Kinderkriegen auf mexikanisch…

Ehrlich gesagt, weiß ich gar nicht, wie es im restlichen México aussieht. Es ist ja ein sehr großes Land, aber hier in México City durften wir eine Geburt miterleben. Nun, nicht wirklich miterleben, abgesehen davon, dass die “Betroffene” sicher lieber ihren Mann mitdabei gehabt hätte, als uns, gab es für sie auch gar nicht die Wahl. Aber zurück zum Anfang…

Der Anfang

 

Keine Angst, ich fange nicht bei den Bienchen und Blümchen an, aber wer hätte gedacht, dass México eine sehr starke zentralisierte Bürokratie hat? Ich nicht. Weiterhin war ich auch komplett überrascht darüber, dass hier jeder und jede mexikanische Staatsbürgerin krankenversichert ist. Jawohl, hier gibt es sie, die Volksversicherung. Gratis. Sie steht in der mexikanischen Verfassung. Allerdings sind nur ca. 51% versichert. Theorie und Praxis klaffen da ganz weit auseinander. Wir haben bisher noch nicht herausgefunden, wie diese große Anzahl von Nicht-Versicherten zustande kommt. Was wir wissen, aufgrund von Erzählungen ist, dass man sich registrieren muss, sonst wird es bei einem evtl. Arztbesuch passieren, dass man die Rechnung bekommt. Hingewiesen wird man in der Regel nicht, es ist auch nicht automatisch und nicht im Nachhinein verrechenbar. Auch gibt es keine fixe Kosten, so bezahlen Bewohner eines bestimmten Stadtteils mehr bzw. weniger als Bewohner eines anderen. Dann wird der Beitrag noch nach der Anzahl der Glühbirnen im Haushalt berechnet. Dieses System ist gar nicht mal so schlecht, wohnt man nicht gerade mit wenig Einkommen in einem gentrifizierten und daher höher gestuften Bezirk. Dann sollte man evtl. auch die eine oder andere Glühbirne nicht erwähnen…
Ist man allerdings registriert, bleibt einem das erspart und man bezahlt “nüschts”.

Ich, als Deutsche, hatte zu weilen meine Schwierigkeiten, dieses System zu verstehen. Also, entweder sind alle versichert, warum registrieren und falls jemand Unregistriertes vorbei kommt, wieso dem noch Geld abziehen? Und warum wissen offenbar nicht alle davon, dass sie versichert sind? Und was um alles in der Welt soll das mit den Glühbirnen? Das stammt wohl aus längst vergessenen Tagen. Wir müssen da noch Nachforschungen betreiben…

Es gibt natürlich noch andere bzw. zusätzliche Versicherungen z.B. die für alle Angestellten. Die Versicherungen betreiben alle unterschiedliche Krankenhäuser und so musste unsere schwangere Freundin bis ganz in den Süden der Stadt fahren, weil das Krankenhaus ihrer Versicherung sich dort befindet.
Natürlich gibt es auch private Krankenhäuser, die haben aber in der Regel nicht so einen guten Ruf. Die Mitarbeiter sind freundlich, die Behandlung ist angenehmer und unkomplizierter, aber das Personal soll nicht so qualifiziert sein, wie in den Krankenhäuser der staatlichen Versicherungen. Und es ist natürlich teurer, weil, man muss es selber bezahlen. Möchte frau allerdings eine Hebamme vor, während und nach der Geburt anwesend haben, so muss sie privat dafür aufkommen, mit umgerechnet 1000 Euro oder mehr.

Die Mitte

Ich kann mich nicht mehr an jedes Detail erinnern, aber ständig mussten Arzttermine an einer Stelle gemacht und dann zu teilweisen unmenschlichen Zeiten in das Krankenhaus am anderen Ende der Welt gefahren werden, wo dann der Termin nicht eingehalten werden konnte, weil der a) Arzt gerade nicht da war oder b) doch nicht dafür zu ständig oder c) irgendeine Unterschrift, Nummer, Dokument fehlte. Einmal kamen wir 10 Minuten zu spät (die Busse hier fahren manchmal einfach nicht und es gibt keine Fahrpläne) und mit viel Überredungskunst kam es dann doch noch zu dem Termin, den man aufgrund der Verspätung erst verweigert hatte. Kommt man/frau allerdings pünktlich wartet man manchmal stundenlang, denn oftmals bekommen alle die gleiche Uhrzeit als Termin und dann gilt first come first serve.

