Schwangau, Mitteldorf: Schneedach im Laternenlicht
Die katholische Kirche muss aufpassen, dass sie nicht schon sehr bald nur noch "Schnee von gestern" ist.Ökonomisch ist sie ein Dienstleistungsbetrieb: Für ihre Gläubigen erbringt sie zunächst einmal religiöse Dienstleistungen ("Sinnstiftung", "Seelentröstung" usw., die sozialen Einrichtungen, die auch Anders- und Nichtgläubige nutzen können oder könnten, klammere ich hier aus).
In ihrer ideologischen Struktur gibt es ein Element, welches sie von den protestantischen Kirchen fundamental unterscheidet: die Funktion der Priesterschaft (des Klerus) als unverzichtbarer Mittler zwischen den Gläubigen und Gott.
Zentral dürfte insoweit das Sakrament der Eucharistie sein, die (nach katholischem Verständnis) "unblutige Vergegenwärtigung des Kreuzesopfers" (Wikipedia) in der Heiligen Messe. Damit ist die (religiöse Seite der) katholischen "Dienstleistung" zwingend an das Vorhandensein von Priestern gebunden. Und wenn die Zahl der Priester immer geringer wird (s. u.; vgl. auch Wikipedia-Stichwort "Priestermangel"), dann leidet zwangsläufig die Qualität dieser Dienstleistung.
Wegen des voraussichtlich auch längerfristig - und dramatisch - schrumpfenden Priesternachwuchses in Deutschland müssen die Bischöfe Überlegungen darüber anstellen, auf welche Weise sie die religiöse Versorgung später organisieren wollen.
Was in den anderen Bistümern insoweit unternommen wurde, weiß ich nicht genau (wer dazu Informationen hat, darf sie gern in den Kommentaren verlinken!). Allerdings ist dem Bericht "Bleibt die Kirche im Dorf? - Bayerns Bistümer bauen um" der Nürnberger Nachrichten vom 24.02.12 (den ich zunächst auf der Webseite "Wir-sind-Kirche" entdeckte) zu entnehmen, dass die Neuorganisation jedenfalls in den anderen bayerischen Bistümern geräuschloser abgelaufen ist: Man darf also annehmen, dass die Bischöfe dort den Wünschen der Gläubigen stärker entgegen gekommen sind.
In der Diözese Augsburg, wo im Jahr 2025 statt aktuell 600 voraussichtlich nur noch 200 Priester tätig sein werden (für derzeit 1.000 Pfarrgemeinden!), hat der Bischof Dr. Konrad Zdarsa eine sogenannte "Pastorale Raumplanung" erstellt. Auf der Webseite des Bistums gab es hier eine Information vom 18.03.11 im Zusammenhang mit dem ersten Entwurf; die endgültige Planung soll auf dieser Seite veröffentlicht werden.
Das Kirchenvolk läuft Sturm dagegen (ein Leserblogeintrag "Bischof Zdarsa, soll ich mal den Hirtenbrief für dich schreiben?" in der Augsburger Allgemeinen 'geigt' dem Bischof regelrecht die Meinung: "Der Satz "Ich bin der gute Hirte" trifft für Bischof Zdarsa nicht zu. Seine Schäfchen wollen ausbrechen, denn sie sind mit ihrem Stall nicht zufrieden. Im Klartext meine ich die Kirche von Augsburg. Was den Hirtenbrief anbelangt, so sollte man einmal einen Hirtenbrief an den Bischof richten, denn der braucht auch mal seelischen Beistand von seinen Schäfchen." Allerdings regt sich unter den Leserkommentatoren auch Widerspruch gegen den Widerspruch, d. h. gibt es durchaus auch Stimmen, die für die vom Bischof geplanten Maßnahmen eintreten).
Ich als Außenstehender verfolge die hiesigen Kontroversen insbesondere durch die ausführliche Berichterstattung in der der Allgäuer Zeitung (bzw. in dem von der Augsburger Allgemeinen stammenden "Mantelteil" dieser Zeitung). Daher reizt es mich auch, im vorliegenden Blott den aktuellen Sachstand, wie er sich meiner Wahrnehmung präsentiert, einmal festzuhalten: für interessierte Leser/innen, aber insbesondere auch für mich selbst 'pro memoriam' und für evtl. spätere Vergleiche.
Denn unabhängig davon, dass ich selbst nicht religiös bin, sehe natürlich auch ich, dass die Religion faktisch ein wichtiger Teil der Gesellschaft ist. Die auf den ersten Blick rein religiöse bzw. kirchenpolitische Thematik ist ja auch kein isoliertes Geschehen, sondern eingebettet in gesellschaftliche Entwicklungen (Demographie, Kirchenaustritte, Forderung der Menschen nach stärkerer Mitbestimmung in der Politik - und eben auch im kirchlichen Raum usw.).
Mittlerweile berichten Medien schon bundesweit über den hiesigen Kampf des Kirchenvolkes gegen seinen Bischof.
Jedenfalls fand ich im FREITAG vom 06.04.2012 unter der Überschrift "Heiliger Zorn. Streit um Gottes Willen" den Bericht von K. Antonia Schäfer über den Widerstand katholischer Laien (sowie auch aus den unteren Rängen der klerikalen Hierarchie) gegen die von Dr. Konrad Zdarsa für sein Bistum Augsburg verfügte Langzeitplanung, welche die zukünftige Form der Seelsorge unter dem Gesichtspunkt eines sich weiterhin verschärfenden Priestermangel regeln soll.
Auch die Süddeutsche hatte berichtet, wenn auch anscheinend nur in ihrer Regionalausgabe, am 13.03.12 u. d. T. "Katholische Kirche: Strukturreform Gläubige begehren gegen Bischof Zdarsa auf".
Natürlich sind auch die Gläubigen nicht derart wundergläubig, dass sie vom Bischof erwarten, er könne Priester aus dem Ärmel schütteln.
Vielmehr dreht sich der Streit teilweise darum, dass zukünftig die Pfarrgemeinderäte nicht mehr gewählt, sondern zumindest teilweise ernannt werden sollen, und dass die neuen Pastoralräte zwingend unter der Leitung eines Priesters stehen müssen (bisher wurden die Pfarrgemeinderäte wohl von Laien geleitet). Mit anderen Worten: die Kirche nimmt ihre Schäfchen stärker an die Kandare. Wenn ich das richtig verstehe, werden hier Entwicklungen des 2. Vatikanischen Konzils wieder 'einkassiert'. Ganz unabhängig von der 'Demokratiefrage' ist das auch kirchenpolitisch nicht unbedenklich: je mehr die Laien aus der Amtskirche verdrängt werden, desto mehr wächst das Risiko, dass sie auch religiös ihr Interesse an der Kirche verlieren.
Des Weiteren laufen die Planungen auf eine Auflösung von Kirchengemeinden durch Fusion hinaus; Pfarreiengemeinschaften sind anscheinend nur als Zwischenstadium gedacht (vgl. auf der Webseite des Bistums die Information "Weiterentwicklung der pastoralen Raumplanung 2025 vorgestellt" vom 30.01.12: "Die Neuordnung der pastoralen Räume soll mittel- bzw. langfristig durch die Fusion von Pfarreien gefördert werden. Im Hinblick darauf soll das Konzept der Pfarreiengemeinschaften weitergeführt und damit die Übergangszeit gestaltet werden, jedoch mit dem klaren Ziel zur Fusion hinzuführen. Im städtischen Bereich hat die Fusion ab jetzt Priorität.").
Noch gravierender ist aber offenbar der Umstand, dass Dr. Zdarsa Wortgottesdienste an Sonn- und Feiertagen nur noch für Ausnahmefälle (Altersheime, Krankenhäuser) zulassen will.
"Mehr als die bevorstehende Raumplanung 2025 oder die Zusammensetzung der künftigen kirchlichen Gremien bewegt die Christen in der Region die geplante Einrichtung zentraler Eucharistiefeiern" heißt es z. B. in dem Artikel "Pastorale Raumplanung. 2025 kann auch schon in drei Jahren sein" der Augsburger Allgemeinen vom 01.02.2012, in welchem kirchlich engagierte Laien aber auch die Befürchtung äußern, dass durch die Neuorganisation auch das ehrenamtliche Engagement zurückgedrängt werden könnte.
Für die Gläubigen bedeutet dass, dass "ihre" Kirche im Dorf oder Stadtteil dann dicht macht: zunächst sonntags, aber letztlich wird sie ja im Grunde überhaupt nicht mehr gebraucht. Zwar hat der Bischof das in einem Interview wieder relativiert (s. u.). Es klingt allerdings nicht sonderlich glaubhaft, sondern merkwürdig widersprüchlich, wenn er einerseits sagt:
"Es muss jeweils einen Ort geben, an dem verlässlich und zur selben Zeit jeden Sonn- und Feiertag die Feier der Eucharistie gewährleistet ist"
und andererseits:
"Angesichts unserer derzeitigen personellen Besetzung heißt das aber überhaupt nicht, dass jetzt ab einem Stichtag nur noch an diesem Ort eine Messe stattfindet ...".
