Eine Antwort und Fortführung auf "Die eine, die besonders unbeliebte Säule des Islam" Gastbeitrag einer promovierten Islamwissenschaftlerin, die ungenannt bleiben möchte.
Ihr kritischer Blick auf die kapitalistischen "westlichen" Gesellschaften hat Sie, Herr De Lapuente, nun konsequent zu der Erkenntnis geführt, dass es einen bestimmten Grund für die jahrelange Propaganda und zunehmende Hetzjagd gegen Islam und Muslime innerhalb der westlichen Gesellschaften und darüber hinaus geben muss; und tatsächlich besteht dieser Grund in dem anderen Gesellschaftsmodell, das der Islam entwirft. Im Gegensatz zu Religionen wie Christentum, Hinduismus oder Buddhismus beinhaltet der Islam mit seinem Rechtssystem eine Lebensordnung, die alle Aspekte menschlichen - diesseitigen - Handelns leitet. Eine Säkularisierung hat der Islam nie erlebt, weil er sie nicht brauchte. Es ist auch nicht so, dass die Muslime den Islam als umfassende Lebensordnung jemals freiwillig verlassen hätten - wenn wir heute leider beobachten müssen, dass in der Praxis der Gesellschaften der islamischen Welt der Bezug zum Islam kaum über das individuelle und gemeinschaftliche Gebet und Personenstandsangelegenheiten hinausgeht, so ist dies eine direkte Folge des Kolonialismus, der systematisch die islamischen Systeme durch die der kolonialen "Mutterländer" ersetzt hat.
Was die Systeme der islamischen Lebensordnung anbelangt, so sprengt es sicher den Rahmen dieser Zeilen, über sie zu referieren, deshalb möchte ich nur einige Stichpunkte in Bezug auf die ökonomische Seite nennen.
Umverteilung der Reichtümer, das Verbot von Horten, Monopolisieren, Zinsnahme und Spekulation, machen einen wesentlichen Teil des islamischen ökonomischen Systems aus. Als wesentliches Problem des ökonomischen Systems wird nicht, wie im Kapitalismus, die Produktion und immer neue Eroberung von Ressourcen sowie die Erschaffung künstlicher Bedürfnisse betrachtet, das wesentliche Problem ist das der Verteilung – wie wird Reichtum auf eine Art und Weise verteilt, die möglichst vielen Menschen einen akzeptablen Lebensstandard sichert?
Nach dem Hadith des Propheten Muhammad, "Die Menschen sind Teilhaber in drei Dingen; Weidegründe, Wasser und Feuer", lässt sich unter anderem ableiten, dass die Quelle des Feuers (Öl, Gas; ferner Elektrizität im weiteren Sinne) nicht in Privatbesitz konzentriert sein darf, sondern der Gemeinschaft zugute kommen muss. Man denke nur an die enormen Energievorkommen in der islamischen Welt und die Auswirkungen, die es hätte, würden diese der Umma, der weltweiten Gemeinschaft der Muslime, und den Nichtmuslimen in der islamischen Welt zukommen (der Hadith erwähnt "Menschen" im allgemeinen und spezifiziert nicht "Muslime") - sicherlich eine signalrote Karte für Neocons weltweit sowie für ihre Verbündeten, Helfershelfer und Speichellecker auf den Thronen und in den Regierungspalästen der islamischen Welt.