Wir haben unsere Freundin ein paar mal begleitet, allerdings darf immer nur eine Person (manchmal noch nicht einmal die) mit in das Krankenhaus hinein. Das Sicherheitspersonal gibt Besuchern bzw. Begleitern Ausweiskarten und ist sehr strikt. Auffällige Personen, wie wir (zur Erinnerung: Güeras) haben da keine Chance, sich herein zu schmuggeln. Wir mutmaßen, diese Anordnung entstand dadurch, dass viele Patienten die ganze Familie mitbrachten und die sind oftmals sehr zahlreich an Personen. Abgesehen davon, dass dadurch ein Sicherheitsproblem entsteht, kommt auch niemand mehr durch die Gänge bzw. in die Zimmer.

Die Geburt

Blick aus dem KrankenhausfensterDann war es soweit. Wehen! Allerdings zu einer ungünstigen Zeit. Schichtwechsel. Das ist wohl in allen Krankenhäusern dieser Welt ein Problem… Ich kenne diese Erzählungen auch aus deutschen Krankenhäusern. Der betreuende Arzt erzählte hinterher, wie es zu folgenden Ereignissen kommen konnte. Aufgrund des bevorstehenden schon oben erwähnten Schichtwechsels wurde das Kind durch einen Kaiserschnitt geboren. Die Begründung dafür war, eine Komplikation, die, wir vermuten mit genügend Zeit und kompetenter Hilfe (z.B. einer Hebamme), sich aller Wahrscheinlichkeit nach,  selber “gelöst” hätte. Zeit gab es aber keine. Dazu kommt, dass bei einem Schichtwechsel oftmals alle Papiere verloren gehen, was zu weiteren Komplikationen und Verzögerungen führen kann. So sollte das Kind noch in der “alten” Schicht geboren werden und die Geburt wurde mit Hilfe von Hormonen eingeleitet. Danach stellte man fest, dass das Baby in der Nabelschnur verheddert war und so gab es eine ordentliche Dosis Schmerzmittel gleich mit Antiobiotika versetzt, alles nach Vorschrift, und daher konnte frau auch nichts dagegen sagen. Ach und habe ich schon erwähnt, dass niemand mit in den OP bzw. Kreissaal durfte? Laut Vorschrift darf nur allein geboren werden. Das Kind, kaum dem müterlichen Leib entnommen (Kaiserschnitt), wurde gleich in ein anderes Zimmer gebracht. Die Mutter durfte es nicht sehen. Wie wir später erfuhren, war es dann der Vater, der seinen Sohn durch die Fensterscheibe kurz betrachten durfte, es war gerade Besuchszeit (diese müssen sehr streng eingehalten werden), die die Mutter aufgrund der Geburt verpasst hatte. Am nächsten Tag durfte die Mutter ihr Kind immer noch nicht sehen, wegen der Schnittwunde des Kaiserschnittes durfte sie das Zimmer nicht verlassen und laut Vorschrift durfte das Baby nirgendswohin gebracht werden. Der gesunde, einen Tag nach Geburtstermin geborene und quicklebendige Neuling durfte das Zimmer nicht verlassen. Vater und Mutter konnten sich dann kurz, gegen die Vorschriften, in das Zimmer schleichen. Mir stehen jetzt noch die Haare zu Berge.

Am 3. Tag haben die Eltern entschieden, trotz ärztlicher Anweisung, also auf eigene Gefahr, das Krankenhaus zu verlassen. Das ist aber nicht so einfach, da die Kleidung der Mutter (aller Patienten) weggeschlossen wird.  Dann mussten sie in einen anderen Raum, wo ihnen ihr Baby übergeben werden sollte. Dort hätte es aber immer noch passieren können, dass jemand nein sagt und sie hätten das Krankenhaus ohne ihr Neugeborenes verlassen müssen. Der Frau vor ihnen war das passiert.

Ich weiß nicht, ob das für alle Krankenhäuser in Mexico gilt, oder nur für diese der IMSS (seguro sociales = Angestellten Versicherung) und wie es in den privaten KH bzw. der anderen Versicherungen zu geht, aber wenn die meisten Mexikaner so geboren werden… Wow, was für ein harter Einstieg ins Leben!

Aber wie so oft, Ende gut, alles gut!
Hier ein Bild des neuen Erdenbürgers

3 Tage alt

Bienvenido a México


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