Natürlich könnten die Priester Messen am Fließband lesen. Ausgestattet mit einem Porsche als Dienstwagen könnten sie (Staufreiheit vorausgesetzt) rasch von Kirche zu Kirche rasen (der Gesetzgeber könnte seinen Teil zur religiösen Effizienzsteigerung beitragen, indem er den Priestern Blaulicht gestattet und Befreiung von Geschwindigkeitsbeschränkungen gewährt). Ihre liturgischen Gewänder können die Gottesdiener gleich anbehalten (falls erforderlich, wird Porsche zweifellos gern ein Sondermodell konstruieren).
Auf diese Weise ließen sich ungeahnte Rationalisierungsreserven für den Gottesservice heben. Die Priester sind allerdings schon jetzt voll ausgelastet, und hauptsächlich verwaltend und kaum noch seelsorgerisch tätig: vgl. FAZ-Bericht "Priester. Zu 15 Prozent Geistlicher, zu 85 Prozent Manager" vom 21.02.2012)
Allen Maßnahmen ist gemeinsam, dass sie im Ergebnis die Laien aus dem Gemeindeleben der katholischen Kirche verdrängen. Dabei ist vielleicht nicht einmal der Verlust an 'politischer Mitbestimmung' für das Kirchenleben das Entscheidende, sondern die Reduzierung von Möglichkeiten für die Gläubigen, sich rein religiös in kirchlichen Rituale einzubringen. In vielen Lebensläufen z. B. von Politikern erfährt man, dass diese in ihrer Jugend Ministranten waren. Weniger Gottesdienste bedeutet aber u. a. auch weniger Ministranten.
Mir persönlich kann es zunächst einmal gleichgültig sein; als Katholik (Laie oder Amtsträger) würde ich mich allerdings schon fragen, ob sich die Amtskirche damit nicht ein sauberes Eigentor reinknallt.
Die zukünftigen Gottesknechte tun mir schon jetzt Leid:
Was normale Arbeitnehmer karikieren ('Grufti am Arbeitsplatz') ist für katholische Priester bereits Realität: von denen wird auch im Ruhestand noch Arbeitseinsatz erwartet (insofern ist es natürlich praktisch, dass sie keine Familie haben). Und die aktiven werden zu 'rasenden Priestern'. (Vgl. auch den ersten Absatz in diesem - eucharistiechristischen - Text eines gewissen Werner Deppe, der in seiner Jugend als katholischer Messdiener einen achtzigjährigen gehbehinderten Priester am Altar stolpern und hinfallen sah bzw. diesen Artikel, wo man erfährt: "Über die Hälfte der aktiven Priester seines [Zdarsas] Bistums ist heute schon über siebzig.").
Nachlesen kann man dieses 'Anforderungsprofil' in einem offiziellen Papier auf der Bistumswebseite vom 30.01.12 (meine Hervorhebung):
"In jeder fusionierten Pfarrei bzw. Pfarreiengemeinschaft wird ein zentraler Eucharistieort festgelegt, an dem an jedem Sonntag und Feiertag zu gleichbleibender Zeit die Eucharistie gefeiert werden muss. Dies ist die vom Kirchenrecht festgelegte Messfeier für die Pfarrgemeinde. Darüber hinaus ist es ausdrücklich erwünscht, dass der Pfarrer unterstützt von den in der Seelsorgeeinheit tätigen Priestern und Ruhestandsgeistlichen auch an den anderen Orten Eucharistie ggf. in wechselndem Rhythmus feiert. Von den angewiesenen Priestern wird erwartet, dass sie neben der Vorabendmesse wenigstens 2 maximal 3 Gottesdienste am Sonntag feiern."
Ob der Priesterberuf durch die Verpflichtung zum Akkordmessedienst attraktiver wird, ist eher unwahrscheinlich. Zumal gehetzte Fließband-Eucharisten auch keine Zeit mehr haben, andere Menschen etwa in tieferen persönlichen Kontakten für einen derartigen Job zu interessieren. Auch für gesellschaftliche Aktivitäten bleibt dann keine Zeit mehr, d. h. im außerreligiösen Raum können zumindest die unteren Ränge der Amtskirchenhierarchie sich nicht mehr in die Gesellschaft einbringen: Die Kirche kickt sich selbst aus dem gesellschaftlichen Diskurs. Genial.
Voraussetzung für eine (religiöse und/oder soziologische) Beurteilung der bischöflichen Maßnahmen ist natürlich ein Verständnis der ideologischen (also hier: der religiösen) Dimension: Worum geht es für die katholische Kirche bei dem Thema 'Wortgottesdienst vs. Eucharistie'?
Unter dem Stichwort "Heilige Messe" informiert die Wikipedia: "Die Heilige Messe besteht aus zwei Teilen: der 'Liturgie des Wortes' (Wortgottesdienst) und der 'eucharistischen Liturgie'."
Für die Eucharistie ist (in der katholischen Kirche) ein Priester zwingend erforderlich. Wenn es weniger Priester gibt, kann die Kirche zwangsläufig auch nur eine geringere Anzahl an vollwertigen Messen anbieten.
Nun würden sich anscheinend sehr viele Gläubige durchaus mit einem bloßen Wortgottesdienst begnügen. Warum der Augsburger Bischof das ablehnt, begründet er in einem Interview mit der Katholischen Nachrichtenagentur (KNA) vom 25.02.12 wie folgt (meine Hervorhebungen):
KNA: Wo sehen Sie die stärksten Vorbehalte?
Zdarsa: Die richten sich nach meiner Wahrnehmung gegen den Begriff "zentraler Eucharistieort". Dabei wird er schon länger in den Augsburger Pfarreiengemeinschaften verwendet. Es muss jeweils einen Ort geben, an dem verlässlich und zur selben Zeit jeden Sonn- und Feiertag die Feier der Eucharistie gewährleistet ist. Angesichts unserer derzeitigen personellen Besetzung heißt das aber überhaupt nicht, dass jetzt ab einem Stichtag nur noch an diesem Ort eine Messe stattfindet, zu der sich dann alle in Bewegung setzen sollen. Ich habe allerdings eine Vision, mit der ich auch nicht hinter dem Berg halten will.
KNA: Und die wäre?
Zdarsa: Dass Gemeinden aus mehreren Orten sich längerfristig zu bestimmten gemeinsamen Feiern zusammentun, etwa während der Kar- und Ostertage, an Fronleichnam oder zu einer traditionellen Wallfahrt. Dass diese Feiern gemeinsam vorbereitet und auch begangen werden. Ich halte das geradezu für ein Seelsorgsprogramm in einer Pfarreiengemeinschaft. Das geschieht an einigen Orten auch schon, wovon ich mich überzeugen konnte.
KNA: Warum das strikte Nein zu Wort-Gottes-Feiern am Sonntag?
Zdarsa: Zunächst einmal will ich klarstellen, dass Wortgottesdienste ihren eigenen Wert für das Glaubensleben haben. Die Betrachtung der Heiligen Schrift, Gebet und Lobpreis, Andachten aller Art können nur empfohlen werden. Ich habe aber Anlass zur Sorge, dass das Bewusstsein für die zentrale Bedeutung der Eucharistiefeier am Sonntag verloren zu gehen droht. Wenn sich priesterlose Wort-Gottes-Feiern am Sonntag etablieren, besteht die Gefahr einer Genügsamkeit. Man gewöhnt sich an den Notbehelf und empfindet ihn gar nicht mehr als Mangel. Eine solche Fehlentwicklung darf ich als Bischof nicht zulassen.
(Auch über die "Pastoralräte" äußert sich der Bischof in dem Interview; dazu hier nur soviel: "... auch für die Pfarrgemeinderäte galt [nach Kirchenrecht] bisher schon, dass ihre Beschlüsse keine Gültigkeit erlangen konnten, wenn ihnen der Pfarrer nicht beipflichtete."
Der Klerus hat sich also nicht nur in der rein religiösen Dimension die Macht der Vermittlung zwischen Laien und Gott vorbehalten, sondern auch organisatorisch die Kirche voll im Griff: die Laien dürfen ein wenig mitspielen, aber wenn es hart auf hart kommt sind sie nichts weiter als - Laienspieler.)
Aber zurück zur Eucharistie. Es ist gar nicht so einfach, sich als unbeleckter Außenstehender präzise Informationen darüber zu bekommen, worum es theologisch eigentlich geht, bzw. was - und vor allem durch wen bewirkt - dabei geschieht oder bewirkt wird.
Auf "katholisch.de", der offiziellen Homepage der Katholischen Kirche in Deutschland, finde ich dazu lediglich den Artikel "Danksagungsfeier für die Liebe Gottes". Der ist recht kurz. Er verschweigt zwar nicht, dass die römisch-katholische Lehre eine Verwandlung von Brot und Wein in den Leib Christi postuliert, aber Näheres darüber, wie das bewirkt wird, erfahren wir nicht: "Im eucharistischen Opfer wird die ganze, von Gott geliebte Schöpfung durch den Tod und die Auferstehung Christi dem Vater dargebracht. Christus wird in diesem Sakrament gegenwärtig durch die Verwandlung des Brotes und des Weines in den Leib und das Blut Christi. ... In der Kommunion empfangen der Priester und die mitfeiernden Gläubigen die eucharistischen Gaben, Leib und Blut Christi. Wer die Eucharistie in der Kommunion empfängt, wird enger mit Christus vereint und dadurch vereint ihn Christus mit allen Gläubigen zu einem einzigen Leib: zur Kirche."
