Kommentar über das „Wort zum Sonntag“ vom 19. Februar 2011
von Dennis Riehle
Sie ist eine der ältesten Sendungen im deutschen Fernsehen und erfreut sich einer beständig konstanten Einschaltquote: Jeden Samstag stimmen evangelische und katholische Theologen die Zuhörer in ihrem fünfminütigen „Wort zum Sonntag“ in aktuelle Debatten ein, erläutern Bibelzitate oder rechtfertigen soziales Engagement.
Am 19.02.2011 war der katholische Geistliche Monsignore Wahl aus Trier an der Reihe. Bereits seine ersten Sätze ließen einen eindeutigen Standpunkt erahnen: Er habe die Zälibats-Diskussion „satt“. Der gespannte Zuseher kombinierte rasch. Entweder stand die aktuelle Ausgabe der Sendung unter dem Titel „Die Verteidigung des Zölibat“ – oder sie passte sich dem Druck der ein- bis zweihundert katholischen Professoren an, die dieser Tage Reformen (und damit unter anderem die Abschaffung des Zölibat) von der katholischen Kirche einforderten.
Zunächst wählte Wahl den „Schmusekurs“, um es sich mit niemandem zu verderben: Sich für Enthaltsamkeit zu entscheiden, sei eine persönliche Angelegenheit. Und doch müsse man die verstehen, die sich zum Pfarrdienst berufen fühlten und mit der zölibatären Pflicht dennoch nicht zurecht kommen würden. Verständnis für alles und jeden – man passt sich eben an, um einen klaren Standpunkt vermeiden können.
Doch aus dem Hin und Her, dem ein wenig Pro und auch ein Stück weit Contra folgte die Ansage, die man insgeheim schon vermutet hatte: Wahl betonte auf Grundlage der Argumentation, dass die Rechte der Persönlichkeit eben auch für Priester gelten, seine Ansicht für eine Freistellung vom Zölibat. Statt an dieser Stelle sogleich von der Abschaffung zu sprechen, ging Wahl den Weg des Diskurses und der Verwirrung: Jedem Anwärter auf ein geistliches Amt frei zu stellen, ob er seine Zukunft zölibatär gestalten wolle oder nicht, bedeutet übersetzt nichts Anderes als den Verzicht auf den Zölibat.
Um die „Konservativen“ nicht ganz zu erschüttern, den „Liberalen“ aber so weit wie möglich entgegen zu kommen, wählte Wahl offenkundig bewusst eine Formulierung, die beim ersten Hören auf nicht allzu viel Gegenwind stoßen sollte.
Er habe die Debatte „satt“, weil nicht jedem Priesterkandidaten zugestanden würde, sich in persönlichem Entscheid zum Zölibat frei und ohne Druck für eine respektvolle und zu würdigende Form der Alltagsgestaltung zu bekennen. Bekannt hat sich Wahl damit aber selbst: Eine Freistellung (Abschaffung) des Zölibats würde wohl nach seiner Einschätzung eine für ihn unsägliche und „nervende“ Diskussion zu einem Ende bringen – die Auseinandersetzung mit Für- und Gegensprechern wäre abgeschlossen, man wäre den Weg des geringsten Widerstandes gegangen: indem man eine Debatte im Keim erstickt, die herausfordern würde und bei der man schlussendlich nicht um eine eindeutige Positionierung herum käme. Das wäre mühsam – und damit unbeliebt.
Unbeliebt sei die Diskussion bei Wahl aber auch deswegen, weil sie wichtigere Themen verdränge: Atompolitik, Arbeitslosigkeit und Frieden – all das würde von der innerkirchlichen Debatte um Zölibat und Reformen überlagert. Das, was wirklich bewegt, trete in den Hintergrund, und ließe den internen Streitigkeiten der katholischen Kirche den Vorrang.
Wahl scheint dabei nicht begriffen zu haben, dass die Diskussion um Zölibat viel mehr Dimensionen umfasst, als er sich denken mag. Denn sie macht deutlich, was für jeden zukünftigen Diskurs, sei es um kirchliche oder eben weltliche Angelegenheiten, von absoluter Bedeutung ist: Wer sich weigert, sich einer Debatte zu stellen, die schwierig ist und nicht mit einem „Basta“ oder lauwarmen Kompromiss beendet werden kann, wird auch nicht in der Lage sein, sich in allen bedeutsamen Schlagabtauschen der Zukunft mit einer klaren, bekennenden und gefestigten Stimme auf Wurzeln, Fundament und Beständigkeit zu berufen. Wer jetzt in der Zölibats-Debatte einen übereilten Schluss zugunsten eines scheinbaren Mittelweges fordert, zeigt wenig Bereitschaft, mit Überzeugung Werte und Normen zu verteidigen. Aber genau das müssen auch die können, die in der nächsten Zeit um Armut, Kriege oder Energiepolitik sprechen werden.
Schlussendlich fragt man sich, ob die „Wort zum Sonntag“-Redaktion überhaupt einen Text geduldet hätte, der eindeutige Kante gezeigt hätte. Im Einklang mit einer Bewegung, die mit scheinbaren Reformen Traditionelles aus den Angeln heben will, war es wohl gewollt, dass am Ende eine Botschaft an die Zuhörer ging, die voll und ganz auf Linie derer ist, die meinen, sich als Basis zu verstehen und damit das Recht besitzen, Bewährtes im Alleingang außer Kraft setzen zu können.