Das ökonomische System des Islam erlaubt Privatbesitz - abgesehen von Gütern und Ressourcen, die im Gemeinschaftsbesitz bleiben müssen - und unterstützt Handel und wirtschaftliche Aktivität durchaus, verbietet aber genau die Verhaltensweisen, die gerade das kapitalistische System zum Wackeln bringen, mit den bekannten Folgen für die Unterprivilegierten weltweit. Zakat (Almosensteuer) hat eine sehr wichtige gesellschaftliche Aufgabe, ist aber nicht die einzige Vermögensabgabe, die Muslime (und zu einem geringeren Teil Nichtmuslime) zu entrichten haben, es gibt ferner Ushr (den Zehnt, erhoben auf landwirtschaftliche Erzeugnisse), den Khumus (oder fünften Teil, erhoben zum Beispiel auf Bodenschätze, Ressourcen, verborgene Schätze, gefundene Güter ohne Besitzer); den Kharaj (eine Bodensteuer, die auf bestimmte Regionen erhoben wird), und andere mehr. All diese Gelder kommen der Gemeinschaft zugute, bestimmte Budgets davon einigen besonders spezifizierten Gruppen von Unterprivilegierten, so wird die Zakat etwa an Arme, Bedürftige, Verschuldete, Reisende (das heißt: Menschen, die sich nicht an ihrem Heimatort befinden) und an die Freilassung von Sklaven (in der Frühzeit des Islam ein sehr wichtiges Signal) verteilt. Die Abgabe, welche Dhimmis entrichten (Jizyah), bleibt übrigens in der Regel quantitativ unter der Zakatrate von 2,5 Prozent auf das jährliche Vermögen - wobei zu erwähnen bleibt, dass Dhimmis - wie alle anderen Staatsbürger eines islamischen Gemeinwesens - von öffentlichen Geldern profitieren, etwa im Fall der Erwerbsunfähigkeit und des Alters, und praktisch aller Einrichtungen, die der Gemeinschaft zugute kommen.
Den tatsächlichen Widerstand gegen den so genannten politischen Islam erkläre ich mir aus der Erkenntnis der Eliten weltweit, dass ihre Pfründe akut in Gefahr sind, sollte irgendwo einmal jemand auf die Idee kommen, eben jenes Wirtschaftssystem (wieder) zu etablieren.
Man konnte seit dem Zusammenbruch der "kommunistischen" Systeme fast wie in einem Lehrstück für politische Propaganda beobachten, wie "der Westen" gezielt darauf hingearbeitet hat, sein neues altes Feindbild des Islam wieder zu entdecken - immer auf der Suche nach dem ideologischen Gegner, der Krücke für das eigene Selbstbewusstsein, dem Identitätstifter, der Reibefläche, an der man sich abarbeiten kann in den variabelsten "Mißständen" über die leidende entrechtete muslimsche Frau bis hin zum geschundenen Tier (man denke nur an die Millionen armer Schafe, die jährlich zum Opferfest ihr Leben lassen…). Zum Teil ist dieser Diskurs so skurril und so in Entbehrung jeden Bezugs zur Realität des Islam (wie er sich aus seinen Schriften verstehen lässt) und der Muslime weltweit, dass man sich als muslimischer Beobachter fragt, ob diesen Schwachsinn wirklich einer glaubt? Das Problem der "Zwangsehe" etwa wird in Deutschland mittlerweile als ein islamisches Spezifikum verstanden, in völliger Ignoranz jeglicher Kenntnis über die Bedingungen einer Eheschließung nach islamischem Recht und der Tatsache, dass sie wie jeder Vertrag des ausdrücklichen Einvernehmens und der Zustimmung beider Parteien bedarf, um Gültigkeit zu erlangen; in absichtlichem medialen Übersehen diesbezüglicher Stellungnahmen aller organisierten und nichtorganisierten Muslime in Deutschland und einer gewollten Vermischung und Identifizierung des eben gerade im islamische Sinne völligen Fehlverhaltens einer Minderheit von Menschen, die möglicherweise ihre ethnischen Wurzeln in der islamischen Welt verortet sehen, mit dem Islam.
Leider, sie glauben es, die Massen, was man ihnen täglich vorsetzt, sie schlucken die Feindpropaganda ohne aufzustossen. Ein Lichtblick zumindest, dass es immer noch einige wenige gibt, die sich weigern, mit dem Strom zu schwimmen, ihren eigenen Verstand einsetzen und nachforschen, mit Muslimen im Gespräch bleiben und erkennen, welche Mechanismen hier funktionieren und zu welchem Zweck.