Man hat den Eindruck, dass dem Autor der magische Kern der Sache dubios erscheint, bzw. dass er negative Reaktionen ('fauler Zauber') befürchtet, wenn er detailliert darauf eingehen würde, auf welche Weise es zur Wandlung kommt.
Da überrascht es denn auch nicht, wenn man auf dieser Webseite unter "Transsubstantiation" (so der theologische Fachausdruck für diese behauptete Verwandlung) anstatt einer ausführlichen Erklärung des Sachverhaltes lediglich einen Artikel über das Fronleichnamsfest findet: "Der dunkle Fleck im Mond".
Was bei der Eucharistie (nach katholische Lehre) passiert, schildert das Wikipedia-Stichwort "Konsekration" wie folgt (meine Hervorhebung):
"Während der eucharistischen Liturgie spricht der Priester oder Pfarrer die Konsekrationsworte, die in der Bibel überlieferten Einsetzungsworte Jesu beim Letzten Abendmahl. Für alle Christen ist damit das Gedächtnis des Leidens und Sterbens Jesu im Rahmen der gemeinsamen Mahlfeier verbunden. Bedeutung und Gehalt dieser liturgischen Handlung werden in den verschiedenen christlichen Konfessionen aber unterschiedlich bestimmt und interpretiert. Nach römisch-katholischer Lehre geschieht dabei eine geheimnisvolle Wandlung von Brot und Wein in Leib und Blut Christi, die traditionell mit dem theologischen Begriff der Transsubstantiation (Wesensverwandlung) beschrieben wird (festgeschrieben 1215 beim IV. Laterankonzil). Dogmatisiert wurde die Transsubstantiationslehre jedoch nie, wenngleich auf dem Konzil von Trient festgestellt wurde, dass diese Lehre das Geschehen gut erkläre. Danach ist nach der Wandlung nicht mehr die Substanz, sondern nur noch die Gestalt (Akzidentien) von Brot und Wein gegeben. ... Die sakramentale Gegenwart Christi bleibt nach katholischem Verständnis auch nach der Heiligen Messe in den eucharistischen Gestalten erhalten, weshalb konsekrierte Hostien in römisch-katholischen Kirchen im Tabernakel aufbewahrt werden. ... Bei bestimmten Anlässen wird die konsekrierte Hostie in einer Monstranz zur Anbetung gezeigt (Aussetzung des Allerheiligsten, sakramentaler Segen, Fronleichnamsprozession).
"Etwas mehr verrät uns noch das Wikipedia-Stichwort "Eucharistie":
"Indem der Priester, der damit in persona Christi handelt, während des Hochgebetes die Einsetzungsworte „Das ist mein Leib“ und „Das ist mein Blut“ ausspricht (Konsekration), geschehe die geheimnisvolle Wandlung (Transsubstantiation) der Substanz von Brot und Wein in den wahren Leib und das wahre Blut Christi."
Wir halten also fest, dass eine Wandlung nur dann erfolgen kann, wenn
- sogenannte "Einsetzungsworte" (also eine rituelle Formel) gesprochen werden (im Rahmen der Heiligen Messe) und das kann
- nur ein Priester tun, ein Geweihter: erst die Priesterweihe (technisch:"Ordination") verleiht einem Menschen die Fähigkeit und die Macht, eine Transsubstantiation zu bewirken. Schließlich tritt
- dieses Ereignis mit absoluter Gewissheit immer dann ein, wenn diese beiden Voraussetzungen erfüllt sind.
der Mahlgemeinschaft von katholischer Seite."
Die Katholische Kirche hat mit dem, was in ihrer Frühzeit zweifellos ein religiöser Schatz war (d. h. was ihr Macht über das Bewusstsein der Menschen verlieh) heute durchaus ein Problem. Magie war zwar schon immer theoretisch verboten, wurde aber durchaus praktiziert, und in alter Zeit dürfte es den Glauben der Menschen verstärkt haben, wenn sie die Kirche als eine Institution mit einer magischen Macht (einer magischen Verbindung mit Gott) wahrnahmen.
In unserer Zeit würde ihr das allerdings schaden, jedenfalls im intellektuellen, oder überhaupt im Oberflächen-Diskurs. Andererseits sind unter der Oberfläche sind magische, abergläubische usw. Vorstellungen durchaus noch weit verbreitet.
Die Kirche muss also versuchen, wie eine politische Partei ihre Erscheinungsform dem jeweiligen intellektuellen Stand ihrer Gläubigen anzupassen. Insgesamt scheint es der katholischen Kirche nicht geschadet zu haben, dass sie sich als notwendige Mittlerin zum Numinosen positioniert, und im Ergebnis (selbst wenn sie es explizit bestreiten dürfte) eine gewissermaßen magische Kompetenz beansprucht, diese Verbindung herzustellen, u. a. indem sie Gott via Transsubstantiation ins Kirchengebäude zitiert. Jedenfalls ist die Zahl der Kirchenaustritte bei den Protestanten weitaus höher, und das ist auch logisch. Zum einen ist protestantisches Denken kritischer, und insoweit dem Unglauben näher. Zum anderen braucht selbst ein protestantischer Gläubiger keine Kirche für sein Seelenheil.
Interessant - und möglicher Weise auch im vorliegenden Zusammenhang bedeutsam - sind allerdings die Werte für 2010, wo die Anzahl der katholischen Kirchenaustritte deutlich (wenn auch noch immer nicht dramatisch) höher lag als jene der Evangelischen: 181.193 kath. gegen 145.250 ev., und zwar wegen der in diesem Jahr hochgekommenen pädophilen Missbrauchsskandale von Klerikern an Ministranten, Schülern usw. [Zahlen für Bayern im Artikel "Gläubige kehren der Kirche den Rücken" im Donaukurier v. 06.04.2011]
Jedenfalls wäre es angesichts der Zahlenverhältnisse in normalen Jahren völlig verfehlt, das Beharren der katholischen Kirche auf dieser Vermittlungskompetenz einfach als Machtwillen des Klerus zu diskreditieren: offenbar "bringt" ja das spezifische "Angebot" der katholischen Religion den Menschen etwas.
Andererseits zeigt aber die Umkehrung der Austrittsrelationen im Jahr 2010, dass auch die katholische Gläubigkeit nicht unumstößlich fest gegründet ist, und dass Austritte auch aufgrund
von Unzufriedenheit mit der Amtskirche erfolgen können.
Um aber noch einmal auf die Eucharistie, und die Frage einer Qualifizierung dieses (geglaubten) Vorgangs als Magie, zurückzukommen:
Auf der Homepage von Pfarrer Dr. Jörg Sieger erfahren wir u. d. T. " 'Dies ist mein Leib...' - die Messe als eucharistisches Mahl" weitaus mehr, als uns die offzielle Webseite der katholischen Kirche in Deutschland verraten möchte. Dr. Sieger geht ausführlich auch auf den Magievorwurf ein (meine Hervorhebung):
"Dass man diese Worte so missverstanden hat, macht schon deutlich, dass aus dem Wort über das Brot, dem "Hoc est enim corpus meum" die Zauberformel schlechthin wurde. Das "Hoc est corpus" wurde nämlich zum "Hokuspokus" verballhornt und geistert als solches bis heute durch sämtliche Zauberstuben der großen und kleinen Magier. Demgegenüber sprechen wir aber, was die Eucharistie angeht, von Wandlung und von Hochgebet. Wir sprechen wohlgemerkt von "Hoch-Gebet" und nicht von Hoch-Zauber. Die Wandlungsworte haben nämlich ihren Platz in einem Gebet."Die (aus seiner Sicht) Widerlegung erfolgt am Ende eines Abschnitts über "Die 'Epiklese' " (meine Hervorhebung): "Nach dem gemeinsamen "Sanctus", das meistens gesungen wird, folgt nun in der Regel eine Überleitung, die zur sogenannten "Epiklese" führt. Dieser meist völlig übersehene Teil bedeutet soviel wie "Herabrufung des Heiligen Geistes" und ist einer der wichtigsten im Hochgebet überhaupt. Ich zitiere ihn in der Form, wie er uns im zweiten Hochgebet begegnet:"Sende deinen Geist auf diese Gaben herab und heilige sie, damit sie uns werden Leib und Blut deines Sohns, unseres Herrn Jesus Christus." In diesen Worten wird ganz deutlich, dass es hier um ein Gebet geht, und dass kein anderer wirklich handelt als Gott selbst. Sein Geist ist es, der uns in Brot und Wein seine Gegenwart schenkt. Nicht das gemeinsame Tun der Menschen, und auch nicht irgend ein Tun des Priesters - aus welcher Vollmacht auch immer - "machen" aus Brot und Wein Leib und Blut sondern einzig und allein Gottes Geist."
