Kocht der Koch, so schmort er

Macht man sich des Terrors schuldig, wenn man Terroristen verköstigt? Werden Falafel und Kuskus, Kirchererbsen und Hartweizengries zu gefährlichen Waffen, weil sie den Magen eines Terroristen, eines Terrorfürsten gar, füllen? Leerer Bauch terrorisiert nicht gerne - und prompt landet der Koch Bin Ladins, verurteilt nach allen Regeln der unabhängigen Jurisprudenz, von einer Militärjury nämlich, für vierzehn Jahre im Gefängnis. Kebab als Tatbestand - diejenigen, die damals Stinger-Raketen und automatische Handfeuerwaffen lieferten, sind nicht nur weiterhin über jeden Verdacht erhaben: sie sind obendrein des Kochs Kerkermeister.
Ist man also selbst schon Terrorist, wenn man einen Terroristen bekocht? Die Militärjury hat das eindeutig bejaht. Wer den Kopf mittels Bauch bei Laune und bei der Arbeit hält, stillt damit nicht nur existenzielle Bedürfnisse - er ölt damit den Keilriemen des Terrormotors. Kochen ist die eine Sache - für einen Terroristen zu kochen bedeutet aber, sich schuldig zu machen. Kuskus als Waffe gegen die westliche Welt! Wäre Constanze Manziarly, die Köchin des Zweifingerbarts, nicht im Straßenkrieg Berlins ums Leben gekommen, hätten sich vermutlich ihre Nudelgerichte zu Nürnberg verteidigen müssen. Wer dem Führer Köstlichkeiten zubereitete, rührte im Töpfchen gleich noch das Leid der Welt an - den Diktator kulinarisch zu verzärteln bedeutete, die Gaskammern weiter anfachen. Eine Köchin mit Courage, hätte ihre so banale, doch so existenzielle Kunst, nicht für diesen Brotgeber hergeben dürfen. Ein Koch, der kocht, der einen derartigen Garst bekocht genauer gesagt, muß selber schmoren - einer, der was auf sich hält, läßt seinen widerlichen Herrn verhungern: im Namen der Welt.

Man kann es auch übertreiben - freilich kann man es nicht so einfach abtun, einst Smutje eines Massenmörders gewesen zu sein. Das blitzt nicht golden aus Lebensläufen heraus, entblößt den gastronomischen Fachmann außerordentlich; entblößt ihn als Menschen. Sicher, er hat nur seine Arbeit getan, das was er kann, was er gelernt hat. Zwischen Töpfen, Pfannen, Auflaufformen hat er jedoch sicherlich erkannt, wes Brot er bäckt. Nur war es ihm halt einerlei. Das ist fürwahr kein Qualitätsetikett, was man sich da anhängt - aber ein Grund zur Haft ist es mitnichten. Koch und Friseur, Arzt und Schneider - alle bieten sie seit jeher Dienstleistungen auch denen an, die der Schattenwelt entstiegen sind. Das ist traurig und keine besonders exzellente Werbung. Man mag es moralisch verurteilen - juristisch jedoch nicht. Das geht zu weit, zumal wenn es vierzehn bevorstehende Haftjahre sind, die zur Sühne notwendig sein sollen.
Die Militärjury, so könnte man frech annehmen, krankt an einem Abwehrmechanismus, den die Psychoanalyse Projektion nennt. Diese sei, so Sigmund Freud, das Verfolgen eigener Wünsche in anderen - andersherum formuliert: sie ist das Erahnen eigener Komplexe, eigener Schuld in anderen. Gut denkbar, dass die Jury, stellvertretend für eine ganze Gesellschaft, den banalen Küchenmeister verurteilte, weil sie tief in ihrem Innersten ahnt, dass es die banalen Zeitgenossen sind, die mit ihren gewöhnlichen, alltäglichen Handlungen das große Unrecht absegnen. Sie ahnen, dass es Köche, Friseure, Kellner sind, die Regime und Repressionen dienstleistend dulden; sie ahnen, dass es die banalen Alltagsmenschen sind, die sich mitschuldig machen, weil sie Verfassungsbrüche und Kriegsgeschrei leise vor sich abnickend unterstützen.
Sie projizieren diese Schuld, die eine ganze Gesellschaft ereilt, auf jenen Koch... er hat zu büßen, weil er Terroristen bekochte. Er muß büßen, damit sich ein aufbegehrendes Gewissen nicht allzusehr sträubt; er muß büßen, weil der Haareschneider industriestaatlicher Kolonialherren nicht belangbar ist; er muß büßen, weil man den Fleischer des Vertrauens etwaiger Sozialstaatsfeinde nicht einkerkert; er muß büßen, weil man den freundlich grüßenden Nachbarn von Kriegsbefürwortern nicht vor Gericht bittet - mit der ganzen Chuzpe der Psychoanalyse könnte man also sagen: sie brauchen einen Prügelknaben, dem sie seine Schuld des Alltags aufladen - eine Schuld, die sie schamhaft bei sich selbst vermuten...

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