Was die erwähnten Mißstände in der islamischen Welt angeht, möchte ich, ohne apologistisch zu werden, daran erinnern, dass die islamische Welt, nachdem sie in den Nachwehen des Kolonialismus gefangen war, nun zum Objekt einer neokolonialistischen Neuauflage geworden ist, ohne in der Zwischenzeit jemals wirklich durchatmen und reflektieren gekonnt zu haben. Nach der Zerstörung des Osmanischen Kalifates 1924 und dem Ausschalten des jahrhundertelangen Erzrivalen, wurde die islamische Welt aufgeteilt in Nationalstaaten mit diverser nationalistischer, republikanischer, wahhabitischer, pseudo-sozialistischer und vielen anderen Prägungen, deren Ziel es vor allem war, die Einheit und den Zusammenhalt der Muslime zu zerstören und sie schrittweise mehr und mehr von den Grundlagen des Islam und seiner Lebensordnung zu entfernen. Es ist heute wesentlich einfacher, von Frankreich aus nach Marokko zu reisen (besonders mit einem europäischen Pass), als vom Nachbarland Algerien aus als Algerier. Eine Eheschließung zwischen, sagen wir, einem türkischen Kurden und einer Irakerin ist fast undenkbar geworden ob der behördlichen Hindernisse und den Folgen für Kinder aus einer solchen Ehe, die womöglich als permanent Staatenlose durch die Geschichte gehen. Es gibt mannigfaltige Widersprüche in der islamischen Welt heute, im politischen, ökonomischen, sozialen Bereich, die eben nicht ein Ergebnis der Anwendung des Islam, sondern ein Ergebnis der Abwesenheit des Islam im täglichen Leben und in den Systemen sind.
Jules Monnerot hat einmal den Kommunismus als “Islam des 20. Jahrhunderts” bezeichnet. Der Vergleich kommt, wenn er auch vielleicht anders gemeint war, nicht von ungefähr. Der Islam ist der ideologische Rivale des Kapitalismus - wie es der Kommunismus für weniger als ein Jahrhundert war. Aus diesem Grunde setzen die Eliten der kapitalistischen Länder ihre gesamte Maschinerie auf die Diffamierung des Islam, wie sie zuvor alles an die Diffamierung des Kommunismus setzten, und noch weitaus heftiger. Man bedarf dazu nur einiger Zutaten, und schon hat man sich den inneren Feind herbeigezaubert, der in Vertretung des äußeren Feindes als Projektionsfläche für das Übel der Menschheit herhalten muß und in der Tat die ideale Rechtfertigung für Verteidigungsetat, militärische Auslandseinsätze und allerlei Beschneidungen der bürgerlichen Rechte darstellt.
Wer meint, Sarrazin und Konsorten seien eine Randerscheinung, soll wissen, dass sie Teil eines Gesamtkonzeptes sind. Ostentativ bekennende Musliminnen aus den Schulen und der Verwaltung zu vergrätzen (sie könnten eine Vorbildfunktion haben; Vorsicht Signalwirkung!), Hatz auf Konvertiten zu machen (fünfte Kolonne!), Einflussnahme besonders auf muslimische Kinder - die man ja schließlich noch braucht, rein demographisch gesehen (Zwangsteilnahme an Klassenfahrten, Feiern, Schwimm- und Sexualkundeunterricht, zum Teil sogar behördlichen Kindesentzug), neuerdings fast inquisitorische Befragungen und diskriminierende Kleider, nein, Entkleidungskontrolle (!) für muslimische Frauen (Ziehen sie bitte ihren Mantel aus! Wo kommen sie jetzt her?) bei Grenzübertritt; Erfahrungen, die mich plötzlich sehr an meine Familienbesuche in der damaligen DDR und die diversen Grenzerfahrungen erinnern; all dies sind Indikatoren des neuen ideologischen Grenzverlaufs. Wann werden wohl die ersten Mauerschützen wieder eingeführt, könnte man sich fragen, um sich dann gleich daran zu erinnern, dass ebendiese schon auf Irak und Afghanistan losgelassen wurden – zur Verteidigung der Spree-Demokratie am Hindukusch und überall sonst auf der Welt, wo diese am deutschen Wesen genesen soll - mal wieder!