Diskussionen über das "Wesen" von Dingen bzw. Sachverhalten entziehe ich mich gern mit dem Hinweis auf den Sprachgebrauch. Auch im vorliegenden Falle ist es müßig darüber zu streiten, ob die Wandlung ein magischer Akt IST oder nicht.Der folgenden Aussage wird jedenfalls jeder neutrale Beobachter zustimmen:
- Wenn jemand ein äußeres Ereignis dadurch bewirkt, dass er eine rituelle Formel (in einem rituellen Zusammenhang) ausspricht,
- Wenn dieses Ereignis zwingend immer nach dem (richtigen) Aussprechen dieser Formel eintritt, und
- Wenn schließlich noch dieser Jemand dafür eine spezifische Kompetenz benötigt, die nicht intellektueller Natur ist, sondern die ihm in einer historischen Sukzessionskette (hier: seit den ersten Aposteln) durch Handauflegen gegeben wurde:
Wenn aber schon die offizielle Webseite nur Wischiwaschi über die Eucharistie bringt (mutmaßlich aus Angst vor einer 'Zauberei-Debatte'), dann ist es natürlich nicht verwunderlich, wenn unter den Gläubigen selbst Verwirrung herrscht, und vor allem, wenn sie die zentrale Stellung der Eucharistie für den katholischen Glauben nicht begreifen.
Denn vom Standpunkt der Amtskirche kann ich den Bischof Dr. Zdarsa sehr gut verstehen, wenn er in dem o. a. KNA-Interview befürchtet, dass
"das Bewusstsein für die zentrale Bedeutung der Eucharistiefeier am Sonntag verloren zu gehen droht. Wenn sich priesterlose Wort-Gottes-Feiern am Sonntag etablieren, besteht die Gefahr" dass sich die Gläubigen daran gewöhnen.
Und dann unterscheiden sie sich, was vom klerikalen Standpunkt aus natürlich äußerst gefährlich erscheinen muss, eigentlich nicht mehr von den Evangelischen, welche (nach ihrer Vorstellung) ohne Mittler mit Gott in Verbindung treten können.
Die (aus meiner Sicht magische, aber das ist hier unerheblich) Mittlerkompetenz der Priesterkaste scheint mir die raison d'être der katholischen Kirche zu sein, bzw., betriebswirtschaftlich gesprochen, ihr 'Markenkern', ihr 'Alleinstellungsmerkmal', welches sie im christlichen 'Marktsegment' von den Protestanten unterscheidet. Und welches ihr vermutlich auch hilft, ihre (zwar gleichfalls schwindende) Anhängerschar stabiler zu halten als die 'Konkurrenz' (s. o. Kirchenaustritte).
Die Frage ist allerdings, welchen Nutzwert ein (in diesem Falle für zudem extrem abstrakter) Markenkern für die Kunden noch hat, wenn die 'Firma' ihren sonstigen 'Service' derart verschlechtert, dass er den Kunden vieles von dem nicht mehr bietet, was sie erwarten (und bei anderen Konfessionen auch geboten bekommen)?
Die 'Dienstleistung' der Kirchen ist eben nicht nur (und im Grunde vielleicht nicht einmal in erster Linie) religiöser Natur, sondern ganz wesentlich auch eine gemeinschaftstiftende. Diese Funktion der, und diese Erwartung der Gläubigen an die, Kirche dürfte in eher ländlich geprägten Regionen, also auch hier im Allgäu, noch ausgeprägter sein als in den Städten. Diese gemeinschaftstiftende wird beschädigt, wenn die Mitwirkung der Laien schon rein zahlenmäßig (unabhängig von 'Mitbestimmungs'-Gedanken) zurückgedrängt wird. Ebenso wird sie beschädigt, wenn die 'relevanten' Gemeinschaften zu groß werden. Es ist ja allgemein bekannt, dass der soziale Zusammenhalt in den Dörfern sehr viel stärker ausgeprägt ist als in Städten, und dass er in Kleinstädten noch immer größer ist als in Megastädten.
In bürokratischer Hinsicht gilt zwar grundsätzlich, dass verschlankte Organisationen effizienter sind als verfettete. Aber die Kirche ist ja weniger nicht eine Organisation, von der eine preisgünstige Lieferung von Seelenheil erwartet wird. Gerade der harte Kern der Gläubigen erwartet, zumal auf dem Land, die "Lieferung" von Sozialkontakten und sozialem Zusammenhalt. Mit anderen Worten: in gewisser Weise ist, auf der untersten Ebene jedenfalls, die Organisation großenteils selbst das Ziel, und nicht einfach ein Mittel zur Erreichung von etwas anderem.
Jedenfalls wirkt auf mich das "Pastorale Raumkonzept" für das Bistum Augsburg auf mich als Außenstehenden die Zusammenlegung der Pfarreien und die Verweigerung von (Wort-)Gottesdiensten so ähnlich, als würde eine Regierung die Schließung von vier von fünf Apotheken anordnen und die Heil(ungs)bedürftigen informieren, dass sie halt eine weitere Anfahrt in Kauf nehmen müssen.
Werden die Kirchenmitglieder das Gefühl haben, für ihre Kirchensteuern keinen angemessenen spirituellen Service mehr zu bekommen?
Die eigentlich logische Folge aus dem Priestermangel einerseits, und dem (aus Kirchenperspektive theologisch richtigen) Beharren auf Gottesdiensten mit Eucharistie wäre nicht eine Forderung der Gläubigen, Wortgottesdienste zuzulassen, sondern die Forderung an die Kirche, gefälligst für eine ausreichende Zahl von Priestern zu sorgen. Was natürlich nur durch einen Verzicht auf das Zölibat möglich wäre. Aber für derartig 'radikale' (wiewohl eigentlich nur konsequente!) Forderungen sind die Schäfchen offenbar noch viel zu brav.
Genau diese Forderung nach mehr Priestern, zu bewirken durch Erleichterungen beim Zugang zum Priesteramt, erhebt auch die innerkirchliche (amtskirchenkritische) KirchenVolksBewegung "Wir-sind-Kirche". In deren Pressemitteilung zur Pastoralen Raumplanung 2025 vom 31.01.12 "Raumplanung 2025 Augsburg. Wir sind Kirche fordert: Reformen statt Kosmetik" heißt es (meine Hervorhebungen): "Das Agieren des Bischofs angesichts eines stringenden [?dringenden?] Priestermangels in der Diözese Augsburg ist nur schwer zu verstehen. Seine erste Sorge müsste sein, dass das Leben in den Gemeinden nicht nur erhalten bleibt, sondern sich weiter entfaltet, denn die Gemeinden sind Kirche im voll umfänglichen Sinn. Die Zurückweisung des Engagements der Laien, indem Wort-Gottes-Feiern am Sonntag zugunsten zentraler Messfeiern verboten werden, ist ebenso wenig hinnehmbar, wie die Zerschlagung gewachsener Pfarreistrukturen und die Auflösung von demokratisch gewählten Pfarrgemeinderäten zugunsten weisungsgebundener Pastoralräte. Das kosmetische Konstrukt Bischof Zdarsas, dem Priestermangel dadurch zu begegnen, in immer größere Seelsorgsräume auszuweichen, um dann die Mobilität der Gläubigen einzufordern, wird sich als ein (weiterer) Fehlschlag erweisen. ..... Was Not tut, ist, dass sich die Bischöfe in Deutschland ..... die seit langem geforderten Reformen in Angriff nehmen. Wer die Zulassungsbedingungen zum Priesteramt nicht verändern will, wer Frauen von Weiheämtern ausgrenzt und dadurch die Versteppung der Kirchengemeinden vorantreibt, muss gewärtig sein, dass die Gläubigen andere Weiden suchen oder die Flucht ergreifen."
Jenseits der sachlichen Dimension stellt sich vor dem Hintergrund, dass die anderen deutschen Bischöfe Wortgottesdienste anscheinend nicht verbieten [?] natürlich auch die Frage, ob es dem Augsburger Bischof Dr. Konrad Zdarsa wirklich (nur) um die Sache geht, oder ob er sich nicht vielleicht auch als Kandidat für höhere Aufgaben gegenüber den römischen Hardlinern zu profilieren sucht. Schließlich wird die römische Zentrale gewusst haben, wen sie da nach Augsburg schickt.
Der Donaukurier hat am 26.02.2012 ein Interview mit Dr. Zdarsa u. d. T. "Ich habe mir diese Aufgabe nicht ausgesucht" veröffentlicht (auch hier auf der Bistumsseite im Anschluss an das KNA-Interview nachzulesen), in dem mir aus dem einen oder anderen Grunde nachfolgende Passagen besonders aufgefallen sind (meine Hervorhebungen):
"Herr Bischof, wie nahe gehen Ihnen die Diskussionen und Konflikte um Ihre Pastorale Raumplanung?
Konrad Zdarsa: Das ist kein Spaziergang gegenwärtig, weil man auf der einen Seite nicht mit solchem Widerspruch gerechnet hat. Auf der anderen Seite wird es einem erschreckend deutlich, wie notwendig es war, ohne dass ich mich damit profilieren will, ein ganz, ganz wichtiges Thema unserer Kirche anzusprechen."
Da er die Profilierungsfrage von sich aus anspricht fragt man sich automatisch, ob er nicht doch gerade dies im Sinn hatte.
