[KG-Challenge #6] Historical – Heute darf es ein wenig knistern


Wie sie da nur wieder reingeraten ist? Sie kann nicht wirklich glauben, dass sie hinter einer Bude steht und von einem Mann geküsst wird. Einem wildfremden noch dazu. Und nicht nur das, seine Hände umfassen sie, er streichelt sie … und sie ist verwirrt. Eigentlich darf das alles nicht sein. Sie will das doch gar nicht. Und darf der das überhaupt? Also dürfen zwei Unverheiratete? Das? In der Öffentlichkeit? Hoffentlich sieht keiner her … Aber aufhören, das will sie jetzt gerade auch nicht. Oder doch? Bis grade eben, da hat sich einfach eins fürs andere ergeben. Und es hat ihr auch irgendwie gefallen: schon als sie mit dem Bruder und den anderen auf dem Fest angekommen ist, da hat sie ihn das erste Mal gesehen. Ein großer, dunkelhaariger Kerl. Ein hübscher Kerl. Ganz anders als der Martin, der wohl ihr Ehemann werden soll. So einer, der immer lacht. Der auffällt. Den die Frauen anschauen. Also nicht nur sie, das hat sie gleich gemerkt. Kaum haben sie an ihrem Tisch Platz genommen und bei der Bedienung Bier bestellt, da hat sie gesehen, dass er nur ein paar Bänke weiter sitzt. Und nicht nur ihr ist es aufgefallen, auch er hat sie angeschaut – und dann gelächelt und ihr zugeprostet. Natürlich hat sie gleich wieder weggeschaut. Um dann wieder und wieder und wieder hinzuschauen.

Die anderen essen und trinken und reden. Nur sie ist heute schweigsam. Aber sie ist ja auch nicht zum essen und trinken da. Ihr ist schon klar, dass der Martin sie und ihren Bruder nicht einfach so eingeladen hat, mit auf das jährliche Volksfest zu gehen. Daheim, da sind schließlich immer die Geschwister, der Vater, die Mutter, die Großtante und die Dienstboten um sie herum. Der Martin, der will sie heute was fragen. Und sie weiß immer noch nicht, was sie antworten will. Weil mögen, ja, mögen tut sie ihn schon. Eigentlich. Aber ob sie ihn so gern hat, dass sie ihn gleich heiraten will? Sie weiß doch auch gar nicht, wie sich das anfühlt. Also wenn man das weiß. Dass man einen Mann heiraten will. Und irgendwie sagt da auch keiner was dazu. Alle tun, als ob das dann „halt“ so sein soll. Schon wieder kreisen ihre Gedanken, schon wieder würde sie am liebsten auf und davon laufen. Und dahinten erspäht sie jetzt das Kettenkarussel. Jedes Jahr bauen auf dem Gelände ein paar Fahrgeschäfte auf, Buden, ein Losstand. Sie fragt, ob jemand mitkommen möchte, sie will etwas frische Luft schnappen. Die anderen wollen in Ruhe sitzenbleiben, essen, trinken. Auch der Martin. Da ist sie jetzt sogar ein kleines bisschen froh. So halt.

Sie schlendert los, ist schon nach wenigen Metern verzaubert von allem, was sie zu sehen bekommt. Süßigkeiten, wohin das Auge blickt. Auf dem Kettenkarussel juchzen die Menschen, sie bleibt minutenlang stehen und bewundert, wie die Mitfahrenden mit wirbelnden Beinen lachend durch die Luft fliegen. Da ertönt eine tiefe Männerstimme hinter ihr: „Mogst mitfahren?“ Ohne auf ihre Antwort zu warten umfasst er wie selbstverständlich ihre Taille, trägt sie förmlich die Stufen zur Kasse hoch. Er kauft Bons und schiebt sie zu den anderen Wartenden. Jetzt sitzt er in der Schaukel neben ihr, lächelt sie mit seinen blitzenden Augen verschmitzt an. Als sie nach oben gezogen werden fasst er auch noch ihre Hand. Sie ist vollkommen sprachlos, was traut der sich eigentlich. Aber sie macht nix, schaut ihn einfach nur an. Sie weiß, wer er ist. Er ist der Mann, der ihr vorhin schon aufgefallen ist. Und sie weiß ganz genau, warum er ihr aufgefallen ist. Der hat so was an sich. Beschreiben kann sie das nicht, aber sie spürt es, fühlt es, riecht es.Jetzt fliegen sie, hoch über den Rummel und die ganze kleine Stadt kann sie schauen. Ein herrliches Gefühl, sie beginnt, zu lachen, lächelt ihn an. Sie fühlt sich gerade vogelfrei. Himmlisch ist das. Wieder auf dem Boden angekommen zieht er sie mit einer Hand weiter und spaziert selbstsicher mit ihr zu den gebrannten Mandeln. „Ich kauf uns eine Tüte. Magst schon, gell?“ und strahlt sie an. Immer noch hat sie keine Worte, eigentlich muss sie jetzt gehen. Das weiß sie. Irgendwie. Und wollen würde sie schon. Meint sie. Innerlich.