Ihr kritischer Blick auf die kapitalistischen "westlichen" Gesellschaften hat Sie, Herr De Lapuente, nun konsequent zu der Erkenntnis geführt, dass es einen bestimmten Grund für die jahrelange Propaganda und zunehmende Hetzjagd gegen Islam und Muslime innerhalb der westlichen Gesellschaften und darüber hinaus geben muss; und tatsächlich besteht dieser Grund in dem anderen Gesellschaftsmodell, das der Islam entwirft. Im Gegensatz zu Religionen wie Christentum, Hinduismus oder Buddhismus beinhaltet der Islam mit seinem Rechtssystem eine Lebensordnung, die alle Aspekte menschlichen - diesseitigen - Handelns leitet. Eine Säkularisierung hat der Islam nie erlebt, weil er sie nicht brauchte. Es ist auch nicht so, dass die Muslime den Islam als umfassende Lebensordnung jemals freiwillig verlassen hätten - wenn wir heute leider beobachten müssen, dass in der Praxis der Gesellschaften der islamischen Welt der Bezug zum Islam kaum über das individuelle und gemeinschaftliche Gebet und Personenstandsangelegenheiten hinausgeht, so ist dies eine direkte Folge des Kolonialismus, der systematisch die islamischen Systeme durch die der kolonialen "Mutterländer" ersetzt hat.
Was die Systeme der islamischen Lebensordnung anbelangt, so sprengt es sicher den Rahmen dieser Zeilen, über sie zu referieren, deshalb möchte ich nur einige Stichpunkte in Bezug auf die ökonomische Seite nennen.
Umverteilung der Reichtümer, das Verbot von Horten, Monopolisieren, Zinsnahme und Spekulation, machen einen wesentlichen Teil des islamischen ökonomischen Systems aus. Als wesentliches Problem des ökonomischen Systems wird nicht, wie im Kapitalismus, die Produktion und immer neue Eroberung von Ressourcen sowie die Erschaffung künstlicher Bedürfnisse betrachtet, das wesentliche Problem ist das der Verteilung – wie wird Reichtum auf eine Art und Weise verteilt, die möglichst vielen Menschen einen akzeptablen Lebensstandard sichert?
Nach dem Hadith des Propheten Muhammad, "Die Menschen sind Teilhaber in drei Dingen; Weidegründe, Wasser und Feuer", lässt sich unter anderem ableiten, dass die Quelle des Feuers (Öl, Gas; ferner Elektrizität im weiteren Sinne) nicht in Privatbesitz konzentriert sein darf, sondern der Gemeinschaft zugute kommen muss. Man denke nur an die enormen Energievorkommen in der islamischen Welt und die Auswirkungen, die es hätte, würden diese der Umma, der weltweiten Gemeinschaft der Muslime, und den Nichtmuslimen in der islamischen Welt zukommen (der Hadith erwähnt "Menschen" im allgemeinen und spezifiziert nicht "Muslime") - sicherlich eine signalrote Karte für Neocons weltweit sowie für ihre Verbündeten, Helfershelfer und Speichellecker auf den Thronen und in den Regierungspalästen der islamischen Welt.
