Kinder auf dem Prüfstand

Unser Sohn soll sich frei entwickeln. Er soll das Tempo bestimmen. Soll entscheiden, wann er nicht mehr gestillt werden möchte, wann er laufen möchte, wann er aufs Töpfchen gehen möchte. Wir wollen keine Eltern sein, die ihn in seiner Entwicklung fordern, ihn dazu bringen, sich schneller oder langsamer zu gewöhnen oder zu entwöhnen. Wir wollen ihn nicht nach einem Schema F bewerten, sondern ihn nehmen, wie er ist.

Gewogen, gemessen und für gut genug befunden

Aber ist das überhaupt möglich? Seit der Geburt wird unser Sohn in regelmäßigen Abständen gewogen und gemessen. Klar, das ist wichtig, um seinen Gesundheits- und Entwicklungszustand zu überprüfen. Zumindest am Anfang. Aber, ist es bei einem bald Zweijährigen wirklich wichtig, zu wissen, ob er ein Kilo zu viel oder zu wenig wiegt? Wenn er eine rosige Haut und Appetit hat, gut gelaunt und bewegungsfreudig ist? Wenn wir als Eltern den Eindruck haben, dass er ein putzmunteres gesundes Kerlchen ist?

Die medizinische Bewertung ist aber nicht das Einzige. Letztens hatten wir unser erstes Kita-Gespräch. Fazit: Unser Sohn ist ein Prachtkerl mit einem sehr gesunden Appetit. Er zeigt keinerlei Auffälligkeiten und entwickelt sich seinem Alter angemessen. Prüfung bestanden! Glückwunsch kleiner Mann. Natürlich waren wir super zufrieden, dass unser Sohn sich so gut entwickelt.

Aber wer legt eigentlich fest, was eine gute Entwicklung ist? Würden wir Eltern bei einer solchen Einstufung gut abschneiden? Sind wir sozial kompatibel? Ist unser Sprachvermögen normgerecht? Bewegen wir uns ausreichend? Wie ist es um unser Essensverhalten bestellt? Malen wir gerne oder sind wir eher musikalisch veranlagt? Die Kita ist angehalten, Bewertungsbögen auszufüllen. Unser Sohn wird bewertet. Rundum begutachtet und eingestuft. Zwar nicht nach Noten, das würde aber auch nicht sonderlich viel ändern.

Höher, schneller, besser – oder einfach durchgefallen

Wenn man so darüber nachdenkt, ist es fast schon absurd. Warum muss das alles bewertet werden? Warum muss ein Kind ab einem bestimmten Alter einen gewissen Wortschatz haben? Ist es dann später auch so, dass es nicht normal ist, wenn er mit 16 noch keine Freundin hatte? Wenn er mit 20 immer noch zu Hause wohnt und mit 23 immer noch nicht weiß, wohin es beruflich gehen wird? Wir wollen so nicht denken und dennoch sind diese Denkmuster irgendwie gelernt. Kein Wunder, wenn wir schon anfangen, die Kleinsten zu begutachten wo es nur geht.

Nicht falsch verstehen, unsere Kita macht das super. Sie haben mehrmals betont, dass diese Einstufung nur eine Orientierung ist und wir als Eltern immer schon ein gutes Bild über den Entwicklungsstand unseres Kindes haben. Aber dennoch wird durch solche Systematiken schon früh der Gedanke in uns Eltern verankert, dass alles bewertet werden muss und unser Sohn bei diesen Bewertung bestmöglich abschneiden sollte. Manchmal haben wir den Eindruck, dass alles bewertet wird: Wir in unserer Elternrolle, aber vor allem unser Sohn in seinem Wesen und in seiner Entwicklung. Dabei wollen wir doch nichts anders als unseren Weg finden als Familie und als Eltern. Doch ganz besonders wollen wir ihn seinen Weg finden lassen und zwar in aller Freiheit, die ihm zur Verfügung steht.

Einerseits stören wir uns an diesen Bewertungsgedanken, andererseits geben sie eine Sicherheit. Eine Sicherheit für unsere Kinder. Dass sie gut aufgehoben sind, ihre Eltern sich kümmern, sie nicht verwahrlosen und altersgemäß aufwachsen. Wie soll man so etwas überprüfen, ohne zu bewerten, ohne einzustufen? Aber dennoch nimmt dieser Bewertungswahn Züge an, die nicht erforderlich sind. Da steht dann etwas ganz anderes als das Kindeswohl im Vordergrund.


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