"Ich ... erkläre [in einem aktuellen Hirtenwort], dass die Zeit gekommen ist für einen respektvollen und vernünftig geführten Dialog."
"Respektvoll" kann nur heißen, dass die Laien gefälligst die Weisungsbefugnis des Bischofs zu akzeptieren haben; mit "vernünftig" dürfte gemeint sein, dass sich die Widersacher darauf beschränken sollen, innerhalb der von ihm vorgegebenen Linie über Details zu debattieren.
"Gegen den Wortgottesdienst ist überhaupt nichts einzuwenden, sondern gegen die eucharistielose Organisation des Sonntags. Christliche Gemeinschaft entsteht nicht dadurch, dass wir uns versammeln, sondern dass wir uns rufen und sammeln lassen von dem, was der Herr will."
"Die Aufregung im Bistum ist auch deshalb so groß, weil die Leute fürchten, die Dorfkultur, in deren Mitte die Kirche steht, könne verkümmern.
Zdarsa: Hier sind die Ursachen falsch gesetzt. Die Kultur des Dorfes hat sich entwickelt aus dem katholischen, christlichen Geist und aus der gelebten Katholizität. Und nicht umgekehrt, dass etwa die Kirche aktiv werden müsse, um eine noch bestehende Kultur aufrechtzuerhalten."
Diese Antwort kann ich intellektuell nicht nachvollziehen. Die Gläubigen verlangen von ihrer Kirche ja nicht, dass diese eine Kultur aufrechterhalten solle. Sie verlangen vielmehr die Erlaubnis, weiterhin Katholizität in Pfarrgemeinden von überschaubarer Größe leben zu dürfen. Ohne Gottesdienste dürfte es unmöglich sein, Katholizität vor Ort zu leben. Den Gläubigen wird im Ergebnis ein wohnortnahes "Leben von Katholizität" verboten.
"Was spricht dagegen, die Gottesdienste sonntags an wechselnden Orten innerhalb der neuen Einheiten zu feiern, also nicht nur am Hauptfusionsort?
Zdarsa: Dieses Wort möchte ich streng von mir weisen. Von einem Hauptfusionsort ist nie die Rede gewesen. Diesen technischen Begriff Fusion habe ich nur ein einziges Mal verwendet, und dann in dem Zusammenhang, dass die Beteiligten selber darüber entscheiden, ob diese Lösung nach einem Zusammenwachsen zu größerer Einheit überhaupt infrage kommt."
Diese Antwort steht im Widerspruch zu dem o. a. Bistumsdokument "Weiterentwicklung der pastoralen Raumplanung 2025 vorgestellt", wo Pfarrgemeinschaften nur als Zwischenstufe auf dem Weg zu Fusionen gesehen werden. (Zdarsa hat sogar bereits eine Zwangsfusion von Kirchengemeinden angeordnet.)
" ... Ich habe Leute kennengelernt, die fahren anderthalb Stunden, um zur Feier der heiligen Messe zu kommen. In Sulzberg im Allgäu habe ich einen Mann kennengelernt, der geht jeden Sonntag – egal ob Regen oder Sonnenschein – fünf Kilometer zu Fuß zur heiligen Messe."
Wer viel fährt, verbraucht viel Sprit. Wenn es die Kirche als ihren Auftrag ansieht, die Schöpfung zu bewahren, sollte sie besser nicht die Umweltzerstörung fördern.
Und die Zahl jener Menschen, die überhaupt bereit sind, weite Fahrten (oder gar Fußmärsche) auf sich zu nehmen, um sonntags eine Kirche aufzusuchen, dürfte sich in überschaubaren Grenzen halten.
Psychologisch interessant ist der folgende Dialog zwischen Interviewer und Interviewtem:
"Es dürfte schwierig sein, solche Neuerungen gegen die Stimmung in den Gemeinden durchzusetzen.
Zdarsa: Sollte man sich bei verantwortungsvollen Entscheidungen von Stimmungen leiten lassen? Wer wichtige Entscheidungen zu fällen hat, der schaue nicht auf das Gesicht der anderen, hat mal einer gesagt. Wir haben doch da eine Verantwortung, nicht nur für uns selber, sondern auch für die anderen und vor Gott. Von Stimmungen dürfen wir uns da nicht leiten lassen.
Unsere Leser werden Ihnen diese Antwort als Arroganz auslegen.
Zdarsa: Damit muss ich rechnen. Dagegen kann man nichts tun."
Im Klartext: In meinem Bistum wird gemacht, was ich sage, und was meine Schäfchen darüber denken, ist mir ja sowas von gleichgültig .... .
"Es geht den Gläubigen [bei ihrer Kritik an der Ersetzung der Pfarrgemeinderäte durch Pastoralräte] um nichts Geringeres als Demokratie in der Kirche.
Zdarsa: Kirche ist keine Demokratie. Das ist leider ein Missverständnis. Sondern wir sind ausgerichtet auf Christus. Jeder hat seine Aufgabe, seinen Dienst, und den darf er nicht durchführen aus Selbstherrlichkeit oder Machtbewusstsein, sondern im Dienst an Christus und den Gläubigen.
Der Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller schaffte schon 2005 die Pfarrgemeinderäte ab und setzte Pastoralräte ein. Viele wandten sich deshalb von der Kirche ab.
Zdarsa: An jeden Einzelnen ist die Gewissensfrage gestellt, wie er zu den Strukturen steht, die von Christus in seiner Kirche vorgegeben sind. Und ob er einen Aufstand inszeniert oder sich auf die Herausforderung besinnt, die durch den Glauben an uns gestellt ist, liegt an jedem selbst."
Mit anderen Worten: Was ich mache, ist von Gott befohlen [fragt sich nur, warum der liebe Gott oder der Heilige Geist das nicht auch den anderen deutschen Bischöfen befohlen hat?], und wer sich dagegen wendet, der "inszeniert einen Aufstand" [!]. Hier zeigt Zdarsa, was er unter "respektvollem Dialog" versteht.
Da überrascht es dann auch nicht mehr, dass das Bistum einigen Dekanen, die sich ebenfalls gegen die Reform ausgesprochen haben, den Rücktritt nahegelegt hat! Anordnen mochte man ihn wegen des großen Rückhalts dieser Dekane in den Reihen der Kirchenmitglieder dann allerdings doch nicht. Aber die Kirche hat nicht nur einen großen Magen, sondern vor allem ein gutes Gedächtnis. Eventuelle Hoffnungen auf einen Aufstieg in der Hierarchie können sich diese Rebellen sicherlich abschminken.
"Aber die Kritiker sind nicht in schlechter Gesellschaft. Sogar Kardinal Reinhard Marx hat gesagt, er halte es für sinnwidrig, Wortgottesdienste abzuschaffen. .....
Gerade in den Gemeinden, die an das Bistum München-Freising grenzen, nehmen die Leute wahr, dass das Thema in ihrem Nachbarbistum ganz anders gehandhabt wird. Dürfen die Gläubigen nicht eine einheitliche Haltung innerhalb der Kirche erwarten?
Zdarsa: Sie können eine einheitliche Haltung in der Kirche erwarten, aber die kann nur begründet sein auf den Grundlagen unseres Glaubens. Einheit ist kein Meissner Porzellan, das im Schrank steht und das man, wenn kein Bombenangriff kommt, durch alle Generationen hindurch bewahrt. Einheit ist eine immer neue Herausforderung für alle Glaubenden."
Interessant, weil Zdarsa a) Den Gegensatz zum Münchener Bistum einräumt und b) implizit behauptet, dass er auf den Grundlagen des katholischen Glaubens steht. Woraus logisch zwingend folgt, dass Dr. Zdarsa den Standpunkt des Münchener Erzbischofs und Kardinals Dr. Reinhard Marx außerhalb des katholischen Glaubens sieht. Pikant.
"Als Sie nach Augsburg kamen, waren die Erwartungen sehr hoch. Nach den Turbulenzen um Ihren Vorgänger Walter Mixa sollten Sie Brücken bauen. Umso größer ist jetzt die Enttäuschung darüber, dass davon wenig zu sehen und zu spüren ist.
Zdarsa: Wissen Sie, Enttäuschung ist ein positives Wort. Da wird von jemand eine Täuschung genommen, eine Erwartung, die man sich selber ausgedacht hat, die so nicht erfüllt werden kann. Ich habe mir diese Aufgabe nicht ausgesucht."
Ein merkwürdiger Denk-Sprung von einer Neubewertung des Begriffs "Enttäuschung" zu dem ziemlich pampig klingenden "Ich habe mir diese Aufgabe nicht ausgesucht". Mit diesem Satz verschanzt sich Zdarsa zugleich hinter höheren Mächten: Ich wurde dazu berufen (von Gott oder der Kirche?) diese Reform genau so durchzuführen, wie ich das jetzt mache.
Dieses Interview ist schon eine außerordentlich aufschlussreiche Lektüre zur Denkweise des Augsburger Bischofs.
Nachfolgend eine weitgehend unsystematische und eher zufällige Materialsammlung bzw. Linksammlung.
