Kathy Reichs – Blut vergisst nicht

Kathy Reichs - Blut vergisst nicht

Kathy Reichs – Blut vergisst nicht

Kathy Reichs legt viel Wert darauf, zu betonen, dass ihre Romanheldin Temperance Brennan nicht ihr Alter Ego ist. Zwar sind die Parallelen zwischen der realen und der fiktiven Frau auffallend - derselbe Beruf, dieselben Örtlichkeiten und ähnliche professionelle Erfahrungen - doch sie sind nicht ein und dieselbe Person. Zum Glück, denn wer die Thriller-Reihe verfolgt, könnte meinen, eine Karriere als forensische Anthropologin sei brandgefährlich. Ein ums andere Mal gerät Tempe in die Schusslinie und ich erwartete auch von Band 13 „Blut vergisst nicht" einen aufregenden und riskanten Kriminalfall. Ich wurde nicht enttäuscht.

Im Laufe ihrer Karriere als forensische Anthropologin sind Dr. Temperance Brennan viele skurrile Fälle untergekommen - bisher war sie jedoch überzeugt, ein Mensch könne nur einmal sterben. Die Leiche, die aus einem See nahe Montreal geborgen wird, kann anhand der Fingerabdrücke eindeutig als John Charles Lowry identifiziert werden. Lowry war US-Soldat und kam offiziell bereits 1968 im Vietnamkrieg ums Leben. Doch wenn Lowry erst kürzlich in Kanada starb, wer liegt dann seit 40 Jahren in seinem Grab? Verwirrt reist Tempe nach Hawaii, um die Hilfe der Expert_innen des JPAC in Anspruch zu nehmen, der staatlichen Behörde zur Auffindung vermisster Soldat_innen der US-Streitkräfte. Während in ihrem Fall ermittelt wird, bittet die örtliche Gerichtsmedizinerin sie um Unterstützung. Sie soll die an der Küste angespülte, von Haien zerfleischte Leiche eines Kleinkriminellen untersuchen. War sein Tod ein tragisches Unglück oder war er in den Drogenkrieg verstrickt, der Hawaii seit Jahren belastet? Auf ihrer Suche nach Antworten lernt Tempe die dunkle Seite der paradiesischen Insel kennen und gerät in Lebensgefahr...

„Blut vergisst nicht" ist ein typischer „Temperance Brennan"-Roman. Der grobe strukturelle Ablauf der Bände ist ein unveränderliches Gerüst, lediglich die Details unterscheiden sich. Ich weiß das und lasse deshalb meist viel Zeit zwischen zwei Bänden verstreichen, da mich die Ähnlichkeiten dann weniger stören. Das letzte Mal besuchte ich Tempe 2015. Meiner Ansicht nach spricht es für die Reihe, dass es problemlos möglich ist, jahrelang keinen zu lesen und trotz dessen ohne Schwierigkeiten wieder einzusteigen, weil jeder Band einen abgeschlossenen Fall behandelt. In „Blut vergisst nicht" konzentriert sich Kathy Reichs auf die Vorstellung des JPAC, das sie selbst, ebenso wie Tempe, unterstützte. Das Joint POW/MIA Accounting Command ist eine Behörde des US-Verteidigungsministeriums, deren Mitglieder Kriegsgefangene und im Einsatz vermisste und/oder verstorbene Soldat_innen suchen und nach Hause bringen. Ihr Motto lautet „Bis sie zu Hause sind". Reichs beleuchtet ihre Arbeit ausführlich, beschreibt die Hindernisse, die sie überwinden müssen und illustriert am fiktiven Fall des verstorbenen John Charles Lowry, wie bedeutend ihre Bemühungen für die Angehörigen sind. Ich bin persönlich etwas zwiegespalten hinsichtlich des JPAC. Obwohl ich ihre Arbeit anerkenne, wertschätze und die Einrichtung für wichtig halte, schüttelt die pazifistische Idealistin in mir den Kopf darüber, dass es das JPAC überhaupt braucht. Beträfen ihre Anstrengungen ausschließlich die Kriege der Vergangenheit, wie den Zweiten Weltkrieg oder den Vietnamkrieg, bliebe meine kritische Stimme stumm, doch es wurmt mich, dass die zeitgenössische US-amerikanische Außenpolitik ihnen neue Fälle liefert. Das JPAC verfügt über Außenstellen in Thailand, Vietnam und Laos, ihre Zentrale befindet sich in der Joint Base Pearl Harbor-Hickam auf Hawaii. Dadurch erlebt die Reihe einen interessanten Schauplatzwechsel, der mich darin bestätigte, dass der 50. Bundesstaat der USA eine traumhafte Insel ist, die ich eines Tages besichtigen möchte. Für die Protagonistin und Ich-Erzählerin ändert sich durch das neue Setting erstaunlich wenig. „Blut vergisst nicht" konfrontiert Tempe mit einer äußerst komplizierten, verschachtelten Ermittlung, die wuchs und wuchs, bis ich den Eindruck einer wilden Mutation gewann. Meinem Empfinden nach war diese Entwicklung eindeutig übertrieben; Reichs involvierte zu viele Komponenten und Querverbindungen, sodass ich nicht fähig war, den Fall selbst zu lösen. Tempe hingegen ist wie immer mitten drin. Ihr starkes Kontrollbedürfnis wird ihr wieder einmal zum Verhängnis: da sie unfähig ist, zu delegieren und ihre Nase in alles hineinstecken muss, bringt sie sich selbst und ihre Liebsten in Gefahr. Ich finde ihre Rolle als Zielscheibe mittlerweile unglaubwürdig und ausgelutscht. Bei allen Abstrichen zugunsten der Action sollte Kathy Reichs nicht vergessen, dass Tempe keine Polizistin ist und als forensische Anthropologin innerhalb einer realistischen Ermittlung somit eher eine Randfigur wäre.

Wenn ich zu einem „Temperance Brennan"-Roman greife, weiß ich, worauf ich mich einlasse. Ich weiß, dass Kathy Reichs ihre Protagonistin Tempe als schillernde Heldin inszenieren wird, ohne die die Lösung des hochkomplizierten Kriminalfalls, dessen spektakuläres Actionlevel die Grenzen der Realität mühelos sprengt, völlig undenkbar wäre. Ich bin mir absolut im Klaren darüber, was mich erwartet. Daher ist es Kathy Reichs beinahe unmöglich, mich zu enttäuschen. Ich betrachte die Bände als Appetithäppchen für Zwischendurch, die mich mit einem angenehmen Strom neuen Wissens und respektablem Unterhaltungswert sättigen. Nach diesen Maßstäben beurteile ich „Blut vergisst nicht". Der 13. Band überzeugt meiner Meinung nach vor allem durch die Informationen über das JPAC, das beeindruckende Arbeit leistet und zurecht im Fokus des Falls steht. Das ganze Brimborium drum herum - Haiangriffe, Identitätstausch, organisiertes Verbrechen - halte ich persönlich für unnötig, aber das ist sicher Geschmackssache und hält mich nicht davon ab, Tempe erneut zu besuchen. Bis in drei Jahren, meine Liebe.


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