Das ökonomische System des Islam erlaubt Privatbesitz - abgesehen von Gütern und Ressourcen, die im Gemeinschaftsbesitz bleiben müssen - und unterstützt Handel und wirtschaftliche Aktivität durchaus, verbietet aber genau die Verhaltensweisen, die gerade das kapitalistische System zum Wackeln bringen, mit den bekannten Folgen für die Unterprivilegierten weltweit. Zakat (Almosensteuer) hat eine sehr wichtige gesellschaftliche Aufgabe, ist aber nicht die einzige Vermögensabgabe, die Muslime (und zu einem geringeren Teil Nichtmuslime) zu entrichten haben, es gibt ferner Ushr (den Zehnt, erhoben auf landwirtschaftliche Erzeugnisse), den Khumus (oder fünften Teil, erhoben zum Beispiel auf Bodenschätze, Ressourcen, verborgene Schätze, gefundene Güter ohne Besitzer); den Kharaj (eine Bodensteuer, die auf bestimmte Regionen erhoben wird), und andere mehr. All diese Gelder kommen der Gemeinschaft zugute, bestimmte Budgets davon einigen besonders spezifizierten Gruppen von Unterprivilegierten, so wird die Zakat etwa an Arme, Bedürftige, Verschuldete, Reisende (das heißt: Menschen, die sich nicht an ihrem Heimatort befinden) und an die Freilassung von Sklaven (in der Frühzeit des Islam ein sehr wichtiges Signal) verteilt. Die Abgabe, welche Dhimmis entrichten (Jizyah), bleibt übrigens in der Regel quantitativ unter der Zakatrate von 2,5 Prozent auf das jährliche Vermögen - wobei zu erwähnen bleibt, dass Dhimmis - wie alle anderen Staatsbürger eines islamischen Gemeinwesens - von öffentlichen Geldern profitieren, etwa im Fall der Erwerbsunfähigkeit und des Alters, und praktisch aller Einrichtungen, die der Gemeinschaft zugute kommen.
Den tatsächlichen Widerstand gegen den so genannten politischen Islam erkläre ich mir aus der Erkenntnis der Eliten weltweit, dass ihre Pfründe akut in Gefahr sind, sollte irgendwo einmal jemand auf die Idee kommen, eben jenes Wirtschaftssystem (wieder) zu etablieren.
Man konnte seit dem Zusammenbruch der "kommunistischen" Systeme fast wie in einem Lehrstück für politische Propaganda beobachten, wie "der Westen" gezielt darauf hingearbeitet hat, sein neues altes Feindbild des Islam wieder zu entdecken - immer auf der Suche nach dem ideologischen Gegner, der Krücke für das eigene Selbstbewusstsein, dem Identitätstifter, der Reibefläche, an der man sich abarbeiten kann in den variabelsten "Mißständen" über die leidende entrechtete muslimsche Frau bis hin zum geschundenen Tier (man denke nur an die Millionen armer Schafe, die jährlich zum Opferfest ihr Leben lassen…). Zum Teil ist dieser Diskurs so skurril und so in Entbehrung jeden Bezugs zur Realität des Islam (wie er sich aus seinen Schriften verstehen lässt) und der Muslime weltweit, dass man sich als muslimischer Beobachter fragt, ob diesen Schwachsinn wirklich einer glaubt? Das Problem der "Zwangsehe" etwa wird in Deutschland mittlerweile als ein islamisches Spezifikum verstanden, in völliger Ignoranz jeglicher Kenntnis über die Bedingungen einer Eheschließung nach islamischem Recht und der Tatsache, dass sie wie jeder Vertrag des ausdrücklichen Einvernehmens und der Zustimmung beider Parteien bedarf, um Gültigkeit zu erlangen; in absichtlichem medialen Übersehen diesbezüglicher Stellungnahmen aller organisierten und nichtorganisierten Muslime in Deutschland und einer gewollten Vermischung und Identifizierung des eben gerade im islamische Sinne völligen Fehlverhaltens einer Minderheit von Menschen, die möglicherweise ihre ethnischen Wurzeln in der islamischen Welt verortet sehen, mit dem Islam.
Leider, sie glauben es, die Massen, was man ihnen täglich vorsetzt, sie schlucken die Feindpropaganda ohne aufzustossen. Ein Lichtblick zumindest, dass es immer noch einige wenige gibt, die sich weigern, mit dem Strom zu schwimmen, ihren eigenen Verstand einsetzen und nachforschen, mit Muslimen im Gespräch bleiben und erkennen, welche Mechanismen hier funktionieren und zu welchem Zweck.