KIRCHLICHE DOKUMENTE, STELLUNGNAHMEN usw.:
"Weiterentwicklung der pastoralen Raumplanung 2025 vorgestellt. Kirchliches Leben vor Ort soll sichergestellt werden – Verwaltung wird vereinfacht – Bistumsstruktur wird zukünftigen Erfordernissen angepasst" vom 30.01.12 auf der Diözesanwebseite.
"Eucharistiefeier durch nichts zu ersetzen. Augsburger Generalvikar Knebel zur Zukunft der Seelsorge": Interview der Katholischen Sonntagszeitung mit dem Generalvikar (Stellvertreter des Bischofs und zuständig für die Verwaltung der Diözese, also gewissermaßen die Graue Eminenz der Bischöfe) Prälat Karlheinz Knebel vom auf der Bistumswebseite vom 04.01.12.
INNERKIRCHLICHE KRITIK:
Die 'Rebellenwebseite' "Pfingsterklärung" berichtet hier über das Echo auf die Aktion "Kirche umarmen". (Bei dieser Aktion wurden Menschenketten um die Kirchengebäude gebildet.)
"Bischof Zdarsa nicht in Bayern angekommen. Zu den geplanten Strukturänderungen in der Diözese Augsburg" Leserbrief im Donaukurier vom 06.03.12 von Birgid Neumayr. Auszüge: "Ich war viele Jahre in der katholischen Kirche ehrenamtlich engagiert ... . Die Entscheidung, Wortgottesdienste am Sonntag nicht mehr zuzulassen, zeigt, dass Bischof Zdarsa nicht in Bayern angekommen ist. ... Eine Reform aufgrund des Priestermangels ist unumgänglich. Auch Pfarreiengemeinschaften sind nachvollziehbar. Wir sind es aber gewohnt, am Sonntag in unserer angestammten Kirche unseren Gottesdienst zu feiern. Fahrten in die Nachbarpfarrei werden gemacht, wenn der/die Gläubige mit dem Pfarrer nicht zurechtkommt. Ansonsten spielt die Musik in der Heimatpfarrei. Die Möglichkeit, Wortgottesdienste am Sonntag zu Hause zu feiern (vorausgesetzt, eine Eucharistiefeier ist nicht möglich), dient der Gemeinschaft. ... Sonntag für Sonntag treffen sich Menschen in ihrer Kirche, um sich im Glauben zu stärken. Auf dem Weg zur Kirche und wieder nach Hause sehen sich Menschen, pflegen Kontakte, nehmen am Leben der anderen teil. ... Durch die Entscheidung von Bischof Zdarsa und seinen Beratern sollen wir in Zukunft fahren, um den sonntäglichen Gottesdienst zu feiern. ... Wer fährt in Zukunft? Einige junge Leute, einige Familien, fast kein „Mittelalter“ und fast keine Senioren. Die Menschen bleiben dann lieber zu Hause und verzichten auf den Sonntagsgottesdienst. Für mich bedeutet Glaube nicht nur Eucharistie, sondern Kraft, Leben, Vertrauen und Stärkung. Die Eucharistie ist sehr wichtig, aber genauso wichtig ist die Gemeinschaft. Beim Gottesdienst treffen sich Gleichgesinnte, Bekannte, Freunde, die gemeinsam (Wort-)Gottesdienst feiern."
Ich vermute mal, dass dieser Leserbrief die Gründe für die allgemeine (Miss-)Stimmung der Kirchgänger gegen die Zdarsa-Dekrete gut wiedergibt.
Auf der Webseite der KirchenVolksBewegung hat eine Sigrid Grabmeier unter "Eucharistie im Baumarkt!" [vgl. dazu hier: "Hinter verschlossenen Türen und in einem kleineren Kreis von Kirchenmitarbeitern soll ... [Zdarsa gesagt] haben: 'Die Leute fahren heute ja auch für drei Schrauben zum Baumarkt, dann können sie auch am Sonntag zur Kirche fahren'." Das enthüllt enorm viel über sein Verständnis vom "Hirtenamt" über die ihm anvertrauten "Schafe"!] eine bissige Polemik publiziert (März 2012):
"Die deutschen Bischöfe haben in ihrem Pastoralen Schreiben „Mitte und Höhepunkt des ganzen Lebens der christlichen Gemeinde“ von 2003 die Bedeutung der Wortgottesfeiern hervorgehoben: „So ist es in vielen Situationen wünschenswert und sinnvoll, dass die Gemeinde dennoch zusammenkommt, um miteinander auf das Wort Gottes zu hören und zu beten…. Wenn keine Messfeier möglich ist, können die Wortgottesfeiern an Werktagen und in den vom zuständigen Diözesanbischof näher zu bestimmenden Notfällen auch an Sonntagen gefeiert werden.“ Aber davon hält Zdarsa nichts. [Wogegen aus objektiver Sicht allerdings darauf hinzuweisen wäre, dass die Bischöfe Wortgottesdienste ausdrücklich nur für "bestimmte Notfälle" vorsehen!] Deshalb sollen die Menschen, die ja alle auch in die Oper und in den Baumarkt fahren, an einen zentralen Gottesdienstort kommen. Und an den Kirchentüren steht am Sonntag dann: „Gotteshaus geschlossen – wenden Sie sich an Ihren zuständigen Baumarkt“ oder „Unbeaufsichtigtes gemeinsames Beten und Singen am Sonntag verboten“ oder „Betreten der Kirche nur mit bischöflicher Sondergenehmigung“. Mag sein, dass hinter den schroffen Worten des Bischofs ein weitblickender Plan steht: zuerst werden die Kirchen komplett geleert, dann profaniert, um sie dann einer menschenfreundlichen und attraktiven Neuverwendung zuzuführen wie z.B. die Kletterkirche in Mönchengladbach, die ein weitreichendes Angebot für Familien, Senioren und Sportkletterer hat, zudem Öffnungszeichen [recte: Öffnungszeiten], die den Menschen entgegenkommen. Irgendwo findet sich dann schon ein Fleckchen für die Eucharistiefeier – zur Not im Baumarkt."
Die gleiche Webseite berichtet über die "Aktion „Kirche umarmen“ im Bistum Augsburg", die am 04.03.2012 stattfand (Liste der offiziell teilnehmenden Pfarreien auf der Webseite "Pfingsterklärung").
Der Pfarrgemeinderat der Kaufbeurener Pfarrei St. Ulrich (hier ein Foto von der dortigen 'Kirchenumarmung') empört sich über die: "Pastorale Raumplanung 2025" (meine Hervorhebung): "Augsburg hat gesprochen. Die Sache ist nicht abgeschlossen. [Eine Anspielung auf den Spruch "Roma locuta, causa finita" über die kirchenrechtliche Letztenscheidungskompetenz des Vatikan.] Die Diskussion ist entbrannt. ... Unser Pfarrgemeinderat zeigte sich schockiert beim Lesen der neuen Pläne. Gerade weil wir wissen, dass sich vieles ändert, und weil wir uns dem nicht verschließen wollen. Doch anstatt verstärkt das Mitwirken der Laien zu fördern, drängt das Vorgehen der Diözesanleitung die Laien an den Rand. Die Pfarrgemeinderäte werden aufgelöst. Wortgottesfeiern werden an Sonn- und Feiertagen nicht mehr erlaubt. Aus der Hochschätzung der Eucharistie wird eine Geringschätzung des Lebens der Christen. Weil wir ja sagen zum Leben der Kirche vor Ort, sagen wir nein zu dieser Planung."
Webseite der "Kemptener Erklärung".
Webseite "Bistumsreform Augsburg" des "Initiativkreis Bistumsreform". Auf dieser Webseite finden wir eine (knallharte) "Erklärung der Initiative Bistumsreform zur Broschüre 'Das Bistum auf dem Weg in die Zukunft – 2025 - Dialog und Information' ", aus der wir uns einige für mich zentrale Sätze notieren wollen (meine Hervorhebungen): "Bei den Vielen, die sich bisher zur Neuordnung der Diözese kritisch geäußert haben, wurde die Bedeutung der Eucharistiefeier an Sonntagen nie in Frage gestellt. Die Feier der heiligen Messe ist jedoch bereits heute wegen des Mangels an Priestern nicht mehr in jeder Pfarrgemeinde möglich. Der Bischof hat die Aufgabe die Besetzung der Pfarreien mit Priestern zu sichern. Kann er dies nicht, dann hat die Kirche andere bekannte und immer wieder vorgetragene Möglichkeiten. Das von der Bistumsleitung verhängte Verbot der Wort-Gottes-Feier am Sonntag ist weder theologisch noch mit Rücksicht auf dörfliche Strukturen in weiten Teilen unserer Diözese zu rechtfertigen, noch ökologisch auf dem Weg in die Zukunft verantwortbar. ... Keine Antwort gibt die Broschüre des Bistums Augsburg, warum auch die bisher gültige Struktur des Diözesanrates, der Dekanatsräte und der Pfarrgemeinderäte unter Vorsitz eines Laien komplett aufgelöst und es damit künftig einen Pastoralrat unter Vorsitz eines Priesters geben muss. ... Mündige Laien in der Kirche von Heute erkennen trotz des jetzt gegebenen Hinweises auf die Möglichkeit von Wahlen dieses Pastoralrates, dass damit bisherige aktive und bewährte demokratische Laienstrukturen in der Kirche zerschlagen werden. Die Begründung der Bistumsleitung, dass ja bei den letzten Wahlen zum Pfarrgemeinderat, nicht immer genügend Kandidaten gefunden wurden, trifft auf den Großteil der Gemeinden in der Diözese nicht zu. [Der Gute Hirte hat also die Unwahrheit gesagt!]"
