Kleine Schweiz – was nun?

Nach der hauchdünnen Annahme der Zuwanderungsinitiative schaut die Schweiz erstaunt in den Spiegel und wundert sich über den eigenen Mut – oder die eigene Dummheit, je nach politischer Couleur. Nichts ist mehr wie vor dem  Abstimmungswochenende. Die Schweiz steht vor einer Zerreissprobe. – Ein Kommentar.

Seit dem letzten Abstimmungssonntag ist der Polarisierungsschub förmlich mit Händen zu greifen. Erste Irritationen im Verhältnis mit der Europäischen Union zeichnen sich bereits ab. Seit der Abstimmung über die Initiative «Gegen Masseneinwanderung», die mit 50,3 Prozent der abgegebenen Stimmen angenommen wurde, ist das Land tief gespalten und steht unter zunehmendem inneren und äusseren Druck. Das Zufallsmehr von 0,3 Prozent entwickelt eine fast schon beängstigende Dynamik, während die SVP, die Schweizerische Volkspartei und Initiantin des Volksbegehrens, die Gunst der Stunde nutzt und mit fliegenden Fahnen Debatte und Politik vor sich her treibt.

Keine Frage, die Initiative «Gegen Masseneinwanderung» hat gelinde gesagt faschistoide Züge. Darauf verweist schon ihr Titel: Wer von Massen spricht und Menschen meint, hat sich meines Erachtens in dieser Hinsicht bereits geoutet, womöglich gar unfreiwillig. Wird die Kontingentierung der Einwanderung tatsächlich in der Bundesverfassung festgeschrieben, so wie das die Initiative fordert, hat unser Grundrecht fortan einen hässlichen, braunen Fleck.

Wenn Ängste bewirtschaftet werden

Anderseits glaube ich nicht, dass alle Befürworter der Initiative per se eine faschistoide Gesinnung haben. Sie haben Ängste und fühlen sich irgendwie bedroht. Bis hinein in die Mitte der Gesellschaft, bis in den Mittelstand sind Menschen durch die Entwicklungen der Gegenwart verunsichert, ja beängstigt. So diffus diese Ängste auch sind, sie sind real und ernst zu nehmen. Es fehlt ihnen ja nicht an Anlass. Sie sind ja nicht völlig aus der Luft gegriffen. Gefährlich wird es allerdings, wenn diese Ängste bewirtschaftet und in Bahnen gelenkt werden, die mit den wirklichen Herausforderungen der Gegenwart wenig mehr zu tun haben, so wie es die rechten Parteien und insbesondere die SVP seit Jahren tun. Verängstigte Menschen sind lenkbar und zu allem bereit. Sie sind verführbar.

Das Ja zur aktuellen Zuwanderungsinitiative ist eine Folge dieser Verführbarkeit. Es ist irrational und falsch. Es ist das Ja einer kleinen, ängstlichen Schweiz, einer engen und beengenden Schweiz. Keine Frage: Dieses Ja wird früher oder später korrigiert werden – auf demokratischem Wege, versteht sich. Doch bis es soweit ist …


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