Keine Wahl, nirgends

Wahlkampf ist immer eine Hochzeit der Idiotie. Aber inzwischen ist es kaum auszuhalten, wie sehr sich die Medien an der Überwindung der Inhalte beteiligen, auch wenn ein bisschen Wahlkampfhilfe für die Partei ja ganz nett wäre. Aber eigentlich lamentieren die Journalisten nur darüber, wie gemein es doch von Mutti Merkel ist, dass sie dem Steinbrück alle Wahlkampfthemen wegnimmt: Jetzt also auch noch die Mietpreisbremse.

Als ob die Merkelregierung nicht gerade erst ein Gesetz verabschiedet hätte, mit dem die Mieten weiter in die Höhe getrieben werden. Aber unsere Kanzlerin beherrscht den Doppelsprech so virtuos, dass es aus ihrem Munde so klingt, als hätte ihr die Interessen der Mieter schon immer am Herzen gelegen, die sie sie nun gegen die maßlose Gier der Vermieter verteidigen will.

Dabei sollte niemand ernsthaft erwarten, dass ein neoliberaler SPD-Kanzler Steinbrück plötzlich seine soziale Ader entdecken würde und dafür sorgt, dass sich auch Durchschnittsverdiener mit mehreren Kindern in attraktiven Innenstadtlagen noch angemessen große Wohnungen leisten können. Im Gegenteil, der wird eher ein Herz für Vermieter haben, die endlich genau wie er selbst mal anständig verdienen wollen. Egal, was die Medienberater in seine Sprechblasen schreiben.

Es ist doch wirklich schnurzpiepegal, welche Partei oder welche Koalition am Ende die Sachzwänge exekutiert, die inzwischen als alternativlos installiert wurden. Denn eins haben alle kapiert: Banken müssen gerettet werden, alles andere ist verhandelbar. Selbst die Linken wollen die Kapitalismus nicht mehr abschaffen, sondern nur ein bisschen menschenfreundlicher gestalten. Wie das aussehen kann, hat ein rot-rote Senat in Berlin fast zehn Jahre lang vorgeführt: Von Januar 2002 bis September 2011 hat eine Regierung aus SPD und Linkspartei mit einer knallharten Sparpolitik gegen die Interessen einer Mehrheit von Berlinern anregiert.

Berlin trat 2003 als erstes Bundesland aus dem Arbeitgeberverband des Bundes aus, um die Löhne im öffentlichen Dienst senken zu können. Überhaupt wurden massiv Stellen im öffentlichen Sektor abgebaut, dafür erlebten Leiharbeit und Niedriglohnjobs einen Aufschwung. In Berlin ist inzwischen sehr deutlich zu sehen, dass Arbeit zu finden nicht heißt, der Armut zu entkommen, denn die Löhne sind in Berlin sehr niedrig, während die Lebenshaltungskosten extrem gestiegen sind.

Durch die Privatisierung von einst im sozialen Wohnungsbau errichteten Wohnkomplexen, die an Heuschrecken-Konzerne verscheuert wurden und das Auslaufen von Förderprogrammen für den Wohnungsbau verschlechterte sich die Situation auf dem Wohnungsmarkt dramatisch. Die Mieten stiegen rasant, genau wie die Nebenkosten, weil beispielsweise die Berliner Wasserbetriebe privatisiert wurden. Dabei weiß inzwischen jeder, dass die Privatisierung immer eine Garantie dafür ist, am Ende für weniger Leistung mehr bezahlen zu müssen.

Auch an der Bildung wurde weiter gespart, obwohl an den Berliner Universitäten schon seit Mitte der 1990er Jahre massiv Studienplätze abgebaut wurden. Zum Schuljahr 2003 wurde die Lehrmittelfreiheit abgeschafft, die Eltern müssen nun pro Schuljahr und Kind für 100 Euro Schulbücher kaufen. Das ist aber nicht alles, ich habe erlebt, dass auf Elternveranstaltungen darum geben wurde, den Kindern Tafelkreide und Klopapier mitzugeben, weil dafür keine Mittel mehr vorhanden sind. Genau wie Eltern in Wochenendeinsätzen Klassenräume streichen oder Basare veranstalten, damit irgendwelche eigentlich selbstverständlichen Dinge beschafft werden können.

Durch zahlreiche Schulreformen hat der Senat ein Zwei-Klassensystem in der Bildung geschaffen: Während die besser gestellten Gymnasien sich die besten der besten Schüler aussuchen können, bleibt der Rest an den schlechter ausgestatteten Sekundarschulen hängen, in denen die einstigen Haupt- und Realschulen zusammengefasst wurden. Die Idee war, dass die stärkeren Schüler die schwächeren mitziehen – durch die miserable Ausstattung mit Personal und Lehrmaterial ist es aber so, dass aus Bildungsniveau allgemein bedenklich sinkt. Kinder, deren Eltern nicht in der Lage sind, mit privater Nachhilfe auf Gymnasialniveau zu kommen, bleiben auf der Strecke.

In allen Bereichen hat Rot-rot das Gegenteil von dem getan, was vor der Wahl versprochen wurde. Nun bin ich nicht so naiv zu glauben, dass es mit einer anderen Regierung besser gewesen wäre: Es spielt überhaupt keine Rolle, welche Partei regiert. Denn solange alle auf dem Boden unserer heiligen freiheitlich-demokratischen Grundordnung stehen, regiert das Geld bzw. die Geldnot.



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