»Lasst die Kirche im Dorf« forderte auch die (katholische) Webseite "Publik Forum" und brachte einige interessante Informationen bzw. trug einige Punkte zusammen, die auch ich oben teilweise angesprochen habe (meine Hervorhebungen): "Im Bistum Augsburg leben 1,36 Millionen Katholiken in 1000 Pfarrgemeinden. Sie werden von knapp 670 Priestern betreut, Tendenz fallend. Ein akuter Mangel an Priestern beschäftigt die katholische Kirche bereits heute; in den kommenden Jahren wird sich die Situation weiter verschlechtern, denn über die Hälfte der aktiven Priester ist bereits über 70 Jahre alt. ... Pater Ulrich Keller, Pfarrer in Thalfingen und Elchingen, sieht die Aktion aber keinesfalls als Zeichen gegen Bischof Konrad Zdarsa, sondern vielmehr als Liebeserklärung an die Kirche am Ort. ... Mit der Distanz, so Kellers Befürchtung, sinke auch die Bindung an die Glaubensgemeinschaft. Freiwilliges Engagement werde dann selten ... . »Ohne das Leben innerhalb einer Kirchengemeinde, ohne Ministranten und Kirchenchor, ohne Gremien und Kinderkirche wird das Gebäude zum bloßen Museum«, befürchtet er."
Keller betont auch die soziale Dimension:
"Die Planung der Diözese in ihrer jetzigen Form stelle die Feier der Eucharistie über die soziale Dimension einer Gemeinde, kritisiert Keller. »Das ist schade«."
INNERKIRCHLICHE UNTERSTÜTZUNG:
Die "Freiburgbärin" kommt in ihrem Blog-Eintrag vom 29.03.12 dem bedrängten Bischof zu Hilfe. "Solidarität mit Bischof Zdarsa von Augsburg – Was nun?" Sie berichtet dort über eine Unterschriftenaktion ("Aufruf: Solidarität mit Bischof Zdarsa von Augsburg") des "Forum Deutscher Katholiken" (Eigenbeschreibung: "Das Forum will papst- und kirchentreue Katholiken unterschiedlicher Spiritualität und geistlicher Ausrichtung in katholischer Weite ... zusammenführen"). 1.200 Unterschriften hat die Aktion erbracht; somit haben (in ganz Deutschland!) nicht einmal 1 Promille der Katholiken im Bistum Augsburg für Zdarsa unterschrieben. Nicht gerade eine bärenstarke Unterstützung!
FORENDISKUSSIONEN usw.
"In Solidarität mit Bischof Zdarsa von Augsburg" Eine Debatte pro und kontra im Forum von kathweb (Webmaster lt. Impressum: St. Benno Buch- und Zeitschriftenverlagsges. mbH, Leipzig).
PRESSEBERICHTE usw.:
In einen größeren Rahmen stellt das (katholische) Publik Forum die Augsburger Vorgänge in einem Artikel vom 23.03.12 u. d. T.: "Können Katholiken Revolution?" (im Original hier auf der Webseite des Forums). Man erfährt dort, dass es in Österreich im niederen Klerus schon heftig gärt, in Deutschland aber noch Ruhe herrscht. (Allerdings scheinen sich in der Diözese Augsburg auch große Teile des niederen Klerus mit dem Kirchenvolk solidarisiert zu haben.)
Der Münchener Kardinal Reinhard Marx teilt nicht die Ablehnung von Wortgottesdiensten. Berichte dazu: "Laien bei Gottesdiensten. Kardinal Marx kritisiert Augsburger Bischof Zdarsa", Augsburger Zeitung vom 19.02.12 und "Marx distanziert sich von Augsburger Reformplänen", OVB Online 17.02.12.
Sehr deutlich insoweit auch der Artikel "An Wortgottesfeiern wird nicht gerüttelt" vom 4.4.12 auf der gleichen Webseite:
" 'Eine Abschaffung der Wortgottesdienste steht bei uns nicht zur Debatte.' Erzbischof Reinhard Marx werde nicht an der Praxis rütteln, die sein Vorgänger Julius Döpfner schon in den 70er-Jahren eingeführt hatte. Dies betonte Weihbischof Bernhard Haßlberger in der Frühjahrsversammlung des Dekanatsrates Waldkraiburg in Aschau."
Eine Einschränkung gibt es allerdings doch:
"Linie der deutschen Bischofskonferenz sei ..., dass an einem Ort am Samstag und Sonntag nicht beides sein kann, damit sie nicht in Konkurrenz zueinander treten. ..... Eine Eucharistie am Vorabend schließe demnach den Wortgottesdienst am Sonntag in derselben Pfarrkirche aus."
Der Münchener Weihbischof wollte die Augsburger Weisungen nicht kommentieren; ein Pater Dietrich dagegen "sieht in der Diskussion um die Wortgottesdienste ein deutsches oder gar bayerisches Problem. Mit Blick auf die 2000-jährige Geschichte der Kirche stellte er fest: Es habe auch schon Kirche ohne Priester gegeben. Der Salesianer sprach sich dafür aus, es stärker dem Gewissen der getauften Christen anheim zu stellen, wie sie mit der Wertigkeit von Wortgottesdiensten umgehen. Die Diskussion sei ein mitteleuropäisches Phänomen, meint auch der Weihbischof. Sie habe auch damit zu tun, dass es in dieser Region von der Mitte des 19. bis Mitte des 20. Jahrhunderts eine sehr große Zahl von Priestern gab, sodass in jeder kleineren Filiale Messen gefeiert werden konnten."
Eine ganze Reihe von einschlägigen Artikeln aus der Süddeutschen Zeitung ist auf der Webseite KirchenVolksBewegung abgedruckt:
- " 'Wer zum Baumarkt fährt, kann auch zur Kirche fahren' " (30.01.12) Hier erfahren wir u. a., dass in der Diözese ca. 1,3 Mio. Katholiken leben, und dass der Anteil der Kirchgänger noch stolze 14% beträgt. Auch über den möglichen mentalen Hintergrund der Zdarsa-Reform erfahren wir etwas (meine Hervorhebung): "Für die Kirchenbesucher, die bislang noch den sonntäglichen Spaziergang zu ihrer eigenen Kirche geschätzt haben, hieße dies Umsteigen ins Auto oder den Bus und fahren. Für Bischof Zdarsa, der aus der katholischen Diaspora im sächsischen Görlitz kommt, wo die Pfarrgemeinden weit auseinander liegen, offenbar kein unzumutbares Verlangen." Auch interessant: "... will Bischof Zdarsa in den zusammengelegten Pfarreien und auch in den Pfarreiengemeinschaften künftig einen Pastoralrat an die Stelle der Pfarrgemeinderäte setzen. Dies bedeutet im Unterschied zu heute, dass diesem Beratungsgremium nicht mehr ein Laienvertreter, sondern der Pfarrer vorsteht. Arbeitsökonomisch kann das aus Sicht der Kirchenleitung sogar sinnvoll sein, denn der Pfarrer müsste sich dann mit weniger Gremien beschäftigen und er könnte selbst festlegen, wann und wie oft er zu Sitzungen einlädt. „Man kann es auch anders ausdrücken: auf diese Weise kann von oben nach unten viel leichter durchregiert werden“, sagt ein Priester, der sich eine solche Entwicklung allerdings nicht wünscht." Und schließlich: "Schon im Bistum Görlitz hat Bischof Zdarsa mit Pastoralräten gearbeitet, doch für Helmut Mangold [Vorsitzender des Diözesanrats und damit oberster Sprecher der Laien im Bistum] , den Sprecher der Laien, ist das kein erstrebenswertes Ziel. ...Mangold rechnet nach Bekanntgabe der Planungen zur Gemeindereform jedenfalls mit lebhaften Diskussionen. Doch es ist fraglich, ob sie den Bischof beeindrucken werden. In seinem Hirtenwort 2011 machte er kein Hehl daraus, dass „die Rede nach Art des guten Hirten auch das richtungsweisende, notfalls gebietende Wort kennt“."
- "Aufstand im Bistum Augsburg": "Unter den Katholiken in Schwaben formiert sich aktiver Widerstand gegen Bischof Konrad Zdarsa und seine Bistumsreform. Unter dem Motto 'Lasst die Kirche im Dorf' wird für den zweiten Fastensonntag (4.März) zu Protestkundgebungen in allen Pfarrgemeinden aufgerufen: Die Gläubigen sollen nach dem Gottesdienst eine Menschenkette um ihre Kirche bilden. 'Wir umarmen unsere Gotteshäuser, das kann uns keiner verbieten', sagt Regionaldekan Reinhold Lappat."
