen Willen zum Imperator ausgerufen wird. Bis zu diesem Zeitpunkt hat der unscheinbare Mann beinahe keinerlei öffentliches Amt bekleidet und obwohl er der Herrscherfamilie seiner Zeit angehört, hält sich sein politischer Einfluss bis dahin in engen Grenzen. Zugleich ist er einer von wenigen Männern seiner Generation und seiner Familie, die überhaupt so alt werden; seine Brüder und Cousins sind in den Jahren zuvor einer Reihe von Intrigen zum Opfer gefallen, weil sie verschiedenen anderen Männern (oder ehrgeizigen Müttern) im Weg standen. Nicht so Claudius, der aufgrund diverser körperlicher Beeinträchtigungen und einem ausgeprägten Sprachfehler oft belächelt wird (eine Reihe Historiker hat inzwischen die Vermutung geäußert, Claudius könne an Zerebralparese gelitten haben).

Robert Graves, dessen Name in der deutschen Übersetzung mit Robert von Ranke Graves angegeben wird, erzählt aus Sich dieses Claudius, des vierten römischen Kaisers, aus der frühen Kaiserzeit Roms. Graves hat Claudius für dieses Buch eine angenehme Persönlichkeit und ideale Erzählstimme verliehen – möglichst genau schildert Claudius, wie seine Großmutter Livia ihrem Mann Octavian mit allen Mitteln die Macht erhält und völlig skrupellos auch den Plan verfolgt, ihre eigenen Nachkommen als Octavians Nachfahren zu etablieren (Octavians Kindern aus erster Ehe will sie diese Ehre vorenthalten). Insbesondere aufgrund der vielen Verwandtschaftsgrade, Scheidungen und immer gleichen Namen, kann ein Roman über dieses Intrigengewirr schnell frustrieren. Da hilft es, dass Graves seinen Claudius, der in jungen Jahren von dem großen römischen Historiker Titus Livius unterrichtet wird, mit der Präzision des Gelehrten Namen und Verbindungen aufdröseln lässt. Es spricht für Graves, dass solche Sequenzen dem Unterhaltungswert des Romans nichts anhaben können. Insbesondere auch die Tatsache, dass er im letzten Teil des Buches mit einer Beschreibung von Caligulas Herrschaft noch einmal richtig aufdreht, macht das Lesevergnügen perfekt.

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„Proclaiming Claudius Emperor“. Sir Lawrence Alma-Tadema (1867)

Der Autor hat später freimütig erklärt, den Roman I, Claudius und den Nachfolger Claudius the God in einigen wenigen Monaten geschrieben zu haben, um möglichst schnell an  Geld zu kommen und seine Schulden zu begleichen. „Neither one of them is of any real worth“, hat er später erläutert. Graves‘ Plan ging auf: „Claudius has been very helpful in the money way“. Graves‘ Selbsteinschätzung war nicht die einzige kritische Stimme zu I, Claudius; einige Kritiker warfen dem gelernten Historiker Graves vor, dass er für seinen Roman lediglich die Annalen von Tacitus (109 n. Chr.) und Die zwölf Caesaren von Suetonius (121 n. Chr.) übersetzt und vermischt habe und die wenigen Lücken fantasievoll ausgeschmückt habe. Das wiederum wollte Graves nicht auf sich sitzen lassen – in der zweiten Auflage seines Romans inkludierte er beinahe zwei dutzend Quellen, zu deren Autoren Julius Caesar ebenso gehörte, wie der Philosoph Seneca und Claudius selbst.

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Ähnlich brisant: Robert Harris‘ Cicero-Trilogie. Hier geht’s zur Rezension.

Losgelöst davon, dass Graves von dem Buch nicht begeistert war und ungeachtet der Motivation hinter seiner Arbeit an I, Claudius, ist ihm ein unterhaltsamer historischer Roman gelungen, der auch einen Abgesang auf die römische Demokratie darstellt und dadurch in der heutigen politischen Lage an Bedeutung gewinnt. Eine besonders spannende (aktuelle) Lektüre, die in eine ähnliche Richtung zielt, ist übrigens die Cicero-Trilogie von Robert Harris.

2005 befand auch das Time Magazine, dass Graves‘ Roman von Bedeutung sei und wählte ihn unter die „100 Best English Language Novels Published Since 1923“. Der Kritiker Richard Lacayo begründete das wie folgt: „Claudius bears enduring witness to a moment when the virtues of the Roman republic, which has already been disposed of by the time he begins his tale, are being lost to the bloodlust and hubris of the Roman empire“ (Die Begründung und den Rest der Liste gibt es hier).

Kurzfazit: Fiktive Autobiographie des römischen Kaisers Claudius. Zum Schluss vermeint man, den Mann zu kennen (und zu mögen)…

Bitte beachten: Diese Rezension bezieht sich auf die englische Originalversion von I, Claudius und nicht auf den Folgeroman Claudius the God. Die deutsche Übersetzung Ich, Claudius, Kaiser und Gott beinhaltet beide Bände.

Übrigens: 1976 produzierte die BBC eine zwölfteilige Fernsehserie und verfilmte damit sowohl I, Claudius als auch Claudius, the God. Schätzungen zufolge, sahen etwa 2,5 Millionen Menschen bei Erstausstrahlung der Folgen zu. 1977 gewann die Serie drei BAFTAs. Im Jahr 2000 platzierte das British Film Institute die Serie auf Platz 12 der 100 Greatest British Television Programmes.


Klingt gut? Dann interessiert Dich sicherlich auch die fiktive Autobiographie des Kaisers Hadrian von Marguerite Yourcenar (Klick auf Bild öffnet die Rezension).

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Kategorien: Großbritannien | Tags: Antikes Rom, Rezension, Weltgeschichte | Permanentlink.


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