Kleiner Versuch zur Alltagstauglichkeit von Brotrezepten – Beispiel: Milchbrötchen

Milchbrötchen 2 900 QU

Brot und Brötchen selber zu backen gehört für mich zu den befriedigendsten Tätigkeiten rund ums Kochen und Backen überhaupt. Frisches, selber handwerklich hergestelltes Brot überflügelt die Produkte aller professionellen Backmischungs- und Aufback-Bäcker ganz locker. Außerdem hält es es länger frisch und das Variationspotenzial ist nahezu unendlich. Alles super also?

Fast!

Denn es gibt einen substantiellen Nachteil: die überwiegende Zahl der Brotrezepte erfordert strategische Planung und ein flexibles Zeitmanagement. Der Netto-Aufwand hält sich zwar in den meisten Fällen in Grenzen. Aber: durch die relativ großen Zeitabstände zwischen den Arbeitsgängen ist einiges an Planungsaufwand erforderlich, um die Brotbackerei kollisionsfrei in den Tagesablauf zu integrieren. Spontan kann man vergessen. Denn: für einen wirklich überzeugenden Geschmack kommt man in der Regel um einen Vorteig nicht herum. Für Sauerteigbrote muss man zudem Auffrisch-Zeiten berücksichtigen. Und am Backtag erfordern viele Rezepte noch mal einige Stunden, bis das Brot fertig ist.

Ein besonders delikater Fall ist das folgende Milchbrötchen-Rezept. Das gehört zum leckersten, was unseren Backofen in den letzten Jahren verlassen hat und ist quasi über Nacht zu einem festen Bestandteil unseres Frühstückes geworden.

Blöderweise ist aber gerade dieses Rezept außergewöhnlich schlecht in den Familien-Alltag integrierbar. Es gibt einen Vorteig. Der Hauptteig muss 12 Stunden in den Kühlschrank. Und – noch schlimmer: das Rezept sieht am Backtag schlappe vier (!) Stunden Zeitaufwand vor. Schon alleine das ist ungünstig, denn damit sind die Brötchen zu der Mahlzeit, zu der sie am besten passen, nämlich dem Frühstück, keinesfalls frisch verfügbar.

Allerdings ist die Option, diese Brötchen nicht regelmäßig zu backen, in unserer Familie nicht durchsetzbar. Deshalb habe ich den letzten Wochen getestet, wie weit man das folgende Rezept dehnen und verschwurbeln kann.

Und siehe da: die Milchbrötchen verzeihen erfreulich viele Freiheiten…

Vorteig

Das Rezept sieht vor, denn Vorteig bei 16 °C für 16 Stunden ruhen zu lassen. Wenn man die Temperatur um einige Grad reduziert, z.B. in einem kalten Keller, kann man die Ruhezeit um einige Stunden ausdehnen und den Teig so am Vorabend spät zubereiten und dann am nächsten Tag, wieder Abends, weiterverarbeiten. Qualitätseinbußen habe ich keine feststellen können.

Beispiel-Plan – Vorteig: Donnerstag Abend, 23 Uhr – Vorteig herstellen

Hauptteig

Schritt 1: Der Hauptteig muss im Kühlschrank – also bei ca. 6 °C – 12 Stunden gehen. Auch hier ist eine Verlängerung kein Problem. Wer über einen etwas kühleren Kühlschrank oder über ein 0 °C-Fach verfügt ist fein raus. Dann kann man nämlich gemütlich am nächsten Abend weiterarbeiten.

Beispiel-Plan – Hauptteig Schritt 1: Freitag Abend, 19 Uhr – Hauptteig herstellen

Schritt 2: Am Backtag soll der Teig nach dem Ausstoßen zwei Stunden anwärmen. Nach dem Formen sind noch mal 60 Minuten Gare vorgesehen. Hier kann man es locker angehen. Wenn es sein muss – und minimale Risse wie auf dem Foto (s.u.) nicht stören –  kann man die vier Stunden locker auf eine halbe Stunde reduzieren, in dem man die Aufwärm-Zeit schwänzt und die Geh-Zeit der Teiglinge auf eine halbe Stunde reduziert.

Beispiel-Plan – Hauptteig Schritt 2: Samstag Morgen – Vor dem Frühstück anwärmen lassen, danach Teiglinge formen, 30 Minuten gehen lassen und backen

Milchbrötchen 3 900 HK

Fertige Brötchen

Die Brötchen lassen sich perfekt einfrieren. Zum Auftauen einfach eine Minute in der Mikrowelle bei um die 250 Watt eine Minute anwärmen (Angabe für ein Brötchen. Die Zeit verlängert sich bei mehreren Brötchen deutlich.) und dann auf den Toaster. Das Ergebnis lässt keine Wünsche offen.

Milchbrötchen, frei nach Plötz

Das Rezept basiert auf den Pain au lait von Plötz. Ich habe es leicht adaptiert. Die Ruhezeiten am Backtag haben sich verkürzt (Aufwärmen nur eine Stunde statt zwei, Ruhen der Teiglinge 30 statt 60 Minuten). Außerdem lasse ich den Vorteig bei Raumtemperatur kurz „anspringen“, bevor er in den Keller wandert.

Vorteig

120 g 550er Weizenmehl
70 g Vollmilch (3,5%), handwarm
1 g Hefe, frisch

Hauptteig

Vorteig
450 g 550er Weizenmehl
250 g Vollmilch (3,5%), handwarm
10 g Hefe, frisch
10 g Salz
60 g Zucker, am besten brauner Demerara
1 Ei
125 g weiche Butter
1 Ei und ein wenig Milch

Die Zutaten für den Vorteig mit der Hand verkneten, eine halbe Stunde bei Raumtemperatur anspringen und dann 16 Stunden bei um die 16°C ruhen lassen.

Für den Hauptteig: den Vorteig sowie alle Zutaten außer Zucker und Butter drei Minuten in der Küchenmaschine kneten. Es entsteht ein relativ kompakter Teig.

Dann den Teig weitere drei Minuten kneten und erst die Butter und dann den Zucker zugeben.

Im Anschluss den Teig in den Kühlschrank verfrachten und bei ca. 6°C ungefähr 12 Stunden gehen lassen.


Wichtiger Hinweis für alle Besitzer von Kitchen Aid & Co

Alle Rühr- bzw. Knetzeiten gelten für den Thermomix. Für alle „klassischen“ Küchenmaschine gilt grob: die Zeitangaben verdoppeln sich. D.h.: wenn Ihr ein Kitchen Aid oder Ähnliches habt, knetet bitte ungefähr doppelt so lange wie hier angegeben. Davon das erste Drittel der Zeit langsam, das zweite Drittel schnell. Wenn ihr die hier angegebenen Knetzeiten anwendet, bildet sich das Glutennetzwerk nicht ausreichend aus.


Den Teig vorsichtig ausstoßen. Dann ungefähr eine Stunde bei Raumtemperatur, besser bei 24°C aufwärmen lassen.

Insgesamt 18 Teiglinge á ca. 60 g abstechen. Dafür ist es hilfreich, den Teig zu einer gleichmäßigen Rolle zu formen. Die Teiglinge rund schleifen und lang stoßen.

Die Teiglinge dann mit der Ei-Milch-Mischung bestreichen und 30 Minuten bei Raumtemperatur, optimalerweise bei 24°C, offen gehen lassen.

Dann die Teiglinge nochmals abstreichen und bei 190°C im Dampf 25 Minuten backen.


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