Keine Atempause im “Streitfall kirchliches Arbeitsrecht”

WEIMAR. (fgw) Die Zeitschrift MIZ – Politisches Magazin für Konfessionslose und AtheistInnen – wid­met sich in ihrer aktu­el­len Ausgabe 1/12 dem Schwerpunktthema “Streitfall kirch­li­ches Arbeitsrecht” zu. Und bei die­sem Thema ist keine Atempause ange­sagt. Erstmals tauchte die­ses Thema im Jahre 1977 in der MIZ auf. Seinerzeit ging es um einen eigent­lich ganz nor­ma­len Vorgang. Ein gewerk­schaft­lich orga­ni­sierte Arzt hatte an sei­nem Arbeitsplatz, einem Krankenhaus in kirch­li­cher Trägerschaft, ein Einladungsschreiben für eine Betriebsgruppenseitzung ver­teilt. Doch die Leitung des Hauses sah darin “eine uner­träg­li­che Hetze” und kün­digte dem Mediziner frist­los mit der Begründung, es han­dele ich hier um einen “äußerst schwer­wie­gen­den Verstoß gegen die Wahrung des Arbeitsfriedens”… Doch 35 Jahre spä­ter kann so etwas immer noch pas­sie­ren, auch wenn ein Bundes-Prediger unver­dros­sen “Freiheit” ver­kün­digt.

miz Keine Atempause im Streitfall kirchliches Arbeitsrecht

MIZ 1/12

Den Einstieg in das Schwerpunktthema gibt mit “Die Kirchen auf dem ‘Dritten Weg’” die Juristin und lang­jäh­rige Bundestagsabgeordnete Ingrid Matthäus-Maier, eine beken­nende Atheistin. Hierin greift sie die zehn haupt­säch­lichs­ten Behauptungen des Klerus für den soge­nann­ten “Dritten Weg” auf und unter­zieht diese einer juris­tisch fun­dier­ten Bewertung.

Ihre wich­tigste Feststellung: Es ist dem Klerus in der Bundesrepublik gelun­gen, mit Hilfe einer will­fäh­ri­gen Politik und Rechtsprechung dasver­fas­sungs­mä­ßig gebo­tene “Selbstverwaltungsrecht der Kirchen” ein nahezu abso­lu­tes “Selbstbestimmungsrecht” der Amtskirchen umzu­funk­tio­nie­ren. Sie macht aber auch dies deut­lich: Alle Krankenhäuser und Pflegeheime in kirch­li­cher Trägerschaft wer­den nicht aus dem Vermögen der Kirche oder ihren Mitgliedsbeiträgen (offi­zi­ell Kirchensteuer genannt) finan­ziert, son­dern zu 100 Prozent durch die Krankenversicherung und wei­tere Zusatzbeiträge der Versicherten. Selbst bei christ­li­chen Kindergärten beträgt der Anteil der Träger maxi­mal bei zehn Prozent, meist sogar noch dar­un­ter.

Das Fazit der Autorin: “Die Erfahrung zeigt: Nie in der Geschichte haben die Kirchen Privilegien frei­wil­lig abge­ge­ben.” Vielleicht sollte man aber bes­ser sagen, daß es hier­bei in ers­ter Linie um Privilegien einer Priesterkaste han­delt.

Roland Ebert beschäf­tigt sich in sei­nem Beitrag “Dritter Weg und christ­li­che Lohndrückerei” mit dem Outsourcing und Werkverträgen in der soge­nann­ten Dienstgemeinschaft. Er kon­sta­tiert, daß allen from­men Sozial-Worten der Kirchenfürsten zum Trotz all “ihre” sozia­len Einrichtungen seit Jahren radi­kal neo­li­be­ral aus­schließ­lich auf Wirtschaftlichkeit und Profit getrimmt wer­den.

Die LINKS-Fraktion im Deutschen Bundestag hatte im Jahre 2011 einen Antrag “Grundrechte der Beschäftigten von Kirchen stär­ken” ein­ge­bracht. Im Zuge einer dies­be­züg­li­chen Anhörung am 26. März im Ausschuß für Arbeit und Soziales hatte die MIZ allen Fraktionen des Hauses drei Fragen gestellt. Die Antworten faßt die Redaktion unter der Über­schrift “Zustimmung, Verständnis, Ignoranz” zusam­men. Kopfschütteln ruft hier vor allem die FDP her­vor. Seitens die­ser Partei meint man, daß die Sozialeinrichtungen in kirch­li­cher Trägerschaft soll­ten sich in ihrer Tätigkeit auf ihre Kernaufgabe, die Verkündigung des Evangeliums, kon­zen­trie­ren. Na, dazu kann man nur noch sagen: Mit der FDP vor­wärts ins Mittelalter: Wozu brau­chen wir bei Blinddarm-OP’s noch Ärzte, es genü­gen doch Pfaffen…

Über eine geplante Studie zu “Loyalitätsobliegenheiten” von Dienstnehmern in kirch­li­chen Einrichtungen infor­miert Corinna Gekeler mit ihrem Artikel “Christlich-loyaler Lebenswandel als dienst­li­che Vorschrift”. Ihm schließt sich ein Beitrag von Vera Muth zur Kampagne “GerDia” (Gegen reli­giöse Diskriminierung am Arbeitsplatz) an.