- Ein "must read" für alle einschlägig Interessierten ist das SZ-Interview vom 05.03.12 " 'Reform geht an der Wirklichkeit vorbei' " mit dem Unternehmensberater Thomas von Mitschke-Collande, ehemals Direktor bei McKinsey, der auch schon die Umstrukturierungsprozesse der katholischen Deutschen Bischofskonferenz und mehrerer Bistümer begleitet hat und in Tutzing, im Bistum Augsburg, lebt. Auszüge: "Die Gläubigen haben den Eindruck: Es darf die Kirche nicht im Dorf bleiben. ... Andere Bistümer sind bei gleicher Problemstellung andere Wege gegangen. Zum Beispiel hat man die Wortgottesdienste und die Verantwortung der Laien vor Ort gestärkt. Was die Leute umtreibt, ist die Frage, wie kann kirchliches Leben vor Ort im Dorf, dort, wo die Gemeinde lebt, lebendig erhalten bzw. gestärkt werden. Hier gibt es keine überzeugende Antwort. ... Zum Beispiel mit der Abwertung der bisherigen Pfarrgemeinderäte und Kirchenverwaltungen – das frustriert nur jene ca. 16.000 engagierte Katholiken, auf die es in Zukunft besonders ankommen wird. ... Der alte Augsburger Bischof Josef Stimpfle sagte: In jedem Dorf im Bistum sollen sonntags die Glocken läuten. Damit die Gläubigen zum Gottesdienst kommen – wenn es nicht anders geht, auch zum Wortgottesdienst ohne Priester. ... Wenn bis zum Jahr 2025 aus 1000 Pfarreien im Bistum 200 werden, dann werden sonntags viele Glocken schweigen. Da geht ohne Not eine jahrhunderte alte , bewährte Kultur verloren, ein Stück bayerischer Identität, gewachsene Heimat.... [Im] Bistum Augsburg ... lebt die Kirche [anders als im Diaspora-Bistum Görlitz] auch von der Nähe, die sie bietet. Die wird umso wichtiger, je mehr dieses Kleinräumige auch auf dem Land verloren geht. ... Bischof Zdarsa hat offensichtlich die kleine Schar der Überzeugten im Blick. Eine Mehrheits-Kirche mit vielen Überzeugten, aber auch vielen Halbüberzeugten ist ihm fremd .... Er darf ... [sein Kirchenverständnis] nicht absolut setzen, sonst wird es problematisch. Ca. 100.000 hoch engagierte Katholiken gibt es auch im Bistum Augsburg. Aber was ist mit den anderen 1,1 Millionen?... Ich habe neulich eine Ordensschwester aus Nord-Ost-Brasilien getroffen, die mir sagte: Bei uns kommt alle 6 Monate mal ein Priester vorbei, ansonsten treffen wir uns ohne Priester und feiern Gottesdienst. Wer will dieser Ordensfrau sagen, dass sie nicht mehr katholisch ist?"
- Was sich der gute Hirte Dr. Konrad Zdarsa unter einem "respektvollen Dialog" vorstellt, kann man ermessen, wenn man den SZ-Artikel "Bistum macht Druck auf Dekane" vom 09.03.12 liest: "Berichte [wurden] bestätigt, dass den zwei Dekanen Reinhold Lappat und Fritz Kahnert offiziell der Rücktritt nahegelegt wurde. In Gesprächen mit dem Generalvikar Karlheinz Knebel wurde ihnen mitgeteilt, dass sie andernfalls mit einer Abberufung rechnen müssten. Beide Dekane weigern sich aber zurückzutreten und warten nun stillschweigend auf Post aus dem Bischofshaus. Sie hatten sich zuvor öffentlich kritisch über die Pfarreienreform im Bistum geäußert.Nach Bekanntwerden dieser Drohung aus dem Ordinariat gab es zahlreiche Solidaritätsbekundungen von Gläubigen und Geistlichen. ... Auch Pfarrer und Dekane [etwa in Memmingen und Füssen] äußern sich in Interviews mit Lokalzeitungen weiterhin kritisch" Das ist doch ein richtig christlicher Umgang mit den Untergebenen im Bistum Augsburg! (Vor einer Abberufung ist die Bistumsleitung dann doch zurückgeschreckt - vorerst zumindest. Die betroffenen Dekane hatten auch politische Unterstützung: "Bürgermeister der Verwaltungsgemeinschaft Buchloe wenden sich in einem Brief an Bischof Konrad Zdarsa", Allgäuer Zeitung 10.03.12 und "Pastorale Raumplanung. Offener Brief aus Egling an Bischof Zdarsa", Augsburger Allgemeine 28.03.11: "Die Aufforderung an Dekan Kahnert zurückzutreten, „erzeugt in unserer Diözese eine Atmosphäre der Angst“. ... Dieses Vorkommnis zeige, dass in der Diözese der christliche Umgang miteinander leide. Hingewiesen wird auf die Folgen der bisherigen Vorgehensweise im Zusammenhang mit der Reform: 'Es macht uns sehr nachdenklich, dass sogar viele ältere treue Christen sich mit dem Gedanken auseinandersetzen, aus der Kirche auszutreten. Sie haben das Gefühl, dass ihnen die christliche Heimat gestohlen wird'.")
- Stefan Mayr wägt in seinem SZ-Artikel "Krisen-Bistum Augsburg: Alte Wunden, neue Wunden" gewissermaßen Soll und Haben von Bischof Zdarsa ab: "Bischof Zdarsa wurde im Oktober überaus herzlich in Augsburg empfangen, seine bescheidene und offene Art kam sehr gut an, er wurde mit dem Händeschütteln nicht mehr fertig. Nach seinem Amtsantritt räumte er überraschend schnell und gründlich auf ... . Doch dann traf Zdarsa auch Personalentscheidungen, die auf Unverständnis stießen: So berief er Gerda Riedl zur Hauptabteilungsleiterin für Grundsatzfragen. Die Dogmatik-Professorin gilt als Vertraute Mixas - und die Geistlichen fragen sich: Warum hat er diese Altlast in die Diözese zurückgeholt?" Interessanter sind jedoch einige statistische Informationen (meine Hervorhebung): "12.000 Austritte musste die Diözese Augsburg im Jahr 2010 verkraften, das waren 73 Prozent mehr als 2009. Dieser Exodus ist inzwischen zwar gestoppt, dennoch stehen den Geistlichen und den Gläubigen - völlig unabhängig von der Mixa-Affäre - schwere Zeiten bevor: Die Diözese plant, in den nächsten 15 Jahren die ehemals 1.000 eigenständigen Pfarreien in 200 Seelsorge-Einheiten zu bündeln. Grund für diesen Einschnitt: Derzeit hat das Bistum 366 Priester, 2015 werden es nur noch 200 sein. Und dies ist sogar eine "durchaus optimistische Planung", betont Generalvikar Karlheinz Knebel. Eine Lokalzeitung stellte bereits betroffen wie treffend fest: "Den Dorfpfarrer gibt es bald nicht mehr." Dieser Prozess löst an der Basis große Unruhe aus. ... Während Zdarsa bei seinen ersten öffentlichen Auftritten stets freundlich und zuvorkommend auftrat, schlägt er in seinem Hirtenbrief ganz andere Töne an. "Dabei möchte ich nicht unterschlagen", schreibt er da, "dass die Rede nach Art des Guten Hirten auch das richtungsweisende, notfalls gebietende Wort kennt."
KRITIK AM BZW. DARSTELLUNG DES KATHOLISCHEN VERSTÄNDNIS(SES) DER EUCHARISTIE
"Die Sakramente der Kirche. Eucharistie" Webseite des Erzbistums Köln.
"Eucharistie" Sehr ausführliche Darstellung der kirchlichen Sichtweise auf der Webseite "Katholisch Leben" der "Jesus Brothers" bzw. von deren Gründer Robert Gollwitzer.
"Ist die Eucharistie eine biblische Variante des Abendmahls?" Kritik von Hans-Werner Deppe am katholischen Eucharistieverständnis.
"Die Eucharistie und das Abendmahl: Weniger als ein Stück Brot" Zeitschrift "Der Theologe"; kritisch.
Aus wissenschaftlicher Sicht würde ich die Entwicklung in der Augsburger Diözese als ein spannendes soziologisches Feldexperiment bewerten.
Mit dessen Observation könnte ein(e) Religionssoziologe/~in sehr gut 'ne Promotion oder gar Habilitation erstellen. Das natürlich erst nach dessen Abschluss, also nach dem Jahr 2025.
Interessanter noch wäre eine begleitende Langzeitstudie.
Ich meinerseits lehne mich als Unbeteiligter entspannt zurück und verfolge die weitere Entwicklung in der Zeitung. Vielleicht werde ich sie ab und an auch wieder bebloggen; insbesondere wenn es zu Wendungen im bischöflichen Kurs kommen sollte, oder wenn gravierende negative Folgen sichtbar werden.
Wäre ich der 'Vertriebsleiter' einer 'Konkurrenzfirma', würde ich meine 'Vertriebsmitarbeiter' in die Diözese Augsburg ausschwärmen lassen. Werbeslogan:
"Bei uns dürfte eure Kirche im Dorfe bleiben".
Textstand vom 09.04.2012