Was die erwähnten Mißstände in der islamischen Welt angeht, möchte ich, ohne apologistisch zu werden, daran erinnern, dass die islamische Welt, nachdem sie in den Nachwehen des Kolonialismus gefangen war, nun zum Objekt einer neokolonialistischen Neuauflage geworden ist, ohne in der Zwischenzeit jemals wirklich durchatmen und reflektieren gekonnt zu haben. Nach der Zerstörung des Osmanischen Kalifates 1924 und dem Ausschalten des jahrhundertelangen Erzrivalen, wurde die islamische Welt aufgeteilt in Nationalstaaten mit diverser nationalistischer, republikanischer, wahhabitischer, pseudo-sozialistischer und vielen anderen Prägungen, deren Ziel es vor allem war, die Einheit und den Zusammenhalt der Muslime zu zerstören und sie schrittweise mehr und mehr von den Grundlagen des Islam und seiner Lebensordnung zu entfernen. Es ist heute wesentlich einfacher, von Frankreich aus nach Marokko zu reisen (besonders mit einem europäischen Pass), als vom Nachbarland Algerien aus als Algerier. Eine Eheschließung zwischen, sagen wir, einem türkischen Kurden und einer Irakerin ist fast undenkbar geworden ob der behördlichen Hindernisse und den Folgen für Kinder aus einer solchen Ehe, die womöglich als permanent Staatenlose durch die Geschichte gehen. Es gibt mannigfaltige Widersprüche in der islamischen Welt heute, im politischen, ökonomischen, sozialen Bereich, die eben nicht ein Ergebnis der Anwendung des Islam, sondern ein Ergebnis der Abwesenheit des Islam im täglichen Leben und in den Systemen sind.
Jules Monnerot hat einmal den Kommunismus als “Islam des 20. Jahrhunderts” bezeichnet. Der Vergleich kommt, wenn er auch vielleicht anders gemeint war, nicht von ungefähr. Der Islam ist der ideologische Rivale des Kapitalismus - wie es der Kommunismus für weniger als ein Jahrhundert war. Aus diesem Grunde setzen die Eliten der kapitalistischen Länder ihre gesamte Maschinerie auf die Diffamierung des Islam, wie sie zuvor alles an die Diffamierung des Kommunismus setzten, und noch weitaus heftiger. Man bedarf dazu nur einiger Zutaten, und schon hat man sich den inneren Feind herbeigezaubert, der in Vertretung des äußeren Feindes als Projektionsfläche für das Übel der Menschheit herhalten muß und in der Tat die ideale Rechtfertigung für Verteidigungsetat, militärische Auslandseinsätze und allerlei Beschneidungen der bürgerlichen Rechte darstellt.
Wer meint, Sarrazin und Konsorten seien eine Randerscheinung, soll wissen, dass sie Teil eines Gesamtkonzeptes sind. Ostentativ bekennende Musliminnen aus den Schulen und der Verwaltung zu vergrätzen (sie könnten eine Vorbildfunktion haben; Vorsicht Signalwirkung!), Hatz auf Konvertiten zu machen (fünfte Kolonne!), Einflussnahme besonders auf muslimische Kinder - die man ja schließlich noch braucht, rein demographisch gesehen (Zwangsteilnahme an Klassenfahrten, Feiern, Schwimm- und Sexualkundeunterricht, zum Teil sogar behördlichen Kindesentzug), neuerdings fast inquisitorische Befragungen und diskriminierende Kleider, nein, Entkleidungskontrolle (!) für muslimische Frauen (Ziehen sie bitte ihren Mantel aus! Wo kommen sie jetzt her?) bei Grenzübertritt; Erfahrungen, die mich plötzlich sehr an meine Familienbesuche in der damaligen DDR und die diversen Grenzerfahrungen erinnern; all dies sind Indikatoren des neuen ideologischen Grenzverlaufs. Wann werden wohl die ersten Mauerschützen wieder eingeführt, könnte man sich fragen, um sich dann gleich daran zu erinnern, dass ebendiese schon auf Irak und Afghanistan losgelassen wurden – zur Verteidigung der Spree-Demokratie am Hindukusch und überall sonst auf der Welt, wo diese am deutschen Wesen genesen soll - mal wieder!