Kleider machen Leute

Vor der Geburt unseres Sohnes war mein Kleiderschrank vollgestopft mit kurzen Röcken, Kleidern, Seidenblusen oder bestickten Shirts. Mittlerweile bin ich nahezu dauerhafte Hosenträgerin und meine Oberbekleidung sollte möglichst nicht zum Zubbeln und Ziehen verleiten. Das geht einfach nach hinten los. Kurze Röcke und Kleider sind komplett untauglich, es sei denn, ich möchte der Welt auf dem Spielplatz Einblick auf mein Hinterteil gewähren.

Auch wenn mein neuer Mutti-Style absolut in Ordnung für mich ist, gibt es diese Anlässe, an denen ich doch einmal etwas Besonderes aus den verstecktesten Winkeln meines Kleiderschranks krame. Bei wichtigen Meetings bei der Arbeit, zu festlichen Anlässen wie Taufen oder Hochzeiten oder einfach, weil mir danach ist. Letztens stand ein Fotoshooting für die Webseite meines Arbeitgebers an. Die Wahl meines Outfits ist mir gar nicht so leicht gefallen, aber letztendlich war ich ganz zufrieden.

3, 2 ,1 …meine Mama!

Das Kopfzerbrechen hätte ich mir aber sparen können: Unser Sohn hält nichts von schicklicher Kleidung. Zumindest nicht, wenn sie nicht von ihm markiert wurde. Jeder soll schließlich sehen, dass ich eine Mutter bin. Seine Mama, die seinen Sabber an der Schulter trägt, seine Fingerabdrücke auf der Brust, seinen Schnodder am Ärmel. Kaum hatte ich mich in mein Foto-Outfit geschmissen, kam der kleine Mann angerannt und ohne zu überlegen hatte ich ihn auf dem Arm. Keine drei Sekunden später hatte der Herr dann auch sein Revier markiert. Nicht böswillig, das ist klar. Aber ärgerlich war es für mich trotzdem. Ein Schnodder-Bild braucht keine Webseite.

Also zog ich mich um. Um das nächste Malheur zu vermeiden, war es nun am Vater, den Kleinen Mann zu bespaßen. Darauf hatte er aber keine Lust. Er wollte zu mir, seiner Mama, keine Widerrede. Wird schon gut gehen, dachte ich mir. Wenn ich nur gut aufpasse, dann bleibt mein Zweite-Wahl-Outfit verschont. Hätte ich besser wissen müssen. Dieses Mal kuschelte er sich an mich und vergrub seine kleine Nase unterhalb meines Kinns. Nein! Nun zierte meinen Kragen ein feiner Schnodderfilm. So langsam wurde ich genervt. Obwohl unser Sohn sicherlich nicht beabsichtigte, mein Shooting zu versauen, wurde ich gereizt. Bringt aber nichts. Einzige Lösung: Der Vater macht sich auf den Weg zur Kita während ich mich in Outfit Nummer 3 werfe. Unmarkiert überstand ich das Shooting – natürlich trotzdem als Mama.

Manchmal überkommt mich auch einfach die Lust, mir doch noch einmal ein Seidenshirt zu kaufen. Bei der Arbeit gibt es zwar keinen Dresscode, aber ab und an schaffe ich mir meinen eigenen. So auch heute. Und dann stehe ich mit meiner Bluse bei der Arbeit im Bad und sehe Fäden an meinem Bauch. Stimmt, unser Sohn hatte einen scharfkantigen Fingernagel, die Kralle habe ich ihm heute morgen gestutzt. Da hatte ich die Bluse aber schon an. Tja, da war der Herr mal wieder schneller und hatte ganz deutlich gemacht: Die Frau mit der Bluse ist eine Mutter, meine Mutter. Zweifelsohne.


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