An der Bude mit den Mandeln bietet er ihr einen Griff in die Tüte, stellt sich im Vorbeigehen hinter sie und flüstert ihr ins Ohr: „Kommst mir nach?“ und geht, ums Eck. Sie ist jetzt irritiert, wo ist er denn hin? Und was soll sie? Aber eigentlich denkt sie gar nicht, sondern geht ihm eben nach. Ein Schritt rum ums Eck und seine kräftigen Arme ziehen sie in eine von allen Einblicken gut geschützte und versteckte Ecke. Ehe sie auch nur einen klaren Gedanken fassen kann strahlt er sie an, „Du, das wünsch ich mir, seit ich dich vorhin am Tisch sitzen sehen hab, dass du mir nachkimmst, mei, schmeckst du so gut, wie ich mein?“ Sprachs und zieht sie ganz nah zu sich heran. Und seitdem küsst er sie. Überraschend schön ist das, und irgendwie konnte sie minutenlang nur genau das denken, wie schön das ist. Ganz anders, als sie sich das immer ausgemalt hat. Und es fühlt sich gut an. Sie öffnet die Lippen, ohne genau zu wissen, warum. Und als ob er nur darauf gewartet hätte fährt er mit seiner Zunge nach vorne, kitzelt, liebkost, neckt. Huch, ihr wird ganz heiß. Tut das gut, was er macht. Das zum Beispiel, was er jetzt gerade wieder macht, sanft umkreist er ihre Zunge, das fühlt sich gleichzeitig fest und weich an. Und jetzt beißt er ein bisschen in ihre Unterlippe, sie will mehr, viel mehr, schmiegt sich an ihn, presst ihren Körper ganz fest an seinen. Wie gut das tut, wie gut er schmeckt … Seine Hand, war gerade noch an ihrem Hals, jetzt aber streichelt er sie ganz woanders, wandert eben von der linken zu rechten Brust, drückt ein bisschen fester zu …. Mmmmmh, schön. Auch, wenn sich ihrer Kehle ein stöhnender Seufzer entringt, der die andere Hand an ihrem Hinterteil noch fester hingreifen lässt: nein, Schluss. Sie schiebt ihn von sich. Jetzt ist er da, der Kopf, ihr scharfer Verstand. Gar nicht so einfach, das alles zu beenden. Vor allem, weil es etwas in ihr auslöst, von dem sie nicht wusste, dass es vorhanden ist. Er steht vor ihr. „Mädel, du kannst mich nicht so stehenlassen …“, aber sie hört nicht mehr, richtet das Kleid, die Haare. Steht herausfordernd vor ihm. Und wo vorher die Worte fehlten schießt ihm jetzt mit klarer Stimme entgegen: „Ganz ehrlich: I kenn ned amal deinen Namen. Wennsd weida mit mir schmusen mogst, dann kimmst di am besten bald amoi vorstellen bei mir!“ Und nennt ihm ihren Namen und wo sie Zuhause ist. Mit einem lächelnden „Pfiade“ tänzelt sie davon. Vor dem Kettenkarussell schaut sie noch mal kurz um, da steht er, hebt grinsend die Hand und winkt ihr nach. Und geht. Mit roten Wangen und erhitzt wie sie ist schwebt sie den Weg, den sie gekommen ist, zurück bis zu ihrem Tisch. Ein bisschen glücklich ist sie. Und ein ganz kleines bisschen traurig gleichzeitig, weil da war was, das hätte sie gerne noch mehr, noch länger, noch intensiver erforscht … Martin begrüßt sie mit seinem eher schüchternen Lächeln. Sie setzt sich wieder zu den anderen und lächelt zurück. In Gedanken irgendwo, woanders.

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Ein fiktiver Beitrag zu den historischen Kurzgeschichten des Schreibkastens. Es knistert, ein bisschen, aber wie das eben im letzten Jahrhundert zu den Jugendzeiten meiner Großeltern so war: es darf nicht zur Sache gehen. Wobei mir ja ein sehr weiser alter Freund öfter mal zu verstehen gibt, dass Küssen die eigentliche Kunst der Verführung ist …


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