Michael Rux wen­det sich einem neuen “Kulturkampf in Baden-Württemberg” unter grün-blassrosa Regierung zu. Er stellt die bange Frage, ob die neue Gemeinschaftsschule auf Druck der Amtskirchen nun “christ­lich” wer­den? Er zitiert dazu aus Artikel 12 der Landesverfassung: “Die Jugend ist in der Ehrfurcht vor Gott, im Geiste der christ­li­chen Nächstenliebe, (…) zu erzie­hen.” Es fol­gen wei­tere Erziehungsziele, dar­un­ter an zehn­ter un letz­ter Stelle “…und zu frei­heit­li­cher demo­kra­ti­scher Gesinnung”. Ähnli­ches steht übri­gens in vie­len Verfassungen west­deut­scher Länder. Angesichts des­sen fühlt man sich in feu­dale Zeiten mit christ­li­cher Staatskirche ver­setzt und nicht in die bundesdeutsch-republikanische Gegenwart, in der mehr als 40 Prozent der Menschen reli­gi­ons­frei oder nicht-christlichen Glaubens sind…

Über ein gericht­li­ches “Verfahren gegen Konkordatslehrstühle” im Freistaat (!) Bayern berich­tet Theodor Ebert.

Interessant sind Meinungsäußerungen säku­la­rer Verbände zu “Bundespräsident Joachim Gauck”. So schreibt Monika Heldlmeier vom Bund für Geistesfreiheit Bayern (bfg): “Außer Gauck waren alle Bundespräsidenten Mitglied einer Partei. Während ihrer Amtszeit ruhte die Mitgliedschaft. Denn ein Bundespräsident hat neu­tral zu sein. Neutralität in Fragen der Religion wurde aller­dings noch von kei­nem Bundespräsidenten gefor­dert.”

In Erinnerung sollte man unbe­dingt die Stellungnahme von Michael-Schmidt-Salomon von der Giordano-Bruno-Stiftung (gbs) behal­ten: “Dass die Wahl eines neuen Bundespräsidenten letzt­lich zu einem Kopf-an-Kopf-Rennen zwi­schen Alt-Bischof Huber und Pastor Gauck wurde, ent­hüllt wie kaum ein zwei­ter Sachverhalt die Nöte der deut­schen Politik: In einer Zeit, in der rhe­to­ri­sche Phrasendrescherei an die Stelle poli­ti­schen Sachverstands getre­ten ist, wen­det man sich hil­fe­su­chend an die wah­ren Meister die­ser Kunst: Theologen. Die Wahl Gaucks zeigt (…), wie weit sich die poli­ti­sche Klasse mitt­ler­weile von der Bevölkerung ent­fernt hat.”

Als Herum-Eiern kann man ange­sichts solch kla­rer Worte (wie auch die des IBKA-Sprechers) da nur die Erklärung von Frieder-Otto Wolf, des Präsidenten des grö­ßen säku­la­ren Verbandes, des Humanistischen Verbandes Deutschlands (HVD), bezeich­nen.

Ein MUSS für jeden Leser sollte unbe­dingt die Glosse “Neulich… … im Naturkundemuseum” von Daniela Wakonigg sein. Hier geht es u.a. um ein ‘hoch­gra­dig natur­wis­sen­schaft­li­ches’ Ausstellungsthema im Westfälischen Landesmuseum für Naturkunde mit dem Titel “Tiere der Bibel”… Doch damit nicht genug! Im Planetarium die­ses Hauses zeich­nete sich dann gar noch der Umriß eines Engels am Sternenhimmel ab.

Über “Shaolin-Kampfmönche, die aus­schließ­lich eine Erfindung der Hongkonger Filmindustrie sind, schreibt Colin Goldner. Wissenswertes über den bfg Augsburg erfährt man in der Rubrik “Zündfunke”. Rezensionen, eine Medium-Umschau sowie die tra­di­tio­nelle “Internationale Rundschau” sowie eine umfang­rei­che Terminübersicht run­den das Heft ab.

Gesagt wer­den soll auch noch dies: In sei­nem 41. Jahrgang zeigt sich die MIZ in einem neuen Layout sowie mit teil­wei­ser neuer Rubrizierung. Diese opti­sche Modernisierung ist kei­nem modi­schen Schnickschnack geschul­det und kann als wirk­lich gelun­gen bezeich­net wer­den.

Siegfried R. Krebs

MIZ – das bedeu­tet Materialien und Informationen zur Zeit. Das Vierteljahresmagazin des IBKA (Internationaler Bund der Konfessionslosen und Atheisten) erscheint seit 1972 und kann beim Alibri-Verlag Aschaffenburg bezo­gen wer­den.

[Erstveröffentlichung: Freigeist Weimar]


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